Das Bundesarbeitsgericht hatte zu entscheiden, ob das Kündigungsschreiben, das vom Personalleiter einer Arbeitgeberin mit dem Zusatz »Leiter Personal « und – entsprechend einer bei der Arbeitgeberin bestehenden Unterschriftenliste – von einer weiteren Mitarbeiterin unterzeichnet war, Rechtswirksamkeit besitzt.
Ausgangsfall
Ein Mitarbeiter war bei einem Unternehmen in der Fertigung beschäftigt. In einer Nachtschicht im Mai 2019 zeigte der Mitarbeiter gegenüber einem ebenfalls dort eingesetzten Leiharbeitnehmer eine unsittliche sexuelle Verhaltensweise. Der Leiharbeitnehmer beschwerte sich darüber bei seiner Arbeitgeberin und blieb in der folgenden Nachtschicht der Arbeit fern.
Der Mitarbeiter hatte sich zwar in mehreren Personalgesprächen für sein Verhalten entschuldigt, die Arbeitgeberin des Mitarbeiters kündigte jedoch dessen Arbeitsverhältnis im Mai 2019 und vorsorglich im Juli und August desselben Jahres jeweils außerordentlich. Die Kündigungsschreiben waren vom Personalleiter der Arbeitgeberin mit dem Zusatz »Leiter Personal « und – entsprechend einer bei der Arbeitgeberin bestehenden Unterschriftenliste – von einer weiteren Mitarbeiterin unterzeichnet.
Auf alle drei Kündigungen reagierte der Prozessbevollmächtigte des Mitarbeiters u. a. mit der Zurückweisung wegen des Fehlens der Vorlage einer Originalvollmachtsurkunde der unterzeichnenden Personen. Mit einer entsprechenden Klage wehrte der Mitarbeiter sich gegen die Rechtswirksamkeit aller drei Kündigungen. Er meinte, ein wichtiger Grund für die Kündigungen habe nicht vorgelegen, sie seien nicht rechtzeitig innerhalb der zweiwöchigen Ausschlussfrist ausgesprochen worden und man habe den Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört.
Während das Arbeits- und Landesarbeitsgericht der Klage stattgaben, war die Revision der Arbeitgeberin beim Bundesarbeitsgericht1 (BAG) erfolgreich. Das Landesarbeitsgericht muss den Fall nun neu verhandeln.
Rüge normalerweise innerhalb einer Woche
Das BAG monierte, die Vorinstanzen hätten keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Mitarbeiter schon die erste Kündigung aus dem Mai 2019 nach § 174 BGB unverzüglich zurückgewiesen habe. Solle die fehlende Bevollmächtigung gerügt werden, müsse diese Rüge ohne schuldhaftes Zögern erfolgen. Normalerweise sei dafür eine Woche ausreichend. Fehlerhaft habe das Landesarbeitsgericht hier auch keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Arbeitgeberin der Belegschaft mitgeteilt habe, der unterzeichnende Personalleiter sei in die Stellung als Personalleiter berufen worden.
Grundsätzlich müsse ein Arbeitnehmer, der über die Person des Personalleiters hinreichend in Kenntnis gesetzt sei, aus dessen Stellung folgern, dass er im Verhältnis zur Belegschaft eine alleinige Vertretungsmacht zum Ausspruch von Kündigungen besitze. Die Mitunterzeichnung durch eine zweite Person sei nicht als Erklärung der beklagten Arbeitgeberin zu verstehen, die Bevollmächtigung des Personalleiters sei im Außenverhältnis auf eine Gesamtvertretungsmacht beschränkt. Mit einer solchen fehlerhaften Bewertung werde nicht ausreichend zwischen dem Innen- und Außenverhältnis einer Vollmacht differenziert. Eine – selbst durch das Vorhandensein einer Unterschriftenliste belegte – Praxis, Kündigungsschreiben nicht nur vom Personalleiter, sondern zusätzlich von einer weiteren Person unterschreiben zu lassen, könne allein einer entsprechenden Beschränkung der Vollmacht im Innenverhältnis geschuldet sein, etwa zur Wahrung eines Vier-Augen-Prinzips. Das Landesarbeitsgericht müsse deshalb neu feststellen, wann die Zurückweisung der Kündigung durch den Mitarbeiter erfolgte und ob die Arbeitgeberin den Mitarbeiter vorher über die Stellung des »Leiters Personal« in Kenntnis gesetzt habe.
Verhalten für Kündigung geeignet
Ob schon die erste Kündigung aus dem Mai 2019 aus anderen Gründen unwirksam gewesen sei, habe das Landesarbeitsgericht ausdrücklich offengelassen. Insoweit bedürfe es weiterer Prüfungen. An sich sei das festgestellte Verhalten des Mitarbeiters geeignet, einen wichtigen Grund nach § 626 Abs. 1 BGB für den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung zu bilden. Die Belegschaft eines Unternehmens müsse auch mit den in ihrem Betrieb eingesetzten Leiharbeitnehmern respektvoll umgehen, und auch diese seien vor sexuellen Belästigungen zu schützen. Auch insoweit sei die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts rechtsfehlerhaft und müssten weitere Feststellungen auch zu der Frage getroffen werden, wann die kündigungsberechtigte Person von den Vorfällen Kenntnis erlangt habe.
Praxistipp
Hat die Personalleitung eine Kündigung unterschrieben, spielt die Zweitunterschrift nach dem Vier-Augen-Prinzip keine Rolle. Entscheidend ist allein, dass die Belegschaft über die Berufung von Personalleitern in diese Funktion nachweisbar informiert wird. Personalreferenten sind per se keine Personalleiter.
1 Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.05.2021 – 2 AZR 696/20
Besprochen in RdW 2021, Heft 21, Rn. 411