Lastkraftwagen einer Speditionsfirma nutzten die Straße zum Stuttgarter Hafen, für die ein Lkw-Durchfahrtsverbot gegolten hat. Nur der Lieferverkehr war laut der Straßenbeschilderung erlaubt. Die Lkw befuhren aber mehrmals täglich die Straße als Durchfahrt von der Niederlassung zur Autobahn und hielten sich somit nicht an das Durchfahrtsverbot.
Einige Eigentümer, die an dieser Straße wohnen, rügten dieses Verhalten und klagten auch auf Unterlassung. Sowohl deren Klage auf Unterlassung beim Amtsgericht (AmtsG) als auch die Berufung beim Landgericht (LG) hatten keinen Erfolg. Auch der Bundesgerichtshof (BGH) wies die Revision als unbegründet zurück.
Kein Unterlassungsanspruch aufgrund einer möglichen Gesundheitsverletzung
Wie der BGH in seiner Entscheidung ausführt, hatte das LG zu Recht angenommen, dass sich das Unterlassungsbegehren der Anwohner nicht auf § 1004 Abs. 1 i. V. m. § 823 Abs. 1 BGB wegen einer möglichen Gesundheitsverletzung stützen lässt. Eine Kausalität und Rechtsgüterverletzung sei nicht erkennbar.
Dies gelte auch bzgl. einer möglichen wesentlichen Beeinträchtigung der Benutzung der Grundstücke der klagenden Eigentümer i. S. d. § 906 BGB. Insoweit gebe es keine konkreten Anhaltspunkte für einen auf die Eigentümerstellung gestützten Unterlassungsanspruch und damit eine Rechtsverletzung.
Kein Unterlassungsanspruch wegen der Verletzung eines Schutzgesetzes
Die Verletzung eines Schutzgesetzes gegen das Lkw-Durchfahrtsverbot durch die Mitarbeiter des beklagten Speditionsbetriebs liege nicht vor. Das gem. § 40 Abs. 1 Satz 1 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) i. V. m. dem Luftreinehalteplan für die Landeshauptstadt Stuttgart angeordnete Durchfahrtsverbot sei kein Schutzgesetz i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB.
Der einzelne Anwohner innerhalb der Durchfahrtsverbotszone könne keine Schutzrechte und daher auch keinen Unterlassungsanspruch ableiten.
Durchfahrtsverbot bietet keinen Individualschutz
Ein Schutzgesetz i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB liege nur vor, wenn es zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsgutes oder -interesses zu schützen. Dafür komme es nicht auf die Wirkung des Gesetzes, sondern auf den Inhalt, den Zweck und die Entstehungsgeschichte des Gesetzes an.
Maßgebend sei, ob der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes gerade einen Rechtsschutz, wie er gegen die behauptete Verletzung in Anspruch genommen wird, zugunsten von Einzelpersonen oder bestimmten Personenkreisen gewollt oder doch mitgewollt hat.
Es reiche nicht aus, dass der Individualschutz durch Befolgung der Norm als Reflex objektiv erreicht werden könne. Er müsse vielmehr ausdrücklich im Aufgabenbereich der Norm liegen. Das sei hier zu prüfen gewesen.
Straßenanlieger lediglich als Teil der Allgemeinheit begünstigt
Hier sei das Lkw-Durchfahrtsverbot nicht für bestimmte Straßen der Stadt zur Reduzierung der die Anlieger beeinträchtigenden Schadstoffkonzentrationen, sondern grundsätzlich für das gesamte Stadtgebiet angeordnet worden. Es solle allgemein die Luftqualität verbessert und der Überschreitung der Emissionsgrenzwerte entgegengewirkt werden.
Die Anwohner seien nur als Teil der Allgemeinheit im bloßen Rechtsreflex begünstigt. Dies spreche gegen die Annahme, ein Schutz von Einzelinteressen sei mit dem Lkw-Durchfahrtsverbot angestrebt worden.
Unter dem potenziell drittschützenden Aspekt des Gesundheitsschutzes käme auch ein Unterlassungsanspruch des Einzelnen hinsichtlich des Befahrens der gesamten Verbotszone nicht in Betracht.
Angesichts der Größe der Verbotszone könne nicht angenommen werden, dass die an einer beliebigen Stelle der Verbotszone durch die Kraftfahrzeuge verursachten Emissionen für den jeweiligen Anlieger innerhalb dieser Zone eine unmittelbare Gefahr durch die Überschreitung der Emissionswerte darstellten und sie damit eine potenzielle Gesundheitsbeeinträchtigung verursachten.
Somit sei erkennbar, dass das Lkw-Durchfahrtsverbot keinen individuellen deliktischen Unterlassungsanspruch auf Normvollzug zwischen einzelnen Bürgern begründen möchte.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.06.2022 – VI ZR 110/21
Entnommen aus der Gemeindeverwaltung Rheinland-Pfalz 14/2023, Rn. 146.