Rechtliches

Benachrichtigungspflichten der Polizei

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Die Gesetzgeber in Bund und Ländern normieren unterschiedliche Auskunfts-, Hinweis-, Belehrungs-, Melde- und Benachrichtigungsverpflichtungen bei polizeilichen Eingriffsmaßnahmen, die ganz überwiegend auf die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG und den Anspruch auf ein faires Verfahren („fair trial“) zurückzuführen sind. Der Beitrag gibt einen zusammenfassenden Überblick.

Die Grundüberlegungen

Präventive und repressive polizeiliche Maßnahmen greifen in der Regel in geschützte Grundrechtspositionen der Bürger ein und bedürfen daher entsprechender gesetzlicher Legitimation. Jeder Person, die durch die öffentliche Gewalt in ihren Rechten verletzt ist, steht der Rechtsweg nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG offen. Hierdurch werden eine gerichtliche Kontrolle der Exekutive sowie ein effektiver Grundrechtsschutz ermöglicht. Dabei erstreckt sich der verfassungsmäßige Vorbehalt des Gesetzes nicht ausschließlich auf materiell-inhaltliche Eingriffsvoraussetzungen, er umfasst auch alle organisatorischen und verfahrensrechtlichen Vorschriften im Zusammenhang mit Grundrechtseingriffen.

Als Bestandteil des Verfahrensrechtes stellen polizeiliche Informationsverpflichtungen dabei einen besonderen Baustein des „Grundrechtsschutzes durch Verfahren“ dar. Abhängig von betroffenen Grundrechten, der Intensität entsprechender Eingriffe sowie der Eingriffstiefe und Streubreite von Eingriffsmaßnahmen differenziert der Gesetzgeber in Auskunfts-, Hinweis-, Belehrungs-, Melde- sowie Benachrichtigungspflichten. Letztere entfalten dabei eine besondere Bedeutung, da sie die Polizeibehörden verpflichten, unter den gesetzlich normierten tatbestandlichen Voraussetzungen aktiv, von Amts wegen (teilweise unter Einhaltung definierter Formen und Fristen) Mitteilungen an von polizeilichen Maßnahmen Betroffene (und ggf. an unbeteiligte Personen, Dritte oder auch Aufsichtsbehörden) zuzustellen.

Ziel polizeilicher Benachrichtigungspflichten ist es, den Adressaten der Benachrichtigung über den Umstand eines Grundrechtseingriffes, die tragenden Gründe für die Durchführung der Maßnahme, den Umfang und die Dauer der Maßnahme sowie die anordnende Stelle und ggf. bestehende Rechtsmittel zu informieren. Die Zwecke bestehender Benachrichtigungsverpflichtungen sind dabei vielschichtig und teilweise historisch gewachsen. So soll der Adressat einer Benachrichtigung bspw.

  • Gewissheit über das Schicksal und den Verbleib einer (in der Regel nahestehenden) Person erhalten (z. B. in Bezug auf das Überbringen von Todesnachrichten, bei vermissten Personen und bei freiheitsentziehenden Maßnahmen),
  • auch erst nach Kenntnisnahme eines erfolgten Grundrechtseingriffes über das Dulden der Maßnahme oder das Beschreiten des Rechtsweges entscheiden können (z. B. beim Einsatz besonderer Mittel der Datenerhebung wie längerfristigen Observationen, dem Einsatz technischer Mittel oder dem Einsatz eines verdeckten Ermittlers),
  • eigenständig Vorkehrungen zum Schutz individueller Interessen treffen können (z. B. bei Verletzungen des Schutzes personenbezogener Daten durch unbefugte oder unbeabsichtigte Offenlegung solcher Informationen oder zum Aufbau einer Verteidigung im Strafverfahren).
Benachrichtigungspflicht indizierende Eingriffe

Polizeiliche Benachrichtigungspflichten können sich insbesondere ergeben aus präventiven oder repressiven

  • Freiheitsentziehungen,
  • Betreten und Durchsuchungen von Wohnungen, soweit der Wohnungsinhaber nicht anwesend ist, Sicherstellung/Beschlagnahme und ggf. Verwertung von Gegenständen, wenn die Sicherstellung bzw. Beschlagnahme der Sachen in Abwesenheit des Betroffenen bzw. des Beschuldigten erfolgt,
  • Eingriffen in die Telekommunikation oder in die Integrität informationstechnischer Systeme,
  • dem Einsatz technischer Mittel und dem Einsatz besonderer Mittel der Datenerhebung innerhalb und außerhalb von Wohnungen,
  • Verletzungen des Schutzes personenbezogener Daten im datenschutzrechtlichen Sinne.
Ausgewählte Benachrichtigungsverpflichtungen

(…)

Verdeckte Datenerhebungsmaßnahmen

Präventive oder repressive verdeckte Datenerhebungsmaßnahmen können sich insbesondere darstellen als

  • längerfristige Observationen,
  • Einsatz technischer Mittel durch Bild- und/oder Tonaufzeichnungen innerhalb und außerhalb von Wohnungen,
  • Einsatz von Vertrauenspersonen (Personen, die nicht der Polizei angehören und deren Zusammenarbeit mit der Polizei Dritten nicht bekannt ist),
  • Einsatz von verdeckten Ermittlern,
  • Eingriffe in die Telekommunikation (z. B. Telekommunikationsüberwachung, Erhebung von Verkehrsdaten oder Bestandsdaten),
  • Technische Ermittlungsmaßnahmen gegen Mobilendgeräte (z. B. Einsatz IMSICatcher oder „Stille SMS“),
  • Online-Durchsuchungen.

