Am 17.06.2020 hat die Bundesregierung zusammen mit den Ministerpräsidenten der Bundesländer einen Beschluss zur Bewältigung der Coronavirus-Pandemie getroffen. Dieser Beschluss beinhaltet 14 Punkte. Jedoch dominierten hauptsächlich zwei Punkte im Nachhinein die mediale Berichterstattung. Diese Punkte waren die Absenkung der Mehrwertsteuer und die Schaffung eines Kinderbonus für Familien. Doch auch an den Bevölkerungsschutz wurde im Beschluss gedacht: Von der Bundesregierung und den Ministerpräsidenten wurde der Aufbau einer Nationalen Reserve Gesundheitsschutz, kurz NRGS, beschlossen.
Notwendigkeit einer Nationalen Reserve Gesundheitsschutz
Wenn die Coronavirus-Pandemie eines gezeigt hat, dann die fehlenden Notbevorratungen an Schutzausrüstung. Es fehlte nicht nur an Schutzkitteln, Schutzkleidung und Desinfektionsmittel, sondern auch an Atemschutzmasken. Diese werden in Deutschland, in Ermangelung von vorhandenen Produktionskapazitäten, überwiegend aus Fernost bezogen. Doch wie brüchig Lieferketten sein können, hat die Coronavirus-Pandemie eindrücklich gezeigt. Teilweise wurde bereits bezahlte Ware nicht geliefert, weil ein anderer Staat diese zu einem höheren Preis gekauft hatte. Nahezu jeder Staat dieser Erde benötigte dringend Schutzausrüstung im Kampf gegen das Coronavirus. Die Folge waren Engpässe in der persönlichen Schutzausrüstung, vor allem im medizinischen Bereich. Damit sich eine solche Situation nicht wiederholen kann, will Deutschland Vorsorge betreiben. Zumal die Coronavirus-Pandemie noch lange nicht ausgestanden ist. An wirksamen Medikamenten oder einem Impfstoff fehlt es noch.
Eckpunkte: Bedarf von sechs Monaten
Die Eckpunkte der Nationalen Reserve Gesundheitsschutz sieht eine Deckung des Bedarfs über sechs Monate vor. Aufgrund der Problematiken bei der Einlagerung soll es Abstriche geben. Das bedeutet konkret, dass der Bedarf für einen Monat bei den medizinischen Einrichtungen und den Organisationen im Katastrophenschutz in den Bundesländern eingelagert werden soll. Der restliche Bedarf soll über die Vorhaltung von Produktionskapazitäten in Deutschland sichergestellt werden. Eine vollständige Einlagerung des Bedarfs über sechs Monate wäre im Hinblick auf die Kosten zu hoch. Zudem ist die Möglichkeit der maximalen Einlagerung von zum Beispiel Atemmasken teilweise hinsichtlich ihrer Haltbarkeit begrenzt. Wie das im Detail umgesetzt wird, wird aktuell von verschiedenen Ministerien, unter anderen dem Bundesinnenministerium und dem Verteidigungsministerium, in einem gemeinsamen Konzept ausgearbeitet.
Auch Europäische Union plant Notfallreserve
Nicht nur Deutschland will mit einer Reserve, einem Notvorrat reagieren, sondern auch die Europäische Union. So möchte die Europäische Union über „rescEU“ eine Notfallreserve anlegen und Kapazitäten aufbauen. Diese Notfallreserve der EU soll nicht nur Desinfektionsmittel, Atemschutzmasken und Schutzkleidung beinhalten, sondern auch medizinische Ausrüstung wie Beatmungsgeräte. Die Umsetzung im Detail, zum Beispiel über eigene Lagerstätten oder in den Mitgliedsländern, ist aktuell noch offen. Auch hinsichtlich der Finanzierung gibt es noch offene Fragen.
