Rechtliches

Arbeitszeugnis – keine Beurteilung in Tabellenform

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In einem Arbeitszeugnis müssen die tatsächlich übertragenen Aufgaben dargestellt werden und nicht solche, die üblicherweise mit einer Tätigkeit verbunden sind. Ein Arbeitszeugnis, das auf einer Bewertung durch einzelne Schulnoten beruht, erfüllt diesen Zweck nach einem Urteil Bundesarbeitsgerichts jedoch nicht.

Ausgangsfall

Ein Mann war in der Zeit vom 01.09.2008 bis zum 30.06.2018 bei einem Unternehmen als Elektriker beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch seine Eigenkündigung. Die Arbeitgeberin erteilte ihm unter dem 30.06.2018 ein Arbeitszeugnis, in dem u. a. unter dem Stichwort »Aufgabenstellung« beschrieben war: »Nach jeweiliger Vorgabe, seinem Ausbildungs- und Fähigkeitsprofil entsprechend, dem Betriebsbereich der Abfüllung zugeordnet zur Reparatur, Wartung, Prüfung, Montage«. Weiter war in verschiedenen Rubriken aufgeführt, welche Fachkenntnisse der Elektriker besaß und lediglich eine Bewertung mit den bekannten Schulnoten (z. B. »befriedigend «) angegeben. Auch weitere Bestandteile des Zeugnisses, wie die Arbeitsqualität und die Verhaltensbeurteilung waren im Wesentlichen lediglich mit Schulnoten bewertet worden.

Der Elektriker vertrat nun die Auffassung, dass die Tätigkeitsbeschreibung aus sich heraus nicht verständlich und dass die tabellarische Darstellung der Leistungs- und Verhaltensbeurteilung nach stichwortartigen, mit Schulnoten versehenen Bewertungskriterien unüblich sei und deshalb einen negativen Eindruck hervorrufen könne. Er erhob deshalb Klage auf Erteilung eines Zeugnisses, in dem der Aufgabenbereich konkret beschrieben war und Leistungen und Verhalten im Fließtext erläutert waren.

Während das Arbeitsgericht der Klage teilweise stattgab und im Tenor einen Fließtext formulierte, hat das Landesarbeitsgericht die Bewertung mit Schulnoten als wirksam angesehen. Die von dem klagenden Elektriker erhobene Revision war erfolgreich.

Zum Urteil

Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts erwarte ein verständiger Zeugnisleser, dass ein Arbeitszeugnis eine Gewichtung der Leistungen und Eigenschaften enthielte. Erst diese Gewichtung verleihe dem Zeugnis die Aussagekraft, die ein Zeugnis bezwecke. Es sei für den Leser von hohem Interesse, welche Einzelmerkmale für das konkrete Arbeitsverhältnis von besonderer Bedeutung gewesen seien und über welche besonderen Eigenschaften, Kenntnisse und Fähigkeiten der Arbeitnehmer verfüge.

Ein Zeugnis, in dem eine Vielzahl einzelner Bewertungskriterien gleichrangig nebeneinander aufgeführt und mit Schulnoten bewertet würden, besitze nicht den erforderlichen Informationswert. Die prägenden Merkmale verlören im Kontext der übrigen Bewertungskriterien ihre Bedeutung. Besondere Eigenschaften, Kenntnisse oder Fähigkeiten, die den Arbeitnehmer für neue Arbeitgeber interessant machen könnten, ließen sich daraus nicht ableiten. Ein solches Zeugnis entfalte deshalb eine nur geringe Aussagekraft. Die formal an ein Schulzeugnis angelehnte tabellarische Darstellungsform erwecke den unzutreffenden Eindruck einer besonders differenzierten Beurteilung. Anders als bei einem Schulzeugnis, bei dem sich die Notenvergabe nach dem Grad des Erreichens der im Curriculum festgelegten Lernzielvorgabe bemesse und die regelmäßig in erheblichem Maße durch schriftliche Lernnachweise gestützt würden, würden weder die Bewertungskriterien einen objektiven Bezugspunkt aufweisen noch beruhten die erteilten Noten in der Regel auf Leistungsnachweisen.

Außerdem fehle es an der gebotenen Individualisierung der Leistungs- und Verhaltensbeurteilung eines Arbeitszeugnisses. Ein auf Schulnoten reduziertes Arbeitszeugnis brächte die besonderen Anforderungen und Verhältnisse des Betriebs und der individuellen Funktion des Arbeitnehmers innerhalb der vom Arbeitgeber gestalteten Organisationsform nicht hinreichend zum Ausdruck. Das vorliegende Zeugnis beschreibe auch die Tätigkeit nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen. Denn in einem Arbeitszeugnis seien die Tätigkeiten vollständig und genau zu beschreiben. Ein Dritter müsse ein klares Bild von der ausgeübten Tätigkeit erhalten. Sei in einem Zeugnis lediglich angegeben, der Arbeitnehmer habe »nach jeweiligen Vorgaben « gearbeitet, bliebe der Grad seiner Gebundenheit an im Voraus getroffene Festlegungen offen.

Für den Zeugnisleser sei nicht zu erkennen, ob der Arbeitnehmer die ihm übertragenen Arbeiten nach konkreten Einzelanweisungen auszuführen oder ob und inwieweit er sich lediglich an allgemeinen Richtlinien zu orientieren gehabt hätte. Es reiche deshalb nicht, wenn der Arbeitgeber lediglich auf Ausbildungs- und Fähigkeitsprofile Bezug nehme. Das sei im vorliegenden Fall mit der Aufzählung »Betriebsbereich der Abfüllung zugeordnet zur Reparatur, Wartung, Prüfung, Montage« etc. der Fall und eben nicht ausreichend.

Praxistipp

Das Bundesarbeitsgericht1 hat damit der Einführung einer Bewertung durch Schulnoten eine klare Absage erteilt. Wichtig ist auch, dass in einem Arbeitszeugnis die tatsächlich übertragenen Aufgaben dargestellt werden müssen und nicht solche, die üblicherweise mit einer Tätigkeit verbunden sind.

 

1 Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 27. April 2021 –9 AZR 262/20

Besprochen in RdW 2021, Heft 19, Rn. 371