Grundlagen Rechtliches

Regelungen in § 3 Fahrerlaubnis-Verordnung nicht hinreichend bestimmt

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§ 3 Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) regelt die Anforderungen an die Eignung zum Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen nicht hinreichend bestimmt und kann daher als Rechtsgrundlage für behördliche Untersagungen nicht herangezogen werden.

Das entschied der Bayerische Verfassungsgerichtshof (VGH) im unten vermerkten Urteil vom 17.04.2023 und begründet dies wie folgt:

Bestimmtheitsgebot für Rechtsnormen

„Rechtsnormen müssen so bestimmt formuliert sein, dass die Folgen der Regelung für den Normadressaten so vorhersehbar und berechenbar sind, dass er sein Verhalten danach ausrichten kann, dass der Verwaltung angemessen klare Handlungsmaßstäbe vorgegeben werden und dass eine hinreichende gerichtliche Kontrolle möglich ist …

Anlass, Zweck und Grenzen eines Eingriffs müssen in der Ermächtigung bereichsspezifisch, präzise und normenklar festgelegt werden … Allerdings verbietet es der Bestimmtheitsgrundsatz dem Gesetzgeber nicht, Generalklauseln und unbestimmte Rechtsbegriffe zu verwenden … oder sich der Verweisungstechnik zu bedienen …

Es obliegt grundsätzlich den Gerichten, durch schrittweise Konkretisierung der unbestimmten Rechtsbegriffe und durch Kontrolle der Einhaltung der Ermessensschranken die notwendige Berechenbarkeit des Verwaltungshandelns sicherzustellen …

Verweisungen müssen begrenzt bleiben und dürfen nicht durch die Inbezugnahme von Vorschriften, die andersartige Spannungslagen bewältigen, ihre Klarheit verlieren. In der Praxis darf es hierdurch nicht zu übermäßigen Schwierigkeiten bei der Anwendung kommen …

Der Grad der jeweils zu fordernden Bestimmtheit einer Regelung hängt von der Eigenart des geregelten Sachverhalts ab, insbesondere auch davon, in welchem Umfang der zu regelnde Sachbereich einer genaueren begrifflichen Umschreibung überhaupt zugänglich ist, ferner von der Intensität der Auswirkungen der Regelung für den Betroffenen … bzw. der Art und Schwere des möglichen Eingriffs …

Je bedeutsamer die Norm ist, insbesondere je intensiver die damit verbundene Freiheitseinschränkung des Bürgers ausfällt, und je eindeutiger, abgrenzbarer und vorhersehbarer der Regelungsgegenstand ist, desto höher ist das Maß der gebotenen inhaltlichen Bestimmtheit der Norm …“

Untersagung des Führens erlaubnisfreier Fahrzeuge

„Insoweit ist festzustellen, dass § 3 Abs. 1 Satz 1 FeV die Fahrerlaubnisbehörde zu schwerwiegenden Eingriffen in die durch die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) geschützte Mobilität … des Betroffenen ermächtigt.

Eine Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge, das ansonsten jedermann im öffentlichen Straßenraum ohne Weiteres erlaubt ist, kann den Betroffenen ganz auf den nicht immer und überall erreichbaren und mit nicht unerheblichen Kosten verbundenen öffentlichen Personen- und Gelegenheitsverkehr beschränken.

Die Teilnahme am Straßenverkehr mit fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen, insbesondere mit dem Fahrrad, kann für die private Lebensgestaltung des Einzelnen, einschließlich der Ausbildung und Berufsausübung, von erheblicher Bedeutung sein …“

Lückenhafte Regelung der materiellen Voraussetzungen

„Demgegenüber sind die materiellen Voraussetzungen, unter denen ein Eingriff nach § 3 Abs. 1 Satz 1 FeV erfolgen darf, nur sehr lückenhaft geregelt. Insbesondere ist nicht ausreichend klar geregelt, in welchen Fällen sich der Führer fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge als ungeeignet bzw. nur noch bedingt geeignet erweist und wann Eignungszweifel im Sinne von § 3 Abs. 2 FeV gerechtfertigt sind.

Soweit die amtliche Begründung zu § 3 FeV (BR-Drs. 443/98, S. 237) hierzu auf § 2 Abs. 4 StVG (,wer die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllt und nicht erheblich oder nicht wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder gegen Strafgesetze verstoßen hat‘) verweist, bezieht sich diese Begriffsdefinition ausdrücklich nur auf die Kraftfahreignung.

Ein den Anlagen 4 bis 6 zur FeV vergleichbares Regelwerk, das zur Konkretisierung … der unbestimmten Rechtsbegriffe der körperlichen und geistigen Anforderungen diejenigen Erkrankungen und Mängel aufführt, die die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen im Regelfall längere Zeit beeinträchtigen oder aufheben können, fehlt für Fahrzeuge, die keine Kraftfahrzeuge sind.

Auch aus § 3 Abs. 2 FeV, wonach die Vorschriften der §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung finden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Führer eines Fahrzeugs oder Tieres zum Führen ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet ist, lässt sich kein hinreichend bestimmter Anhalt für spezifische Eignungszweifel gewinnen.“

(…)

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urt. v. 17.4.2023 – 11 BV 22.1234

Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der Fundstelle Bayern 5/2024, Rn. 56.