Rechtliches

Arbeitnehmer muss bei Pflichtverletzung Anwaltskosten des Arbeitgebers erstatten

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Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts kann ein Arbeitgeber verlangen, die durch die Tätigkeit von spezialisierten Anwaltskanzleien entstandenen notwendigen Kosten ersetzt zu bekommen. Dies gilt, wenn er die Anwaltskanzlei anlässlich eines konkreten Verdachts mit Ermittlungen gegen einen Arbeitnehmer beauftragt hat und der Arbeitnehmer tatsächlich einer schwerwiegenden vorsätzlichen Vertragsverletzung überführt wird.

Ausgangsfall

Ein Arbeitnehmer war bei einem Unternehmen als Leiter des Zentralbereichs Einkauf tätig. Er gehörte der Führungsebene an. Sein Jahresbruttogehalt betrug ca. 450 000 €. Das Unternehmen erhielt mehrere anonyme Verdachtsmeldungen über mögliche Compliance-Verstöße des Mitarbeiters und entschied deshalb, eine Untersuchung durch eine auf die Durchführung von Compliance-Ermittlungen spezialisierte Anwaltskanzlei einzuleiten.

Diese Anwaltskanzlei fertigte einen Untersuchungsbericht an, der zum Ergebnis hatte, dass der Mitarbeiter auf Kosten des Unternehmens Personen ohne dienstliche Veranlassung zum Essen eingeladen und zulasten des Unternehmens Reisekosten für von ihm unternommene Fahrten zu Champions-League-Spielen des FC Bayern München abgerechnet hatte. Die Eintrittskarten für die Fußballspiele hatte der Mitarbeiter von Geschäftspartnern des Unternehmens angefordert. Für den Bericht stellte die Anwaltskanzlei dem Unternehmen auf Basis eines Stundenhonorars in Höhe von 350 € insgesamt knapp 210 000 € in Rechnung.

Infolge der Erkenntnis aus diesem Bericht kündigte das Unternehmen das Arbeitsverhältnis mit dem Mitarbeiter fristlos, hilfsweise fristgemäß wegen des Verstoßes gegen das sog. Schmiergeldverbot, der Abrechnung privater Auslagen auf Kosten des Unternehmens und des mehrfachen Spesenbetrugs.

Mitarbeiter klagt erfolglos gegen Kündigungen

Der Mitarbeiter setzte sich gegen die Kündigungen mit einer Klage zur Wehr, die allerdings erfolglos blieb. Im Zuge des Gerichtsverfahrens nahm das Unternehmen durch eine sog. Widerklage den Mitarbeiter auf Einsatz der Kosten in Anspruch, die die Anwaltskanzlei dem Unternehmen für ihren Bericht in Rechnung gestellt hatte. Als Begründung bezog sich das Unternehmen auf die Rechtsprechung, nach der Arbeitnehmer in bestimmten Situationen bei eigenen Pflichtverletzungen dem Arbeitgeber Detektivkosten zu erstatten hätten. Gegen diese Inanspruchnahme wehrte sich der Mitarbeiter mit dem Argument, ein solcher Schadensersatzanspruch sei durch § 12 a Arbeitsgerichtsgesetz ausgeschlossen und das Unternehmen habe auch nicht vorgetragen, weshalb die ihm gegenüber geltend gemachten Kosten erforderlich gewesen seien.

Während das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen hatte, hatte das Landesarbeitsgericht den Mitarbeiter zur Zahlung von 65 000 € verurteilt. Es setzte für diesen Betrag die Kosten an, die dem Unternehmen durch die Tätigkeit der Anwaltskanzlei bis zum Ausspruch der Kündigung entstanden seien. Damit war der Mitarbeiter nicht einverstanden. Seine Revision beim Bundesarbeitsgericht (BAG) war erfolgreich.

BAG: Mitarbeiter muss Anwaltskosten bei zutreffendem Verdacht zahlen

Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts1 kann ein Arbeitgeber die durch die Tätigkeit von spezialisierten Anwaltskanzleien entstandenen notwendigen Kosten ersetzt verlangen, wenn er die Anwaltskanzlei anlässlich eines konkreten Verdachts einer erheblichen Verfehlung des Arbeitnehmers mit Ermittlungen gegen den Arbeitnehmer beauftragt hat und der Arbeitnehmer tatsächlich einer schwerwiegenden vorsätzlichen Vertragsverletzung überführt wird. In dem Fall gehörten auch die zur Abwendung drohender Nachteile notwendigen Aufwendungen des Arbeitgebers zu dem Schaden, den Arbeitnehmer ihm zu ersetzen haben.

Die Grenze der Ersatzpflicht richte sich nach dem, was ein vernünftiger, wirtschaftlich denkender Mensch nach den Umständen des Einzelfalles zur Beseitigung der Störung oder zur Schadensverhütung nicht nur für zweckmäßig, sondern für erforderlich halten würde und dürfe. Dem stünde auch nicht entgegen, dass das Arbeitsgerichtsgesetz auch einen materiellen Kostenerstattungsanspruch ausschließe.

Das beklagte Unternehmen habe jedoch nicht dargelegt, dass die ihm von der Anwaltskanzlei in Rechnung gestellten Kosten erforderlich gewesen seien. Das Unternehmen hätte vortragen müssen, welche konkreten Tätigkeiten bzw. Ermittlungen wann und in welchem zeitlichen Umfang wegen welchen konkreten Verdachts gegen den ehemaligen Mitarbeiter von der beauftragten Anwaltskanzlei durchgeführt worden seien.

Praxistipp:

Auch wenn die Entscheidung im Ergebnis zulasten des Unternehmens ausfiel, ist für Arbeitgeber von Bedeutung, dass ein solcher Schadensersatzanspruch dem Grunde nach besteht, wenn ein konkreter Verdacht gegen einen Arbeitnehmer durch die Ermittlungen einer externen Anwaltskanzlei bestätigt wird. Wichtig ist dann nur, dass die Kanzlei diejenigen Daten zur Verfügung stellen kann, die das Bundesarbeitsgericht in diesem Fall vermisst hat. Offen bleibt auch, ob dieser Ersatzanspruch auch besteht, wenn durch die Kanzlei nur ein Verdacht bestätigt, nicht aber eine konkrete Pflichtverletzung feststellt wird.

 

1 Bundesarbeitsgericht, Pressemitteilung vom 29. April 2021 – 8 AZR 376/20

Besprochen in RdW 2021, Heft 14, Randnummer 274