Als jemand, der in der Sicherheitsbranche tätig ist, ist man stets umgeben von potentiellen und tatsächlichen Straftaten. Einerseits soll man ja gerade diese verhindern (etwa als Mitarbeiter einer Security-Einheit zur Bewachung im Einlassbereich von gastgewerblichen Diskotheken). Andererseits begeht man zur Abwehr Handlungen (etwa das Niederschlagen eines Angreifers), welche, je nach Kontext, selbst Straftatbestände erfüllen, wie der Jurist sagt, also bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen selbst strafbar wären. Wann also liegt eine Straftat vor?
Relevant ist das Thema Straf-und Strafverfahrensrecht auch in der schriftlichen sowie mündlichen Prüfung für die Sachkundeprüfung im Bewachungsgewerbe gem. § 34a GewO. Der vorliegende Beitrag ist natürlich zu knapp für die Prüfungsvorbereitung. Er dient aber als Einstieg mit dem Ziel, nicht juristisch ausgebildeten Menschen aufzuzeigen, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit ein bestimmtes Verhalten tatsächlich auch zu einer Strafe führt und stellt dar, wie der Richter im Strafprozess seine Prüfung vornimmt. Dementsprechend ist der Text, ebenso wie diese Prüfung, in vier Teile untergliedert: den objektiven Tatbestand (Liegt ein grundsätzlich verbotenes Verhalten vor?), den subjektiven Tatbestand (Wollte der Täter die Tat begehen?), die Rechtswidrigkeit (War die Tat im speziellen Kontext tatsächlich verboten?) und die Schuld (Ist die verbotene Tat dem Täter vorzuwerfen?).
Objektiver Tatbestand
In unserem Rechtssystem darf – so will es das Grundgesetz – nur bestraft werden, was explizit unter Strafe steht. Es muss also in einem Gesetz stehen, dass ein bestimmtes Verhalten verboten war, als es getätigt wurde. Somit ist die erste Aufgabe des Strafjuristen, zu untersuchen, ob sich ein bestimmter ihm zugetragener Sachverhalt in einer Verbotsvorschrift beschrieben findet. Die meisten davon finden sich im Strafgesetzbuch, wie etwa Diebstahl, Körperverletzung, Totschlag, Trunkenheit im Verkehr, etc. Aber auch viele andere Gesetze enthalten Strafvorschriften, wie etwa das Tierschutzgesetz bezüglich Tierquälerei.
Subjektiver Tatbestand
Als nächstes geht es darum herauszufinden, was sich der Beschuldigte bei Begehung der Tat gedacht hat. Die Strafrechtler unterscheiden dabei erst einmal zwischen vorsätzlichem (absichtlichem) und fahrlässigem (unabsichtlichem) Verhalten. Letzteres führt nur in Ausnahmefällen zur Bestrafung, die wiederum explizit im Gesetz stehen müssen und weit geringer bestraft werden als absichtlich begangene Taten. Zu nennen wäre hier etwa die fahrlässige Körperverletzung, die oft im Zusammenhang mit Verkehrsunfällen vorliegt. Dann lautet der Vorwurf an den Täter nicht „das hast du doch mit Absicht gemacht“, denn meistens ist ja genau das Gegenteil der Fall, sondern er lautet „du hast nicht aufgepasst, du warst schlampig“ bzw., wie der Jurist sagt, „du hast die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen“.
Viele Taten kann man jedoch gar nicht fahrlässig begehen, man kann etwa nicht „aus Versehen“ etwas stehlen. Und natürlich ist die vorsätzliche Körperverletzung schlimmer und wird härter bestraft als die fahrlässige. Vorsatz ist per Definition das „Wissen und Wollen“ um die Verwirklichung der Tat. Dem Täter muss also bewusst gewesen sein, dass sein Verhalten eine bestimmte Konsequenz haben würde und er muss dies auch gewollt oder zumindest billigend in Kauf genommen haben.
