Da die obergerichtliche Rechtsprechung zur Definition der »Schrittgeschwindigkeit« uneinheitlich ist, ist zugunsten des Betroffenen – zumindest bis zu einer endgültigen Klärung durch den Gesetzgeber oder den Bundesgerichtshof – davon auszugehen, dass die Schrittgeschwindigkeit 10 km/h beträgt (OLG Hamm).
Ein Autofahrer bog innerörtlich aus einer Tempo-30-Zone kommend in die N-Straße ein; bei dieser handelte es sich um eine verkehrsberuhigte Zone. Dort wurde er mit einer Geschwindigkeit von 41 km/h gemessen, woraus sich unter Berücksichtigung des Toleranzabzugs von 3 km/h eine relevante Geschwindigkeit von 38 km/h ergab. Bei Festsetzung der Rechtsfolge war das Amtsgericht davon ausgegangen, dass der Autofahrer verpflichtet gewesen sei, seine Geschwindigkeit auf max. 7 km/h zu reduzieren, sodass ihm eine fahrlässige innerörtliche Geschwindigkeitsüberschreitung von 31 km/h anzulasten sei.
Es verurteilte den Autofahrer zu einer Geldbuße in Höhe von 160 € sowie gleichzeitig zu einem Fahrverbot von einem Monat.
Dies wollte der betroffene Autofahrer nicht akzeptieren. Insbesondere war er der Auffassung, dass die maximale Geschwindigkeit von 7 km/h in einer verkehrsberuhigten Zone zu niedrig sei, sodass ihm auch nur eine geringere Geschwindigkeitsüberschreitung zur Last gelegt werden könne; dies habe zudem den Wegfall des ausgesprochenen Fahrverbots zur Folge.
Das Oberlandesgericht Hamm1 teilte weitgehend seine Einschätzung.
Begriff der »Schrittgeschwindigkeit«
Gemäß § 42 Abs. 2 StVO darf in einer verkehrsberuhigten Zone nur »Schrittgeschwindigkeit« gefahren werden. Welche Geschwindigkeit dies genau umfasst, ist nicht geregelt.
Das Gericht verwies zunächst darauf, dass eine eindeutige Bestimmbarkeit schwerlich möglich sei. Der Begriff der »Schrittgeschwindigkeit« bestimme sich zunächst als eine Form des Gehens, was voraussetzt, dass stets zumindest ein Fuß Bodenkontakt hat. Hierbei könne man sich jedoch nicht an Spitzensportlern im Gehen orientieren, die nachweislich bis zu 15 km/h schnell im Gehen sein können. Andererseits lägen Untersuchungen zu Fußgängergeschwindigkeiten vor, etwa für das Überqueren einer ampelgesicherten Straße, wo 4,5 km/h bis 5,5 km/h ermittelt worden seien.
Auch bei den Obergerichten haben sich verschiedene Auffassungen durchgesetzt. Viele Gerichte gehen von einer maximalen Schrittgeschwindigkeit von 7 km/h aus, andere jedoch von einem Wert von max. 10 km/h. Eine ausdrückliche Klärung dieser Frage durch den Bundesgerichtshof liegt nicht vor.
Nach Überzeugung des Gerichts kommt ein höherer Wert als 10 km/h kaum ernsthaft in Betracht, wolle man noch von Schrittgeschwindigkeit sprechen. Daher sei zugunsten des Beschuldigten davon auszugehen, dass ein Verstoß gegen das Gebot der Schrittgeschwindigkeit allenfalls erst bei Überschreitung des Wertes von 10 km/h angenommen werden könne. Es wäre mit dem strafrechtlichen und ordnungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot unvereinbar, die jeweils maßgebliche Definition der Schrittgeschwindigkeit einem Beurteilungsspielraum der Gerichte im Einzelfall zu überlassen.
Somit sei bis zu einer endgültigen Klarstellung durch den Gesetzgeber oder dem Bundesgerichtshof davon auszugehen, dass die Schrittgeschwindigkeit zugunsten des Beschuldigten mit 10 km/h angenommen werden könne.
Anmerkung:
Im vorliegenden Fall führte dies zugunsten des Autofahrers dazu, dass ihm statt der vom Amtsgericht angenommenen Geschwindigkeitsüberschreitung von 31 km/h (41 km/h gemessen – 3 km/h Toleranz –7 km/h Schrittgeschwindigkeit) hier ein Wert von nur 28 km/h unterstellt werden konnte (41 km/h gemessen – 3 km/h Toleranz – 10 km/h Schrittgeschwindigkeit).
Mit dieser Geschwindigkeitsüberschreitung von 28 km/h ist eine Geldbuße von nur noch 100 € anzusetzen; das Fahrverbot entfällt – da Tempoüberschreitung unter 30 km/h – ganz.
1Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 28. 11. 2019 – 1 RBs 220/19, besprochen in RdW 16/2020, Rn. 306.