Das Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt hatte im Rechtsstreit zwischen einer Ausländerbehörde und dem Verwaltungsgericht Halle (Saale) um die Aufhebung der Ausweisung eines gebürtigen Palästinensers wegen Unterstützens einer terroristischen Vereinigung zu entscheiden.
Mit Bescheid vom 05.02.2021 wies die Ausländerbehörde einen 31-jährigen gebürtigen Palästinenser, aus der Bundesrepublik Deutschland aus, weil er einer terroristischen Vereinigung im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG angehöre. Seinem hiergegen gestellten Eilantrag hatte das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (OVG) in zweiter Instanz mit der Begründung stattgegeben, die von der Ausländerbehörde angeführten Tatsachen reichten nicht für die Annahme aus, dass der Ausländer einer terroristischen Vereinigung im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG angehöre oder diese Vereinigung unterstütze.
Das Verwaltungsgericht Halle (Saale) – VG – hatte unter Bezugnahme auf diesen Beschluss des OVG die angefochtene Ausweisung mit Urteil vom 30.08.2023 aufgehoben. Am 13.10.2023 hatte die Ausländerbehörde die Zulassung der Berufung gegen die Entscheidung des VG beantragt und diesen Antrag beim OVG fristgemäß begründet.
Tatsachenprüfung und Beweiserhebung
Die Ausländerbehörde machte u. a. geltend, das VG habe sich bei seiner Entscheidung ohne Weiteres der Einschätzung des OVG in dem genannten Beschluss angeschlossen, anstatt sich erneut mit den Tatsachen auseinanderzusetzen und neue Beweise zu sichten und zu ermitteln. Dies gelte insbesondere für die von ihr vorgelegten Lichtbilder, mit denen der Ausländer bei Facebook seine Nähe zu der terroristischen Vereinigung bekundet habe. Deren Berücksichtigung hätte zu einer anderen Entscheidung führen müssen, weil dadurch die Gewichtung der Unterstützungshandlungen eine andere Bewertung habe erhalten können.
Dieses Vorbringen rechtfertigte die Zulassung der Berufung nicht. Das VG hat sich bei seiner Entscheidung mit dem ihm zur Verfügung gestellten Tatsachenmaterial auseinandergesetzt. Dazu zählen auch verschiedene dokumentierte Facebook-Äußerungen des Ausländers. Der Umstand, dass das VG die Facebook-Titelseiten aus dem Jahre 2017, die seitens der Ausländerbehörde als Anlagen 1 bis 3 vorgelegt wurden, in seinem Urteil nicht ebenfalls ausdrücklich aufgezählt und gesondert gewürdigt hat, belegt nicht die Unrichtigkeit seiner Entscheidung.
Würdigung der Tatsachen
Das Gericht ist bei der Würdigung der Tatsachen nicht verpflichtet, im Urteil jeden tatsächlichen Umstand einzeln aufzuführen und auszuwerten. Die Sympathiebekundungen, die aus den vorgelegten Lichtbildern hervorgehen, unterscheiden sich ihrer Art und ihrem Inhalt nach nicht wesentlich von denen, die in der Begründung des angegriffenen Urteils explizit genannt und geprüft werden. Auch die Ausländerbehörde hat insoweit lediglich vorgetragen, dass durch diese Bilder die Gewichtung „eine andere Bewertung hätte erhalten können“.
Für unrichtig hielt die Ausländerbehörde die erstinstanzliche Entscheidung auch deshalb, weil das VG seine Einschätzung, es lägen keine hinreichenden Beweise für eine Mitgliedschaft des Ausländers vor, ohne zureichende Ermittlung des Sachverhalts getroffen habe. Die Verfassungsschutzbehörde des Landes Sachsen-Anhalt habe mit ihrem Behördenzeugnis vom 09.11.2023 signalisiert, dass Beweise vorlägen, welche die Mitgliedschaft belegen könnten.
Es sei nicht auszuschließen, dass das VG anders entschieden hätte, wenn es diese Mitgliedschaft bejaht hätte. Mit diesem Vorbringen hat nach den Feststellungen des OVG die Ausländerbehörde ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung ebenfalls nicht dargelegt. Hinreichend dargelegt sind solche Zweifel nur, wenn der Zulassungsantragsteller aufzeigt, dass und weshalb die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis unrichtig ist.
Gesamtbetrachtung
Die Ausländerbehörde hätte hierfür vortragen müssen, dass und weshalb der Ausländer ihrer Meinung nach Mitglied der terroristischen Vereinigung ist und dass und weshalb aufgrund dieser Mitgliedschaft die Voraussetzungen des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vorliegen. Die Geltendmachung eines Ermittlungsdefizits in Gestalt einer unterbliebenen Beweiserhebung, aus der sich eine Mitgliedschaft und das Vorliegen dieser Voraussetzungen möglicherweise ergeben hätte, reicht hierfür jedenfalls nicht aus.
Die Ausländerbehörde hat darüber hinaus geltend gemacht, dass der Ausländer das Merkmal des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG entgegen der Auffassung der Vorinstanz erfüllt. Zu dem Ergebnis, dass die Unterstützungshandlungen aufgrund ihrer Geringfügigkeit unbeachtlich seien, sei das VG nur deshalb gelangt, weil es die verschiedenen Äußerungen und Aktivitäten jeweils für sich betrachtet und nicht im Wege der hier gebotenen Gesamtbetrachtung ausgewertet habe.
Damit konnte die Ausländerbehörde ebenfalls nicht durchdringen. Die von ihr für notwendig gehaltene Gesamtbetrachtung hat das VG vorgenommen. Sie besteht in dem von dem VG gezogenen Schluss, dass die von ihm untersuchten Äußerungen und Aktivitäten im Ergebnis nicht über die gelegentliche Veröffentlichung von Beiträgen mit positivem Bezug hinausgehen und für eine nach außen erkennbare Sympathie nur Indizwirkung entfalten. Nach alledem konnte der Antrag auf Zulassung der Berufung keinen Erfolg haben.
Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 18.07.2024 – 2 L 23/123.Z
Entnommen aus der Fundstelle Hessen 01/2025, Rn. 4.