Der eindeutigste Fall des Vorsatzes ist der, den der Volksmund als „pure Absicht“ bezeichnen würde, und der beim Juristen „dolus directus 1. Grades“ heißt: das Handeln genau mit dem Ziel der Tatbegehung, also etwa der Schlag, gerade um zu verletzen und Schmerzen zuzufügen. Vorsatz ist es aber auch, wenn eine Tat begangen wird, um ein anderes Ziel zu erreichen und sogar, wenn ein Täter weiß, dass eine bestimmte Folge seines Handelns eintreten kann, es ihm aber egal ist. Letzteres kann etwa der Fall sein, wenn jemand einen Juwelier überfallen will, zu diesem Zweck die Stahltüre sprengt und billigend in Kauf nimmt, dass dadurch Menschen verletzt werden. Geschieht dies dann tatsächlich auch, so liegt eine vorsätzliche gefährliche Körperverletzung vor.
Rechtswidrigkeit
Wenn der Tatbestand festgestellt worden ist, objektiv wie subjektiv, wird danach gefragt, ob die konkrete Tat in dem Moment tatsächlich verboten war. Denn eines fällt doch auf, wenn man das bisher Gesagte Revue passieren lässt: viele Handlungen erfüllen nach diesem Maßstab Straftatbestände, und zwar mit voller Absicht, ohne dass jemand auf die Idee kommen würde, die Polizei zu rufen.
Beispiel gefällig? Ein Arzt etwa, der operiert, begeht eindeutig eine Körperverletzung, so vorsätzlich wie es nur geht. Sogar eine gefährliche, denn das Skalpell ist ein gefährliches Werkzeug, also so etwas wie eine Waffe. Nimmt er eine Vasektomie vor, ist es darüber hinaus eine schwere Körperverletzung, da danach die Fortpflanzungsfähigkeit des Patienten nicht mehr gegeben ist. Tatbestand also ja. Aber verboten? Natürlich nicht, und zwar weil die konkrete Tat nicht rechtswidrig war. Dies liegt daran, dass der Patient in die Operation eingewilligt hat.
Der wohl wichtigste Rechtfertigungsgrund neben der Einwilligung ist einer, der gerade für Sicherheitskräfte besonders relevant ist: die Notwehr. Die genauen Voraussetzungen dieses Instituts sind komplex und gerade wegen der ungeheuren Bedeutung für die Sicherheitsbranche soll es in Kürze hier einen eigenen Beitrag erhalten. Nur so viel sei gesagt: Man darf sich selbst schützen gegen rechtswidrige Angriffe. Das gewählte Mittel muss geeignet sein, den Angriff abzuwehren und es muss notwendig sein. Letzteres ist nicht der Fall, wenn es ein milderes Mittel gegeben hätte, das ebenfalls zur Abwehr gereicht hätte. Je nach Sachlage kann jedoch sogar das Niederschlagen oder sogar das Erschießen eines Angreifers von Notwehr gedeckt sein. Ist dies der Fall, ist Rechtswidrigkeit zu verneinen und der in Verteidigungsabsicht handelnde bleibt straffrei.
Schuld
Zuletzt wird, wenn Rechtswidrigkeit zu bejahen ist, gefragt, ob denn die rechtswidrige Tat dem Täter auch vorzuwerfen ist. Dies ist abzulehnen bei Schuldunfähigkeit oder wenn ein Entschuldigungsgrund gegeben ist. Schuldunfähig sind vor allem Kinder, Menschen mit starken geistigen Behinderungen und Betrunkene ab einem gewissen Alkoholgehalt (je nach Delikt entweder 2,1 oder 2,3 Promille). Entschuldigungsgründe sind etwa der Notwehrexzess (wenn sich jemand aus Furcht oder Schrecken zu intensiv wehrt) oder der Erlaubnistatbestandsirrtum (wenn jemand fälschlicherweise glaubt, angegriffen zu werden und sich deshalb wehrt – auch dies wird im Beitrag zur Notwehr noch ausführlicher besprochen werden).
Fazit
Das Grundprinzip der strafrechtlichen Prüfung ist simpel und in sich schlüssig. Betrachtet man die Einzelfälle, die die Gerichte Tag für Tag entscheiden, so stellt man schnell fest: „es gibt nichts, was es nicht gibt“ – der Teufel steckt also im Detail. Dazu kommt, dass nicht in jedem Verfahren alle Umstände und alle inneren Beweggründe bekannt sind, so dass dann nicht die strafrechtliche Prüfung schwierig ist, sondern die Ermittlung des Sachverhalts. Schließlich steht am Ende der Prüfung mit der Strafzumessung noch eine weitere Gesetzesanwendung, welche für den Angeklagten die größte Relevanz hat. Deshalb ist auch hierzu ein eigener Beitrag geplant.