Im Rechtsstreit um die Zulassung zur Essener Grugahalle anlässlich des 15. Bundesparteitags der AfD hat das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen geurteilt, dass die Versagung des Zugangs zu einer öffentlichen Einrichtung eine hohe Wahrscheinlichkeit von Rechtsverletzungen erfordert, die auf eine strengen Anforderungen genügende Gefahrenprognose gestützt werden kann.
Sachverhalt
Auf Antrag der Partei AfD wurde der beklagten Kommune als Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, der Antragstellerin durch entsprechende Einwirkung auf die Beigeladene Zugang zur Grugahalle mit Foyer und Nebenräumen auf dem Gelände der Beigeladenen (…) zur Vorbereitung, Durchführung und Abbau der Veranstaltung „15. Bundesparteitag“ der Antragstellerin (…) zu verschaffen, ohne hierfür die Abgabe der im Ratsbeschluss der Stadt Essen (…) benannten schriftlichen, strafbewehrten Selbstverpflichtung zu verlangen.
Normen und Leitsatz
PartG – § 5
GO NRW – § 8 Abs. 2
An den Wahrscheinlichkeitsgrad für die Gefahr der Begehung strafbarer Handlungen durch Äußerungsdelikte auf einer politischen Veranstaltung einer politischen Partei, deren Verfassungswidrigkeit das Bundesverfassungsgericht nicht festgestellt hat (Art. 21 Abs. 4 GG), sind im Rahmen der Gefahrenprognose strenge Anforderungen zu stellen. Denn eine darauf gestützte Versagung des Zugangs zu einer öffentlichen Einrichtung erfordert eine hohe Wahrscheinlichkeit von Rechtsverletzungen.
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Beschl. v. 14.06.2024 – 15 L 888/24
Aus den Gründen
1.1. Die xxx xxx, einschließlich der Grugahalle, ist eine kommunale öffentliche Einrichtung im Sinne des § 8 Abs. 1 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Juli 1994, zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 5. März 2024 (GV. NRW. S. 136) – GO NRW. Dies stellt weder die Antragsgegnerin in Abrede noch folgt anderes aus dem Gesetz.
Nach § 8 Abs. 1 GO NRW schaffen die Gemeinden innerhalb der Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit die für die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Betreuung ihrer Einwohner erforderlichen öffentlichen Einrichtungen. In diesen Fällen wandelt sich der Benutzungsanspruch in einen Verschaffungs- bzw. Einwirkungsanspruch.
Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe stellt die von der Beigeladenen betriebene xxx xxx eine öffentliche Einrichtung der Antragsgegnerin dar. (…). Die Möglichkeiten der Antragsgegnerin, auf die Beigeladene tatsächlich einzuwirken, sind überdies im Verwaltungsvorgang über den gegebenen Zusammenhang dokumentiert und gerade Anlass des vorliegenden Streitverfahrens.
Gleichbehandlungsanspruch
1.2. Ihren Anspruch auf Zugang zu dieser öffentlichen Einrichtung kann die Antragstellerin als Bundesverband einer Partei (§§ 2 und 3 Satz 1 des Parteiengesetzes – PartG) mit Sitz in Berlin zwar nicht auf § 8 Abs. 2 bis 4 GO NRW stützen, weil sie weder Einwohnerin der Antragsgegnerin ist noch in deren Gemeindegebiet ihren Sitz hat.
Ihr Anspruch folgt jedoch aus dem Gleichbehandlungsanspruch aus § 5 Abs. 1 Satz 1 PartG i. V. m. Art. 3 Abs. 1 und 3 Satz 1 sowie Art. 21 GG.
Stellt eine Kommune diese im Rahmen der jeweiligen Widmung für die Durchführung von Veranstaltungen politischer Parteien zur Verfügung, entsteht dadurch auch jenseits der einfachgesetzlichen Bestimmungen des § 8 Abs. 2 und 4 GO NRW ein Gleichbehandlungsanspruch aus § 5 Abs. 1 Satz 1 PartG i. V. m. Art. 3 Abs. 1 und 3 Satz 1 sowie Art. 21 GG.
Verletzung der Chancengleichheit
Das Recht auf Chancengleichheit einer Partei ist danach verletzt, wenn ein Träger öffentlicher Gewalt die Nutzung einer öffentlichen Einrichtung einer Partei verweigert, obwohl er sie anderen Parteien einräumt oder eingeräumt hat.
Die Entscheidungsfreiheit der Kommune, in welchem Umfang sie Zugang zu ihrer Einrichtung gewährt, ist ausgehend davon begrenzt. Die jeweilige Vergabepraxis und -entscheidung muss durch sachliche Gründe gerechtfertigt sein.
Dies zugrunde gelegt, steht der Antragstellerin der geltend gemachte Zulassungsanspruch dem Grunde nach zu. Die geplante Veranstaltung der Antragstellerin „15. Bundesparteitag“ ist von dem (konkludenten) Widmungszweck der Grugahalle als Teil der xxx xxx umfasst (dazu unter 1.2.1.) und es besteht auch sonst kein sachlicher Grund für eine Versagung der begehrten Nutzung (dazu unter 1.2.2.).
(…)
Den vollständigen Beitrag lesen Sie im Neuen Polizeiarchiv 11/2024, Lz. 874.