Grundlagen Rechtliches

Waffenbesitz – Ein rechtskräftiger Strafbefehl steht einem rechtskräftigen Strafurteil gleich

Ein Amtsgericht (AmtsG) in Rheinland-Pfalz hatte einen in Oberbayern wohnhaften Waffenbesitzer mit vom 07.08.2018 rechtskräftigem Strafbefehl wegen Unterschlagung in neun Fällen in Tatmehrheit mit Untreue in 15 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und setzte die Vollstreckung zur Bewährung aus. Nach Anhörung des Betroffenen widerrief das für den Betroffenen zuständige Landratsamt in Oberbayern (LRA) mit Bescheid vom 28.10.2019 die für ihn ausgestellten Waffenbesitzkarten und traf verschiedene Folgeanordnungen.

Zur Begründung hatte das LRA ausgeführt, die Waffenbesitzkarten seien zu widerrufen, da durch die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr ein Fall der absoluten waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit vorliegen würde. Mit Bescheid vom 11.12.2019 erklärte das LRA zudem den bis zum 31.03.2020 gültigen Jagdschein des Betroffenen für ungültig und zog diesen ein. Für die Wiedererteilung des Jagdscheins setzte das LRA eine Sperrfrist von 10 Jahren ab der letzten rechtskräftigen Verurteilung vom 07.08.2018 fest und traf verschiedene Folgeanordnungen. Das Verwaltungsgericht (VG) hatte die Anträge des Waffenbesitzers nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) abgelehnt.

Die dagegen erhobenen Beschwerden beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) blieben erfolglos. Die Klagen gegen die beiden Bescheide des LRA hatte das VG mit Urteil vom 23.02.2021 abgewiesen, da die Bescheide rechtmäßig seien. Hinsichtlich des Widerrufs der Waffenbesitzkarten liege ein Fall der absoluten Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Waffengesetz (WaffG) vor und der Einwand, es sei eine Ausnahme von der Regelvermutung einschlägig, könne daher nicht durchdringen. Der Strafbefehl stehe einem rechtskräftigen Strafurteil gleich und es sei deshalb auf den im Strafbefehl erfolgten Strafausspruch abzustellen.

Kein Ausnahmefall, der ein Absehen von der Regelvermutung rechtfertigen könnte

Ein solcher Ausnahmefall i. S. v. § 5 Abs. 2 Waffengesetz (WaffG), der hier ein Absehen von der Regelvermutung rechtfertigen könnte, wäre auch nicht gegeben. Bei einer rechtskräftigen Verurteilung sei von der Richtigkeit der Verurteilung auszugehen und die Prüfung darauf beschränkt, ob die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Satz 1 WaffG aufgrund besonderer Umstände im Einzelfall ausgeräumt sei. Nur in besonderen Ausnahmefällen, wenn ohne Weiteres erkennbar sei, dass die strafrechtliche Beurteilung auf einem Irrtum beruhe, oder die Verwaltungsbehörde und das VG im Stande seien, den Vorfall besser und richtiger zu beurteilen, komme eine Abweichung von einem rechtskräftigen Strafurteil oder Strafbefehl in Betracht.

Ein solcher Fall liege hier aber nicht vor. Eine Abweichung von der Regelvermutung komme ohnehin nur dann in Betracht, wenn die Umstände der abgeurteilten Tat die Verfehlung ausnahmsweise derart in einem milden Licht erscheinen ließen, dass dadurch begründete Zweifel an der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit nicht gerechtfertigt seien. Auch das sei hier nicht gegeben. Die Festsetzung einer Sperrfrist für die Wiedererteilung des Jagdscheins von 10 Jahren sei nicht zu beanstanden und orientiere sich an den Vorgaben des § 5 Abs. 1 Nr. 1 WaffG. Auch die weiteren Anordnungen seien rechtmäßig.

