Das Landgericht Arnsberg hatte Anfang letzten Jahres einer Autohalterin Recht gegeben, die die Zahlungsaufforderung eines privaten Parkplatz-Betreibers nicht begleichen wollte. Sie sei nicht die Fahrerin gewesen, sondern nur die Halterin (wir berichteten). Jetzt entschied der BGH, dass der Fahrzeughalter den Falschparker verpetzen muss, zumindest wenn er weiß wer es war.
Die Revision zum BGH hatte das Landgericht damals zugelassen, weil es immer mehr Abstellflächen gibt, die von privaten Unternehmen betrieben werden und es zu diesem Thema unterschiedliche Amtsgerichts-Entscheidungen gibt.
Parkraumbewirtschaftungs-Unternehmen klagte
Im entschiedenen Fall hatte das Parkraumbewirtschaftungs-Unternehmen eines Krankenhauses gegen eine Fahrzeughalterin geklagt. Mit ihrem Auto ist im Laufe mehrerer Jahre die zulässige Höchstparkdauer dreimal überschritten worden. Auf privaten Parkplätzen gelten, anders als auf öffentlichen, die Vertragsbedingungen der Betreiber oder der Eigentümer. Zumeist – wie in diesem Fall – weisen Schilder darauf hin. Bei Überschreiten der Parkdauer sollten mindestens 30 Euro Vertragsstrafe anfallen. In diesem Fall liefen Kosten von mehr als 200 Euro auf, die aber nicht bezahlt wurden. Daraufhin ermittelte der Parkplatzbetreiber durch Halteranfragen die Fahrzeughalterin. Diese bestritt, an den betreffenden Tagen Fahrerin des Pkws gewesen zu sein, und verweigerte eine Zahlung. Das Unternehmen glaubte ihr nicht – zumindest ist es der Auffassung, sie hätte vortragen müssen, wer denn an ihrer Stelle gefahren sei.
LG Arnsberg wies die Klage ab
Wie schon zuvor das Amtsgericht hatte auch das LG die Klage auf Zahlung der Vertragsstrafe sowie der Kosten der Halteranfragen und von Inkassokosten in einer Gesamthöhe von 214,50 € abgewiesen. Vertragspartner des Parkplatzbetreibers könne nur der Pkw-Fahrer sein. Schließlich könne nur derjenige einen Vertrag eingehen, der die Bedingungen gelesen habe. Das sei der Fahrer, nicht der Halter.
Die Parkplatz-Firma hätte daher beweisen müssen, dass tatsächlich ein Mietvertrag mit der Halterin zustande gekommen sei. Weil die Frau das aber bestritten habe, könne die Firma keine Ansprüche geltend machen.
Im Zivilrecht ist es grundsätzlich so, dass derjenige etwas beweisen möchte, der etwas von einem anderen verlangt. Zwar gibt es im Zivilprozessrecht auch die Möglichkeit eines Anscheinsbeweises, auf die sich die Parkplatzbetreiber hier berufen. Dabei handelt es sich um eine Änderung der normalen Beweislast bei besonders typischen Geschehensabläufen, bei denen fast immer dieselbe Ursache einer bestimmten Folge vorausgeht – z.B. ein zu nahes Auffahren des Hintermannes beim Auffahrunfall auf gerader Strecke. Wenn feststeht, dass eine solche typische Ausgangssituation vorlag, braucht nicht bewiesen zu werden, dass es auch im konkreten Einzelfall zu diesem Ablauf gekommen ist, wenn es keine konkreten Anhaltspunkte für einen anderen Verlauf gibt. Das LG entschied aber, dass dafür, dass der Halter auch der Fahrer sei, gerade kein Anscheinsbeweis spreche.
Die Fahrerin treffe auch keine Auskunftspflicht zur Angabe, wer Fahrer des Pkws gewesen sei. Denn der Parkplatzbetreiber könne sich die notwendigen Erkenntnisse durch selbst verschaffen. Das Personal könnte die Identität des Fahrers spätestens bei der Rückkehr zum Wagen feststellen. Auch technische Einrichtungen wie eine Videoüberwachung zumutbar. Schließlich sei eine Schranke als Möglichkeit, Parkgebühren zu kassieren, eine Option.
Doch bereits in der mündlichen Verhandlung am 27.11.2019 äußerte der Vorsitzende BGH-Richter erhebliche Bedenken an der Urteilsbegründung der Vorinstanz.
BGH entscheidet zugunsten des Parkplatzbetreibers
Der BGH urteilte jetzt, dass eine Haftung der Halterin für die Vertragsstrafe zwar nicht allein aus ihrer Haltereigenschaft abzuleiten sei, doch habe sie im Verfahren ihre Fahrereigenschaft nicht wirksam bestritten. Ein Anscheinsbeweis dafür, dass der Halter eines Kfz auch dessen Fahrer war, bestehe zwar – wie vom Landgericht zuvor richtig angenommen – nicht, den Halter treffe aber dennoch die Verpflichtung, im Rahmen seiner sog. sekundären Darlegungslast mitzuteilen, wer als Fahrer des Pkws im fraglichen Zeitpunkt in Betracht kam. Den Halter treffe eine solche sekundäre Darlegungslast, da es sich bei einem privaten Parkplatz um ein anonymes Massengeschäft handele, der Parkplatzbetreiber das Parken nicht von der Person des Fahrers abhängig mache und nur der Halter alle wesentlichen Tatsachen kenne.
Dies jedenfalls treffe immer dann zu, wenn der Parkplatz unentgeltlich zur Verfügung gestellt werde, denn nach Auffassung der Karlsruher Richter bestehe dann regelmäßig kein Miet- sondern vielmehr ein Leihvertrag. Und wer seinen Privatparkplatz unentgeltlich zur Verfügung stelle, dem sei nicht zuzumuten, mit Parkplatzwächtern oder Videoüberwachung zu arbeiten. Zumal Parkplatzbetreiber – selbst wenn sie den Fahrer bei dessen Rückkehr zum Fahrzeug anhalten würden – die Personalien ebenso wenig ohne weiteres feststellen könnten, wie auf der Grundlage etwa von Videoaufnahmen.
Mit anderen Worten: Der Halter muss den Fahrer verpetzen – zumindest wenn ihm die Auskunft möglich und zumutbar ist. Künftig muss nun der Halter eines PKW den Fahrer der den Parkverstoß begangen hat preisgeben, wenn er weiß, wer diesen begangen hat. Ansonsten haftet er selbst für den Parkverstoß. Weiß er indes nicht, wer für den Parkverstoß verantwortlich ist, so muss er „lediglich“ die Personen mitteilen, die für den Verstoß in Frage kommen. Dies sind z.B. alle Personen, die den Fahrzeugschlüssel nehmen können. Ist der Fahrzeuginhaber seiner sekundären Darlegungslast nachgekommen, so haftet er nicht für den Parkverstoß und der Parkplatzbetreiber muss beweisen, wer den Verstoß begangen hat.