Die Pläne der Europäischen Union stoßen nicht überall auf Zustimmung, so auch in Deutschland. Der Bundesrat (Drucksache 306/1/20) hat sich klar dagegen ausgesprochen, da in den Bundesländern die Befürchtung vorherrscht, es würde ein EU-Katastrophenschutz durch die Hintertür geschaffen werden. Dieser würde dann die eigenen Kompetenzen in Sachen Katastrophenschutz beschneiden. In Deutschland obliegt der Katastrophenschutz der Zuständigkeit der Bundesländer. Zudem wird befürchtet, dass EU-Mitgliedsländer ihre nationalen Anstrengungen in Sachen Katastrophenschutz vernachlässigen, gäbe es einen „EU-Katastrophenschutz“. Bereits 2017 wollte die Europäische Union “rescEU” eigene Katastrophenschutzeinheiten aufbauen, die dann bei Gefahrensituationen wirksam in den Mitgliedsländern Hilfe leisten könnten. Beispielhaft seien Waldbrandbekämpfung aus der Luft, aber auch die Bewältigung chemischer, biologischer, radiologischer und nuklearer Vorfälle und der medizinischen Notfallbewältigung genannt. Durchsetzen konnte sich das Ansinnen in dieser Form nicht. 2018 erklärte der Bundesrat, dass „eigene Katastrophenschutzeinheiten“ der Europäischen Union „nicht akzeptabel“ wären. Der erneute Versuch der Europäischen Union nach „mehr EU-Katastrophenschutz“ ist das Resultat der Coronavirus-Pandemie. Laut der Kommission mussten zahlreiche Hilfsanfragen aus den Mitgliedsländern in Ermangelung von Fähigkeiten abgelehnt werden. Unter diesem Aspekt ist das Ansinnen der Europäischen Union nachvollziehbar.
Anmerkungen des Autors
Die Haltung des Bundesrates und der Bundesländer ist keinesfalls verständlich und auch nicht akzeptabel. In Deutschland mag die Notwendigkeit eines EU-Katastrophenschutzes über “rescEU” hinaus, aufgrund des Systems und der starken ehrenamtlichen Struktur, nicht bestehen. Doch schaut man sich die einzelnen EU-Mitgliedsländer und deren Aufbau der Gefahrenabwehr in Bezug auf den Katastrophenschutz an, wird man hier große Unterschiede ausmachen können. Oftmals findet man teils deutlich schwächere Strukturen als in Deutschland. Von der Politik wird die Wichtigkeit der Europäischen Union gerne hervorgehoben. Die Rede ist von Werten und Solidarität. Doch Worte reichen in einer Notlage nicht aus. Es müssen Strukturen zur Bewältigung der Krise vorhanden sein, die wirksam sind. Dass Geld alleine nicht ausreicht, hat die Coronavirus-Pandemie mehr als deutlich gezeigt. Das „Kirchturm-Denken“ der Bundesländer muss in Deutschland daher aufhören und Europa auch aktiver gelebt werden. Ein EU-Katastrophenschutz ist keine Bedrohung der eigenen Souveränität, sondern ein ergänzendes und nützliches Hilfsmittel für Notlagen. Da ist deutsche Arroganz fehl am Platz.
Wissenswert: Bevorratung in Deutschland
Abseits der Coronavirus-Pandemie und dem Aufbau einer Nationalen Reserve Gesundheitsschutz, existieren schon verschiedene Bevorratungen. Zum Beispiel eine Bevorratung von 14 Millionen Tonnen Rohöl als Strategische Ölreserve oder auch 9.5 Millionen Tonnen Kraftstoff. Bisher musste auf diese Bevorratung schon dreimal zugegriffen werden. Für die Bevorratung entstehen jährlich Kosten von rund 250 Millionen Euro. Bevorratet in Depots werden von der Bundesregierung aber auch Lebensmittel. Dazu zählen rund 790.000 Tonnen Getreide, 126.000 Tonnen Reis und 4.700 Tonnen Kondensmilch. Für diese Bevorratung entstehen jährlich 16 Millionen Euro Kosten. Zudem gibt es noch eine Streusalzreserve Winter, diese beinhaltet rund 100.000 Tonnen Streusalz. Diese Bevorratung kostet jährlich 500.000 Euro.
Literatur Quellen
Bundesregierung: Presse- und Informationsamt: https://www.bundesregierung.de/resource/blob/975216/1761544/62599d82665457ff0428504eade9a5c0/2020-06-17-bewaeltigung-corona-data.pdf?download=1