Dagegen wendete sich der Betroffene mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung beim VGH. Er machte geltend, die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Satz 1 WaffG könne entkräftet werden. Es liege ein Ausnahmefall vor, da es sich nur um einen Strafbefehl handele und der Strafausspruch zu hoch gewesen sei.

Antrag auf Zulassung der Berufung blieb ohne Erfolg

Er sei sich zudem der waffenrechtlichen Bedeutung nicht bewusst gewesen, sonst hätte er Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt. Er sei dabei anwaltlich schlecht beraten worden (…). Wäre das VG seinem Sachvortrag hinsichtlich eines Ausnahmefalls nachgegangen, hätte es terminieren müssen. Hinsichtlich der Sperrfrist für die Wiedererteilung des Jagdscheins reiche es nicht aus, diese an § 5 Abs. 1 Nr. 1 WaffG zu orientieren. Es liege ein Ermessenfehlgebrauch vor, da nach anderen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen die Sperrfrist regelmäßig nur fünf Jahre betrage. Werde eine längere Frist verfügt, müsse dies ausführlich begründet werden, dies sei hier jedoch nicht geschehen.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung blieb ohne Erfolg. Aus der Antragsbegründung, auf die sich gem. § 124 a Abs. 5 Satz 2 VwGO die Prüfung im Zulassungsverfahren beschränkt, ergaben sich die geltend gemachten Berufungszulassungsgründe gem. § 124 Abs. 2 VwGO nicht. Nach § 45 Abs. 2 i. V. m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b WaffG ist eine Erlaubnis nach dem Waffengesetz zu widerrufen, wenn deren Inhaber wegen sonstiger vorsätzlicher Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr rechtskräftig verurteilt wurde und seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung zehn Jahre noch nicht verstrichen sind.

Freiheitsstrafe von einem Jahr führt zu einer absoluten waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b WaffG

Das VG war hier entscheidungstragend davon ausgegangen, dass angesichts der Verurteilung durch das AmtsG mit Strafbefehl zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr ein Fall der absoluten waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b WaffG vorliegt.

Davon sieht das Waffengesetz keinen Ausnahmefall vor. Diese Auffassung konnte von der Begründung des Berufungszulassungsantrags nicht erschüttert werden. Mit der Frage der absoluten waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b WaffG setzte sich die Antragsbegründung schon nicht hinreichend auseinander. Nur alternativ hatte das VG geprüft, ob ein Ausnahmefall von einem Regeltatbestand des § 5 Abs. 2 WaffG angenommen werden könnte und ist dabei davon ausgegangen, dass zum einen kein Anlass besteht, die Richtigkeit des Strafbefehls zu überprüfen und zum anderen eine Abweichung von der Regelvermutung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) und des VGH nicht in Betracht komme.

Die Angriffe des Betroffenen gegen diesen einen Begründungsstrang konnten aber keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils begründen. Er konnte auch die Auffassung des VG, die Sperrzeit nach § 18 Satz 3 Bundesjagdgesetz (BJagdG) sei ermessensgerecht festgesetzt worden, nicht in Zweifel ziehen. Denn es erscheint sachgerecht, die Sperrfrist an der Frist des § 5 Abs. 1 Nr. 1 WaffG zu orientieren. Es kann nach § 17 Abs. 1 Satz 2 BJagdG beim Fehlen der Zuverlässigkeit oder persönlichen Eignung i. S. d. §§ 5 und 6 WaffG ohnehin nur ein Jagdschein nach § 15 Abs. 7 BJagdG (sog. Falknerjagdschein) erteilt werden. Dem Betroffenen könnte daher vor Ablauf der Frist des § 5 Abs. 1 Nr. 1 WaffG ohnehin der von ihm gewünschte Jagdschein nicht erteilt werden. Andere Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO waren nicht ausdrücklich geltend gemacht und auch nicht dargelegt.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 11.01.2022 – 24 ZB 21.983.

 

Entnommen aus der Fundstelle Hessen, 02/2023, Rn. 13.