Die dargestellten Maßnahmen werden in der Regel ohne Kenntnis der betroffenen Personen durchgeführt, was einerseits die besondere Eingriffsintensität der Maßnahmen, andererseits aber auch (gerade auch bei Kombination mehrerer unterschiedlicher Datenerhebungen) erhebliche Gefährdungen in Bezug auf verfassungsmäßige absolute Eingriffsgrenzen begründet. Hierunter sind insbesondere der unantastbare Kernbereich privater Lebensgestaltung sowie die Problematik des sog. additiven Grundrechtseingriffes zu verstehen.

Die Heimlichkeit der Datenerhebungen und die dargestellten besonderen Gefährdungen begründen das besondere Erfordernis der Transparenz staatlichen Handelns. Nur derjenige, der um die eigene Betroffenheit bei derartigen Maßnahmen weiß, kann erforderlichenfalls (zumindest rückwirkend) den Rechtsweg beschreiten. In der Regel entfalten die dargestellten Maßnahmen eine nicht unbeträchtliche „Streubreite“.

Dies muss Konsequenzen hinsichtlich des Adressatenkreises durchzuführender Benachrichtigungen haben. Demzufolge sind nicht nur die Zielpersonen der Maßnahmen zu benachrichtigen, sondern auch erheblich mitbetroffene Personen (z. B. Personen aus dem unmittelbaren sozialen Umfeld der Zielperson oder solche Personen, deren Handlungen oder Äußerungen in einem beträchtlichen Maß registriert worden sind) sowie (bei einem VEEinsatz) Personen, deren Wohnungen durch einen verdeckten Ermittler betreten worden sind.

Benachrichtigungspflichten als Folge von Datenschutzverstößen

In Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Datenschutzrichtlinie Justiz und Inneres) haben die Bundes- und Landesgesetzgeber für die Polizei Benachrichtigungspflichten betroffener Personen bei Verletzungen des Schutzes personenbezogener Daten formuliert. Gem. § 46 Nr. 10 BDSG handelt es sich dabei um Verletzungen der Sicherheit, die zur unbeabsichtigten oder unrechtmäßigen Vernichtung, zum Verlust, zur Veränderung oder zur unbefugten Offenlegung verarbeiteter personenbezogener Daten geführt hat. Die polizeiliche Benachrichtigungspflicht kommt gem. § 66 Abs. 1 BDSG (unverzüglich) zum Tragen, wenn eine Verletzung personenbezogener Daten voraussichtlich eine erhebliche Gefahr für Rechtsgüter betroffener Personen zur Folge hat. In diesen Sachverhaltskonstellationen sollen betroffene Personen durch die normierte Benachrichtigung in die Lage versetzt werden, selbstständig Schutzvorkehrungen zu treffen, um den durch die Verletzung personenbezogener Daten entstandenen Gefahren begegnen zu können.

Umfang und Grenzen der Benachrichtigung

Die Bundes- und Landesgesetzgeber haben in ihren Datenschutzgesetzen (für Bundeskriminalamt und Bundespolizei in § 56 Abs. 1 BDSG) festgelegt, welche Inhalte eine in Spezialgesetzen vorgesehene oder vorgeschriebene polizeiliche Benachrichtigung (insbesondere bei verdeckten Maßnahmen) zumindest beinhalten muss. Hiernach müssen Angaben enthalten sein zu

  • Zweck der Maßnahmen/Datenverarbeitungen,
  • Hinweise zu Betroffenenrechten (Auskunft, Berichtigung, Löschung, Einschränkung der Verarbeitung),
  • Name und Kontaktdaten des Verantwortlichen sowie des/der Datenschutzbeauftragten,
  • das Recht, die Bundesbeauftragte oder den Bundesbeauftragten anzurufen, nebst deren/dessen Erreichbarkeit,
  • Rechtsgrundlage der Maßnahme,
  • für erhobene Informationen geltende Speicherdauer oder zumindest Kriterien für die Festlegung dieser Dauer,
  • Kategorien von Empfängern der personenbezogenen Daten,
  • erforderlichenfalls weitere Informationen, insbesondere, wenn die personenbezogenen Daten ohne Wissen der betroffenen Person erhoben wurden.

(…)

In der Praxis dürfte dies insbesondere bei der Bekämpfung schwerer Kriminalität bedeutsam sein, wenn durch eine Benachrichtigung bspw. Rückschlüsse auf bis dato nicht allgemein bekannte polizeiliche Einsatztaktiken oder Einsatzmittel möglich wären, oder wenn Rückschlüsse auf die Identität eines verdeckten Ermittlers oder einer Vertrauensperson mit einer konkreten Gefährdung für Leib oder Leben der betreffenden Person einher gehen würden. Letztlich bleibt die Entscheidung für ein Zurückstellen oder ein Unterlassen einer Benachrichtigung immer das Ergebnis einer Abwägung zwischen Sicherheitsinteressen des Staates einerseits und dem Ermöglichen der Rechtewahrnehmung betroffener Personen andererseits.

Die Gesetzgeber in Bund und Ländern haben zwar verfahrensrechtliche und organisatorische Vorkehrungen getroffen (z. B. das Erfordernis des Herbeiführens einer richterlichen Entscheidung bei Zurückstellung oder Unterlassen der Benachrichtigung), um eine justizielle Kontrolle zu gewährleisten, gleichwohl bleibt ein dauerhaftes Absehen von Benachrichtigungen verfassungsmäßig bedenklich.

Entnommen aus dem Deutschen Polizeiblatt, 1/2023, S. 1.