Rechtliches

Wann kann ein Arbeitnehmer eine belastende Arbeit verweigern?

© Marco2811 - Fotolia.com

§ 275 Abs. 3 BGB regelt das Spannungsverhältnis von Vertragstreue und Unzumutbarkeit der Arbeitsleistung. Der Arbeitnehmer kann sich von der Arbeitsleistung (nur) befreien, wenn sie für ihn in hohem Maße belastend ist. Liegt kein Grund vor, der den Arbeitnehmer berechtigt, seine Arbeitsleistung zurückzuhalten und damit zu verweigern, kann der Arbeitnehmer in die Lage geraten, dass das Arbeitsverhältnis gekündigt wird.

Wann ist eine Arbeitsleistung unzumutbar?

Eine Arbeitsverweigerung ist nur dann rechtmäßig, wenn für den Arbeitnehmer die Leistungserbringung in hohem Maße belastend ist und ein Fall besonderer Leistungserschwerung vorliegt. Dem Arbeitnehmer kann die Erfüllung der von ihm persönlich zu erbringenden Arbeitsleistung unzumutbar sein, wenn er dadurch Gefahr läuft, in bedeutsamen Rechtsgütern verletzt zu werden. Derartige bedeutende Rechtsgüter sind zum Beispiel Leib und Leben oder Freiheit.

In einem entschiedenen Fall hatte sich der Arbeitnehmer darauf berufen, dass der Arbeitgeber Psychoterror ausübe, und behauptet, der Arbeitgeber versuche, ihn zu zermürben und zu demütigen, was bei ihm zu einer seelischen Erkrankung geführt habe. Der Arbeitnehmer kündigte dem Arbeitgeber schriftlich an, gegebenenfalls von seinem Recht auf Arbeitsverweigerung Gebrauch machen zu wollen, wenn der Arbeitgeber ihn nicht vertragsgemäß beschäftige und sein „Aschenputtel-Dasein“ beende.

Der Arbeitgeber betraute den Arbeitnehmer in der Folgezeit mit mehreren Projekten und bot ihm weitere an, die der Arbeitnehmer aber ablehnte. Insgesamt sah der Arbeitnehmer die Bemühungen des Arbeitgebers als nicht ausreichend an. Er teilte der Personalleitung des Arbeitgebers schriftlich mit, dass das „unternehmensbedingte, groß angelegte Mobbing“ bei ihm zu totaler Frustration geführt habe, seine Arbeitsmoral brachliege, die innere Kündigung perfekt sei, der Arbeitgeber habe ihn krank gemacht, für eine neue Aufgabe und Funktion habe er keine Kraft mehr. Er sei körperlich erschöpft sowie seelisch und geistig ausgebrannt. Er schlug vor, ihn bezahlt bis zum Renteneintritt freizustellen. In einer weiteren Mail teilte er noch mit, es sei ihm unzumutbar, weiterhin Arbeitsleistungen zu erbringen.

Der Arbeitgeber wies die Vorwürfe zurück und ließ den Arbeitnehmer wissen, dass er es als schwerwiegende Verletzung der arbeitsrechtlichen Pflichten betrachte und gegebenenfalls arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zu einer Kündigung ziehen werde, falls der Arbeitnehmer der Arbeit fernbliebe. Er lud ihn gleichzeitig zu einem Personalgespräch ein. Der Arbeitnehmer erschien wie angekündigt weder zum Personalgespräch noch zur Arbeit. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin außerordentlich fristlos.

Normale Arbeitskonflikte berechtigen nicht zur Arbeitsverweigerung

Trotz des Vortrags des Arbeitnehmers, er sei gemobbt worden, meinten die Richter, dass es dem Arbeitnehmer nicht unzumutbar gewesen sei, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Die Richter waren der Ansicht, dass nicht jedes den Arbeitnehmer belastende Verhalten des Arbeitgebers einen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers oder eine Verletzung vertraglicher Pflichten zur Rücksichtnahme darstellt. Persönlichkeitsrechte werden nicht allein dadurch verletzt, dass im Arbeitsleben übliche Konflikte auftreten, die sich durchaus über einen längeren Zeitraum erstrecken können.

