Rechtliches

Darf die Arbeitszeit per Fingerabdruck erfasst werden?

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Nein, meinte jedenfalls das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg in einer Entscheidung vom 04.06.2020, 10 Sa 2130/19, und bestätigt damit das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts Berlin (wir berichteten).

Was war passiert?

Eine radiologische Praxis führte ein Zeiterfassungssystem ein, das einen Fingerabdruckscanner beinhaltete. Dieses System verarbeitete nicht den gesamten Fingerabdruck, sondern die sogenannten Minutien, also die Fingerlinienverzweigungen.

Der Arbeitgeber hatte dies damit begründet, dass es wiederholt vorgekommen sei, dass Beschäftigte ihre Chipkarten oder Personalnummern Kollegen mitgegeben hätten, um falsche Arbeitszeiten einzureichen.

Einen Missbrauch in der hier betroffenen Praxis in Berlin hatte der Arbeitgeber jedoch nicht vorgetragen. Dem Kläger persönlich waren auch falsche Einträge nicht vorgeworfen worden.

Zankapfel: elektronisches Fingerabdrucksystem

Der Kläger lehnte es ab, dieses neue System zu benutzen. Seine Dienstplanwünsche und Arbeitszeiten trug er weiterhin schriftlich ein.

Ende 2018 und Anfang 2019 wurde er deswegen abgemahnt, so dass er schließlich mit seiner Klage die Entfernung der Abmahnungen aus seiner Personalakte verlangte.

Gerichtsverfahren angestrengt

Mit seiner Klage hatte er vor dem Arbeitsgericht Berlin Erfolg, auch die Berufung seines Arbeitgebers vor dem Landesarbeitsgericht Berlin wurde zurückgewiesen.

Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass eine Verarbeitung der hier vorhandenen Daten gemäß Art. 9 Abs. 2 DSGVO nur ausnahmsweise möglich ist, allerdings lag ein solcher Ausnahmefall hier nicht vor.

Betrug zwar möglich, im konkreten Fall aber nicht vorgetragen

Es sei zwar möglich, dass beim Zeiterfassungssystem mit Chipkarten oder Transpondern ein Betrug möglich sei, es sei aber für das Gericht nicht nachvollziehbar, weswegen bei der Beklagten unentdeckt bleiben sollte, dass der Kläger oder Kollegen zu spät erscheinen oder vorzeitig gehen. Die übrigen Beschäftigten würden eine Unterbesetzung aller Wahrscheinlichkeit nach bemerken.

Erfassung der biometrischen Daten ohne Einwilligung hier unzulässig

Außerdem seien die sogenannten Minutien nach der DSGVO biometrische Daten, so dass abzuwägen war, ob eine Arbeitszeiterfassung unter Einsatz biometrischer Daten im entschiedenen Fall erforderlich war.

Das Landesarbeitsgericht war der Auffassung, dass hier eine Erfassung der biometrischen Daten ohne Einwilligung des Arbeitnehmers nicht zulässig war, so dass die Weigerung der Nutzung keine Pflichtverletzung dargestellt hat und die Abmahnungen aus der Personalakte zu entfernen waren.

Praxishinweise:

Entscheidung des Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg vom 04.06.2020, Aktenzeichen: 10 Sa 2130/19

Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin vom 16.10.2019, Aktenzeichen: 29 Ca 5451/19