Rechtliches

Illegales Autorennen in Berlin – Neuer Mordprozess beginnt

© kara - stock.adobe.com

Im Februar 2017 hatte erstmals ein deutsches Gericht ein Mordurteil in einem Raser-Fall gefällt. Das aufsehenerregende Urteil hatte jedoch nicht lange Bestand. Der Bundesgerichtshof (BGH) kippte das Urteil gut ein Jahr später im März 2018. Maßgeblich seien jeweils die Umstände des Einzelfalls, hieß es im Urteil des BGH. Damit hatten die BGH-Richter nicht, wie von vielen erwartet, eine “rote Linie“ gegen Raser vorgegeben. In dem Berliner Fall sah der BGH den bedingten Tötungsvorsatz als nicht ausreichend belegt an. Angeordnet wurden eine neue Beweisaufnahme und rechtliche Bewertung.

Bedingter Vorsatz?

Anders als das Landgericht (LG) Berlin nahmen die BGH-Richter keinen bedingten Vorsatz an. Der BGH urteilte, der Vorsatz sei vom LG Berlin zu einem Zeitpunkt unterstellt worden, zu dem die Angeklagten keine Möglichkeit mehr hatten, den Unfall zu verhindern. Dies sei in der Kurve vor der Kreuzung, wo einer der beiden in den Geländewagen des 69-Jährigen raste, der Fall gewesen. Der Jeep wurde mehr als 70 Meter weit geschleudert. Kann in einer neuen Verhandlung der Tötungsvorsatz nicht nachgewiesen werden, kommt eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung in Betracht. Die beiden Männer, die weiterhin in Untersuchungshaft sitzen, müssen sich seit dem 14. August 2018 erneut vor dem LG Berlin, allerdings vor einer anderen Schwurkammer, verantworten. Zunächst wurden 19 Termine festgelegt.

Die Straftat

In dem Verfahren geht es um den folgenden Fall: In der Nacht zum 1. Februar 2016 entschlossen sich zwei junge Männer zu einem Autorennen in der Berliner Innenstadt. Dabei fuhren sie mit einer Geschwindigkeit von bis zu 160 km/h und überfuhren mehrere rote Ampeln, als einer der Fahrer an einer Kreuzung mit dem Wagen eines 69-jährigen Mannes kollidierte. Dieser fuhr bei Grün gerade in die Kreuzung ein. Das Unfallopfer verstarb unmittelbar am Unfallort.

Erstmals Tötungsvorsatz bejaht

Bisher konnte in vergleichbaren Fällen ein Tötungsvorsatz nicht nachgewiesen werden. Das LG Berlin könnte somit einen Richtungswechsel in Bezug auf immer wieder vorkommende Unfälle durch Raser eingeläutet haben, auch wenn der BGH den bedingten Tötungsvorsatz als nicht ausreichend belegt ansieht und eine neue Beweisaufnahme und rechtliche Bewertung anordnete.

Voraussetzung für die Bejahung des bedingten Tötungsvorsatzes ist, dass der Täter den Tod des Unfallopfers für möglich hält und zumindest billigend in Kauf nimmt. Beide Fahrer fuhren mit Vollgas durch die Innenstadt, um das Rennen zu gewinnen. Aufgrund der örtlichen Begebenheiten und der Geschwindigkeit nahm das Gericht an, dass die beiden Fahrer die Gefahr eines Unfalls kannten und zum Zwecke des Gewinnens auch in Kauf nahmen. Insbesondere die übermäßig hohe Geschwindigkeit und das Überfahren mehrerer roter Ampeln deuten auf die Hinnahme eines solchen Risikos hin (LG Berlin, Urteil vom 27.02.2017 , Az. 535 Ks 8/16). Was die neue Verhandlung ergibt, bleibt abzuwarten.

Mord?

Der bedingte Vorsatz allein reicht nicht aus, um wegen Mordes zu verurteilen. Vielmehr müssten die Fahrer auch ein Mordmerkmal erfüllt haben. Ohne ein solches Merkmal käme lediglich eine Verurteilung wegen Totschlags in Betracht. Im Berliner Autoraser-Fall sah das Gericht das Auto als ein gemeingefährliches Mittel an, mit dem die Tat ausgeführt wurde und verurteilte beide Fahrer somit zu mittäterschaftlichem Mord.

Verteidiger sehen keinen Tötungsvorsatz

Die Verteidiger der beiden Fahrer forderten im Verfahren vor dem LG für den Verursacher des Unfalls eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung und für den anderen Fahrer eine Verurteilung wegen Gefährdung des Straßenverkehrs. Als Begründung führten sie an, dass sich der Vorsatz an einem Rennen teilzunehmen von dem Vorsatz, jemanden zu töten, erheblich unterscheide. Insbesondere, da die Fahrer davon ausgingen, alles unter Kontrolle zu haben. Daher hatte die Verteidiger sogleich nach dem Urteil angekündigt, Revision einzulegen. Ihr vorrangiges Ziel war und ist es, eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung statt wegen Mordes zu erreichen, um die lebenslange Haftstrafe abzuwenden.

Ausblick

Die Chancen hierauf dürften nicht schlecht stehen. Denn eine Verurteilung wegen Mordes bedarf der Überwindung mehrerer Hürden. Neben der Erfüllung eines Mordmerkmals und dem Tötungsvorsatz ist letztlich auch der Vorsatz bezüglich des Mordmerkmals notwendig. Der BGH folgte der Argumentation des LG Berlin, nach der alle Kriterien erfüllt waren, nicht. Fraglich bleibt insbesondere, ob die Fahrer das Risiko eines Verkehrsunfalls kannten und sich mit der Tötung eines anderen Menschen auch tatsächlich abfanden. Nur dann kann der bedingte Vorsatz angenommen werden.

Wohingegen die Fahrer lediglich fahrlässig handelten, wenn sie das Risiko des Todes hätten kennen können, dies aber in der konkreten Situation gerade nicht taten oder wenn sie es zwar für möglich hielten, aber auf das Ausbleiben vertrauten und gerade nicht wollten. Indizien hierfür liefert das Gutachten der Verkehrspsychologin im Prozess. Danach litt einer der Fahrer massiv an Selbstüberschätzung, die ihm das Gefühl gab, alles unter Kontrolle zu haben. Diese Selbstüberschätzung sei üblich in der Raserszene und verhindert teilweise das Erkennen von Gefahren. Daher fehle im Hinblick auf den Mord das Bewusstsein für die eigene Schuld.

Urteil des LG Berlin wurde in der Öffentlichkeit positiv aufgenommen

Insbesondere die Polizeigewerkschaften hatten das Urteil des LG freilich begrüßt. Für sie stellt das Urteil ein richtungsweisendes Signal dar. Das Urteil stellt in jedem Falle auch ein Zeichen an alle dar, die glauben, aus Eigensucht das Leben anderer Menschen gefährden zu dürfen. Wie das LG Berlin nach dem Richterspruch des BGH abschließend entscheiden wird, bleibt abzuwarten.

§ 315d StGB

Seit Oktober 2017 können Teilnehmer an illegalen Autorennen inzwischen härter bestraft werden. Im Strafgesetzbuch (StGB) gibt es seitdem den § 315d StGB. Wird durch ein „verbotenes Kraftfahrzeugrennen“ der Tod eines anderen Menschen verursacht, können bis zu zehn Jahre Haft verhängt werden. Rückwirkend kann die neue Regelung auf den Berliner Raser-Fall jedoch nicht angewandt werden.