Sozial- und rechtsadäquates Verhalten muss ohne Rücksicht auf das subjektive Empfinden des betroffenen Arbeitnehmers von der rechtlichen Bewertung ausgenommen werden. Es werden keine Rechte des Arbeitnehmers beeinträchtigt, wenn er von verschiedenen Vorgesetzten, die nicht zusammenwirken und die zeitlich aufeinanderfolgen, in seiner Arbeitsleistung kritisiert oder schlecht beurteilt wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Arbeitsleistung nicht nur beanstandet oder ignoriert, sondern auch positiv gewürdigt wird. Auch solche Verhaltensweisen von Arbeitgebern oder Vorgesetzten müssen unberücksichtigt bleiben, wenn sie lediglich eine Reaktion auf Provokationen durch den vermeintlich gemobbten Arbeitnehmer darstellen.

Nach Auffassung der Richter konnte der Arbeitnehmer auch nicht darlegen, dass der Arbeitgeber in der jüngeren Vergangenheit zu seiner bereits vorhandenen Erkrankung beigetragen hatte. Die vom Arbeitnehmer geschilderten Verhaltensweisen ließen weder einzeln für sich noch in ihrer Gesamtschau den Schluss auf eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts zu. Zwischen den Parteien bestanden lediglich Konflikte, wie sie im Arbeitsleben üblich sind. Sie ergaben sich aus unterschiedlichen Auffassungen über die Qualität der Arbeitsleistung und Arbeitsergebnisse des Arbeitnehmers.

Strenge Maßstäbe

Der Mitarbeiter hatte nach Auffassung der Richter seine geschuldete Arbeitsleistung bewusst und nachhaltig verweigert. Dass er sich hinsichtlich des geltend gemachten sog. Zurückbehaltungsrechts geirrt hatte, spielte für die Richter keine Rolle. Denn: Wenn ein Arbeitnehmer meinte, ihm stehe ein Leistungsverweigerungs- oder Zurückbehaltungsrecht zu, habe er grundsätzlich selbst das Risiko zu tragen, dass sich seine Rechtsauffassung als falsch erweise. Ein unverschuldeter Rechtsirrtum liegt nur dann vor, wenn der Arbeitnehmer seinen Irrtum auch unter Anwendung der zu beachtenden Sorgfalt nicht erkennen konnte. Dabei sind strenge Maßstäbe anzulegen.

Es reicht nicht aus, dass der Arbeitnehmer sich für seine eigene Rechtsauffassung auf eine eigene Prüfung und fachkundige Beratung stützen kann. Ein Unterliegen in einem möglichen Rechtsstreit muss zwar nicht undenkbar sein. Gleichwohl liegt ein entschuldbarer Rechtsirrtum nur dann vor, wenn der Arbeitnehmer nach sorgfältiger Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht mit einem Unterliegen zu rechnen brauchte. Ein normales Prozessrisiko entlastet den Arbeitnehmer nicht.

Ist der Arbeitnehmer rechtsirrig der Ansicht, er dürfe die Leistung verweigern oder seine Arbeitsleistung zurückhalten, und erscheint er deswegen nicht zur Arbeit, kann darin eine beharrliche Arbeitsverweigerung liegen. Diese beharrliche Arbeitsverweigerung ist an sich geeignet ist, eine außerordentliche fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Ein Arbeitnehmer verweigert die von ihm geschuldete Arbeit beharrlich, wenn er sie bewusst und nachhaltig nicht leisten will. Maßgebend ist hierbei allein die objektive Rechtslage, nicht das subjektive Empfinden des Arbeitnehmers.

Fazit:

Belastende Arbeit darf nur dann von einem Arbeitnehmer verweigert werden, wenn er mit der Erfüllung der Arbeit Gefahr läuft, in bedeutsamen Rechtsgütern verletzt zu werden. Drohende Persönlichkeitsverletzungen sind grundsätzlich auch Rechtsgutverletzungen, sie müssen aber objektiv vorliegen oder drohen. Konflikte zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, wie sie im Arbeitsleben üblich sind – auch über die Qualität der erbrachten Arbeitsleistung – sind in der Regel aber keine Persönlichkeitsverletzung, selbst dann, wenn der Arbeitnehmer sie als solche empfindet.

 

Quelle: RdW FOCUS 5/2018, RA Ralph Jürgen Bährle, Bährle & Partner, Nothweiler