Rechtliches

Üble Nachrede per WhatsApp – außerordentliche Kündigung?

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Verbreitet eine Arbeitnehmerin eine unzutreffende Behauptung, die geeignet ist, den Ruf eines Kollegen erheblich zu beeinträchtigen (hier: die unzutreffende Behauptung, der Kollege sei wegen Vergewaltigung verurteilt worden) per WhatsApp an eine andere Kollegin, kann dies einen Grund darstellen, der den Arbeitgeber zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt (LAG Baden-Württemberg).

Eine Mitarbeiterin war zum 15.02.2018 als kaufmännische Angestellte eingestellt worden. Im Arbeitsvertrag war eine Probezeit von sechs Monaten vorgesehen, innerhalb derer das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von zwei Wochen gekündigt werden durfte. Am 17.02.2018 hielt sich die Mitarbeiterin in ihrer Freizeit in einem Café auf. In einem Gespräch mit Bekannten wurde erwähnt, dass ein anderer Mitarbeiter des Unternehmens, der Vater des Geschäftsführers des Unternehmens ist, angeblich ein verurteilter Vergewaltiger sei, was tatsächlich nicht der Fall war. Noch am selben Tag informierte die Mitarbeiterin per WhatsApp eine Kollegin über das Gerücht. In der Konversation schrieb die Mitarbeiterin, sie wisse nicht, ob das Gerücht stimme, aber der andere Mitarbeiter solle ein verurteilter Vergewaltiger sein, deswegen wolle »ganz L.« mit ihm nichts zu tun haben. Im weiteren Verlauf der Konversation schrieb die Mitarbeiterin auch, dass sie – wörtlich – »ganz EHRLICH« für so jemanden nicht arbeiten wolle und die Kollegin das auch nicht tun solle. U.a. erklärte die Mitarbeiterin, die Leute, die sie über das Gerücht in Kenntnis gesetzt hätten, hätten noch nie »Mist erzählt«.

Die Chat-Kollegin nahm Kontakt mit dem Geschäftsführer des Unternehmens auf und bat um einen Gesprächstermin. In diesem Termin informierte die Kollegin den Geschäftsführer und auch den anderen Mitarbeiter, den Vater des Geschäftsführers, über die E-Mail-Konversation. Daraufhin kündigte der Geschäftsführer des Unternehmens das Arbeitsverhältnis am 19.02.2018 außerordentlich und hilfsweise ordentlich zum 06.03.2018.

Die Mitarbeiterin klagte gegen die außerordentliche Kündigung mit dem Argument, sie haben aufgrund des Gerüchts Anlass zur Sorge gehabt und auf die Vertraulichkeit der Kommunikation mit der Kollegin per WhatsApp vertraut. Das Unternehmen stellte sich auf den Standpunkt, die fristlose Kündigung sei gerechtfertigt, weil sich die Mitarbeiterin wahrheitswidrige Behauptungen zu eigen gemacht und zudem versucht habe, die Kollegen dazu zu bewegen, die Arbeitsstelle beim Unternehmen aufzugeben. Sie habe zudem den anderen Mitarbeiter in Misskredit gebracht und das Ansehen des Unternehmens geschädigt sowie den Betriebsfrieden nachhaltig gestört. Während das Arbeitsgericht der Klage stattgab, folgte das Landesarbeitsgericht1 dem beklagten Unternehmen und wies die Klage ab.

Üble Nachrede?

Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts kann ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung insbesondere dann vorliegen, wenn der Arbeitnehmer zulasten eines Vorgesetzten den Tatbestand der üblen Nachrede (§ 186 StGB) erfüllt. Die Begehung von (Ehr-)Delikten zulasten des Arbeitgebers oder zulasten vom Vorgesetzten sei grundsätzlich geeignet, einen die fristlose Kündigung »an sich« rechtfertigenden Grund darzustellen. Dabei komme es nicht auf die strafrechtliche Wirkung an, sondern darauf, ob dem Arbeitgeber deswegen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses noch zuzumuten sei. Mit der Begehung einer Straftat verletzte der Arbeitnehmer zugleich in schwerwiegender Weise seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 BGB).

Im Interesse eines wirksamen Ehrenschutzes bedrohe das Gesetz bei übler Nachrede die ehrenrührige Tatsachenbehauptung nicht erst mit Strafe, wenn sie unwahr, sondern schon dann, wenn sie

»nicht erweislich wahr« sei. Die objektiv unzutreffende Behauptung, der Mitarbeiter sei ein verurteilter Vergewaltiger, stelle eine ehrenrührige Behauptung dar, die zudem geeignet sei, den Betroffenen in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. Hier sei es auch nicht darum gegangen, sich Klarheit über das Gerücht zu schaffen. Für das Verbreiten einer ehrenrührigen Behauptung sei nicht erforderlich, dass sich der Täter die Tatsachenbehauptung fremden Wissens selbst zu eigen mache. Es reiche aus, wenn er die fremde Behauptung nur an eine einzige Person weitergäbe, was bei einem 2er-Chat der Fall sei.

Die Mitarbeiterin könne sich auch nicht auf ihr Recht zur freien Meinungsäußerung berufen. Zwar dürften Arbeitnehmer- auch unternehmensöffentlich – Kritik an dem Arbeitgeber, ihren Vorgesetzten und den betrieblichen Verhältnissen üben und sich dabei auch überspitzt äußern. Allerdings müsse der auch strafrechtlich gewährleistete Ehrenschutz beachtet werden.

Entschädigung

Es handelte sich bei der unwahren Tatsache um eine äußerst gravierende Beschuldigung, die mit einer erheblichen Rufschädigung des Betroffenen nicht nur im Kreis der Mitarbeiter des Betriebes einhergehe. Auch in der Außenwirkung des Arbeitgebers könne das objektiv falsche Gerücht Kundenbeziehungen belasten. Schließlich könne die Position des Geschäftsführers durch die unzutreffende diffamierende Behauptung bezüglich dessen Vaters untergraben werden. Aus die15 sem Grunde fiele die Interessenabwägung zulasten der Mitarbeiterin aus. Eine Abmahnung sei nicht erforderlich, wenn – wie hier – offensichtlich ohne Weiteres erkennbar sei, dass die Hinnahme des Verhaltens für den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen sei.

Praxistipp:

Das Landesarbeitsgericht setzt mit dieser Entscheidung ein klares Statement zu den Folgen der Verbreitung von unwahren Tatsachenbehauptungen. Im Fall einer üblen Nachrede ergeben sich somit Handlungsoptionen, die auch bei anderen schwerwiegenden Sachverhalten nicht durch das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Wahrnehmung berechtigter Interessen eingeschränkt sein dürften und die auch nicht nur für WhatsApp-Kommunikationen gelten.

1 Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 14.03.2019 – 17 Sa 52/18, besprochen in RdW 1/2020, Rn. 14.