Eine Entschädigung wegen nicht rechtmäßiger Videoüberwachung am Arbeitsplatz kommt in Betracht, wenn sie zu einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung geführt hat. Ob diese vorliegt, kann nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Hierbei sind die Tragweite des Eingriffs, der Anlass und die Beweggründe des Arbeitgebers ausschlaggebend (LAG Mecklenburg-Vorpommern).
Eine Pächterin betrieb eine Tankstelle. Mitarbeiter A war als Verkäufer beschäftigt. Die Tankstelle war an allen Tagen der Woche durchgehend geöffnet. Im Verkaufsraum werden ausgestellte Waren zum Verkauf angeboten. An den Verkaufsraum schloss sich der nicht-öffentliche Bereich der Tankstelle an. Dort befand sich ein Lager, ein Zwischenlager für eingenommenes Bargeld, das Dienstzimmer der Tankstellenleitung, eine Beschäftigtentoilette und ein Personalraum. Alle Räume mündeten in einen einzigen Flur. Der Außenbereich um die Zapfsäulen und der Verkaufsraum wurden mit mehreren Kameras per Video überwacht. Die Kunden wurden auf die Überwachung hingewiesen. Zwei Kameras befanden sich versteckt in der Decke unmittelbar über der Kassentheke im Verkaufsraum. Im nicht-öffentlichen Bereich im Flur bzw. Lager befanden sich zwei sog. Flurkameras. Die Aufnahmen der Kameras wurden in das Büro der Tankstellenleitung übertragen, in dem sich mehrere Bildschirme befanden. Es blieb streitig, ob die Bilder der diversen Kameras zeitweilig oder dauerhaft gespeichert worden waren.
Die Tankstellenleitung nahm ihre Führungsaufgabe gegenüber den Beschäftigten auch über eine WhatsApp-Gruppe wahr. Über diese Gruppe verschickte die Leitung das Foto einer Telefonkarte eines bestimmten Anbieters mit der Frage, wer von zwei infrage kommenden Personen die Karte dort abgelegt habe. Über diese Gruppe wurde sodann der Mitarbeiter A durch die Tankstellenleitung direkt gefragt, was er dort gemacht habe. Das Arbeitsverhältnis endete durch seine Kündigung im Juli 2017 zum Ende August 2017.
A sah sich durch die Kameraüberwachung im nichtöffentlichen Teil der Tankstelle und die versteckten Kameras im Kassenbereich, in seinem Persönlichkeitsrecht schwer verletzt. Er forderte deshalb eine Entschädigung in Höhe von 2 000 Euro. Das Arbeitsgericht verurteilte die Pächterin zur Zahlung von 1 500 Euro. Es sah den A durch die beiden Flurkameras einem ständigen Überwachungsdruck ausgesetzt. Die versteckten Kameras im Deckenbereich im Verkaufsraum seien hingegen nicht zu beanstanden, weil der Verkaufsraum und der Kassenbereich ohnehin umfassend und rechtmäßig durch Videokameras überwacht würde. Auf die Berufung des A erhöhte das Landesarbeitsgericht1 die Entschädigung um 500 Euro und verurteilte die Pächterin also zur Zahlung von 2 000 Euro. Es ließ die Argumentation der Pächterin nicht gelten, durch die innerhalb des Gebäudes montierten Kameras müsse man sich vor weiteren Überfällen auf die Tankstelle schützen
Verbotene Videoüberwachung
Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts sei durch die Installation und Nutzung der beiden Flurkameras das grundrechtlich geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht des A verletzt. Voraussetzung für eine Entschädigungszahlung sei, dass eine so schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliege, dass die Festlegung einer Geldentschädigung erforderlich sei. Im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung sei insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, der Anlass und die Beweggründe des Handelnden sowie der Grad des Verschuldens zu berücksichtigen.
Die Anbringung und Nutzung der beiden funktionstüchtigen Kameras im Flur bzw. Lager verstoße in erheblicher Weise gegen die Schutznormen des Bundesdatenschutzgesetzes. Es sei der Pächterin ausschließlich um die Verarbeitung personenbezogener Daten ihrer Arbeitnehmer gegangen. Denn es sei nicht erklärbar, dass die Flurkameras zum Zwecke der Abwehr oder der erleichterten Aufklärung von Überfällen auf die Tankstelle angebracht und genutzt werden könnten. Auch könne von den Kameras jedenfalls keine präventive Wirkung zur Abschreckung potentieller Täter ausgehen. Mangels anderer sinnvoller Erklärungsansätze – so das Gericht – bliebe deshalb nur der Schluss übrig, dass die Flurkameras installiert worden seien, um die Beschäftigten zu kontrollieren. Die Pächterin habe nicht erläutert, weshalb es nicht möglich gewesen sei, die beiden Außentüren durch unmittelbar auf diese Zugänge gerichtete Kameras überwachen zu lassen. In Bezug auf diese beiden Kameras sei der Entschädigungsbetrag von 1 500 Euro angemessen.
Für die Nutzung der beiden versteckt in der Decke angebrachten Kameras müsse eine weitere Entschädigung in Höhe von 500 Euro gezahlt werden. Die Fotografie der Telefonkarte lasse nur den Schluss zu, dass mit diesen Kameras nicht Kunden, sondern die Mitarbeiter überwacht werden sollten. Denn insoweit würden andere Kameras den Verkaufsraum bereits ausreichend überwachen. Für die grobe Verletzung der datenschutzrechtlichen Vorgaben spreche im Übrigen, dass es sich um eine Dauerüberwachung am Arbeitsplatz gehandelt habe.
Praxistipp:
Die Entscheidung zeigt, wie wichtig es ist, ausreichende Gründe für eine Videoüberwachung der Belegschaft zu haben. Eine Dauerüberwachung ohne rechtfertigenden Grund ist nicht zulässig. Auf der anderen Seite führt nicht jede rechtswidrige Videoüberwachung zwingend zu einer Entschädigungszahlung. Die Abgrenzung, wann angemessenes bzw. unangemessenes Handeln vorliegt, ist vom jeweiligen Einzelfall abhängig und muss sorgsam vorgenommen werden.
1 Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 24. 05. 2019 – 2 Sa 214/18, besprochen in RdW 10/2020, Rn. 181.