Ein Waffenbesitzer versandte am 27.06.2022 die in seine Waffenbesitzkarte eingetragene halbautomatische Büchse Kaliber 9 mm zerlegt mit dem Transportdienstleister DHL an ein Waffengeschäft. Nachdem diese mit E-Mail vom 06.07.2022 mitteilte, die Waffe ohne zugehörigen Verschluss erhalten zu haben, zeigte der Waffenbesitzer gegenüber dem Landratsamt (LRA) sowie der DHL mit E-Mails desselben Tages den Verlust des Verschlusses der Waffe an. Zudem erstattete er Diebstahlsanzeige gegen Unbekannt.
Ausweislich der DHL-Sendungsverfolgung vom 06.07.2022 wurde die am 27.06.2022 durch den Waffenbesitzer zum Versand aufgegebene Waffe am 04.07.2022 aufgrund einer Beschädigung der Umverpackung im Güterverkehrszentrum (GVZ) neu verpackt und am 06.07.2022 zugestellt. Nach Mitteilung des LRA ist die Mutter des Inhabers des Waffengeschäftes, die die DHL-Sendung übernommen hatte, nicht im Besitz einer waffenrechtlichen Erlaubnis.
Mit Schreiben vom 04.08.2022 hörte das LRA den Waffenbesitzer zum beabsichtigten Widerruf seiner Waffenbesitzkarten, des Kleinen Waffenscheins sowie des Europäischen Feuerwaffenpasses an, woraufhin sich dieser über seinen Bevollmächtigten schriftlich äußerte.
Beigefügt war ein Schreiben der Vorstandschaft eines Schützenvereins, ausweislich dessen der Waffenbesitzer 2. Vorstand, Sportleiter, Referent für Kurzwaffen und eine tragende Stütze des Vereins sei.
Er sei zuverlässig und gewissenhaft. Die Aberkennung seiner Zuverlässigkeit und der damit einhergehende Wegfall der Ehrenämter, wie u. a. Waffen- und Munitionsausgabe etc., würden einen schweren Verlust für den Verein bedeuten.
Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse wegen Unzuverlässigkeit
Mit Bescheid vom 08.12.2022 widerrief das LRA die waffenrechtlichen Erlaubnisse. Es stützte seine Entscheidung auf § 45 Abs. 2 Satz 1 Waffengesetz (WaffG) und die Unzuverlässigkeit des Antragstellers gem. § 4 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) und c) WaffG.
Mit Schriftsatz vom 05.01.2023 hat der Waffenbesitzer gegen den Bescheid Klage zum Verwaltungsgericht Ansbach (VG) erhoben und den streitgegenständlichen Eilantrag nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gestellt.
Zur Begründung hatte er im Wesentlichen vorgetragen, es spreche nichts dafür, dass er Waffen missbräuchlich verwendet habe. Er habe zehn Jahre lang legal und beanstandungsfrei Waffen besessen. Er sei sorgfältig und sachgemäß mit der versendeten Waffe umgegangen.
Der Versand sei in einem im Beförderungsverkehr üblichen Verpackungskarton erfolgt und die Waffe zusätzlich durch geknülltes Zeitungspapier im Karton fixiert gewesen, um ein Verrutschen bzw. Wackeln zu verhindern.
Dies entspreche der gängigen Praxis und sei angemessen und üblich. DHL sei ein gewerbsmäßiger Transporteur i. S. d. § 12 WaffG. Er habe zu keinem Zeitpunkt die Waffe an Nichtberechtigte i. S. d. WaffG überlassen.
Bei der Ankunft des Paketes sei der Inhaber des Waffengeschäftes im Betrieb anwesend gewesen. Zulässigerweise habe er sich aber zusätzlich einer von ihm beaufsichtigten Person, nämlich seiner Mutter, welche das Paket in seiner Anwesenheit angenommen und quittiert habe, bedient.
Der Inhaber des Waffengeschäftes verfüge über eine Waffenhandels- und gewerbliche Waffenherstellungserlaubnis sowie viele weitere Berechtigungen. Eine Abgabe des Paketes in der Nachbarschaft wäre nicht erfolgt, der Geschäftsbetrieb der Firma werde dauerhaft und zuverlässig aufrechterhalten.
Versäumnis liegt bereits in der Auswahl des Transportunternehmens
Die Entgegennahme von Paketen sei gewährleistet. Es habe sich vielmehr das allgemeine Risiko, welches jedem Transport anhafte, realisiert. Auf den Transport habe er aber nur sehr geringe Einflussmöglichkeiten.
Evtl. unvorhersehbare Unregelmäßigkeiten oder Versäumnisse des Transporteurs könnten nicht zu seinen Lasten gehen. Es müsse genügen, dass er einen seriösen Versender ausgesucht habe.
Der entstandene Transportschaden müsse von einem außergewöhnlichen Ereignis, z. B. Gabelstapler, herrühren, was ihm nicht zuzurechnen sei. Noch am selben Tag des Bekanntwerdens des Verlustes eines Waffenteils habe er die Sendungsverfolgung eingeleitet.
Über den Verlust habe er unverzüglich nach Kenntnis Mitteilung erstattet und sich insgesamt i. R. d. Versands an die geltenden Bestimmungen des Waffenrechts gehalten. Nach Aussage des Geschäftsinhabers sei es üblich, Waffen mit DHL ohne ID-Prüfung zu versenden.
In 13 Jahren Waffenhandel sei bei ihm keine Waffe beim Versand verloren gegangen oder falsch abgegeben worden. Im Übrigen bestünden Zweifel an der Eilbedürftigkeit beim Sofortvollzug, nachdem die Anhörung in dieser Sache bereits am 04.08.2022 stattgefunden habe.
Die Ausführungen zum Sofortvollzug seien formelhaft und würden dem konkreten Fall nicht Rechnung tragen. Das private Interesse des Waffenbesitzers an einem vorläufigen Aufschub überwiege das öffentliche Interesse an deren sofortiger Vollziehung.
Dagegen hatte das LRA die Ablehnung des Eilantrags beantragt und bezog sich zur Begründung im Wesentlichen auf den angegriffenen Bescheid vom 08.12.2022. Der Waffenbesitzer sei unzuverlässig im Sinne des Waffenrechts.
Mit dem Versanddienstleister DHL habe er kein Unternehmen ausgesucht, welches auf den Versand von Waffen bzw. Waffenteilen und die damit einhergehende notwendige besondere Sorgfalt spezialisiert sei. Ein Versäumnis habe daher bereits in der Auswahl des Transportunternehmens gelegen.
(…)
Pflicht zu ordnungsgemäßer Beförderung
Des Weiteren ist der Waffenbesitzer seiner Pflicht, Waffen nur berechtigten Personen zu überlassen, bei dem Versand der Waffe nicht nachgekommen. Er hat es unterlassen, den Transportdienstleister nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen anzuweisen, die waffenrechtlich relevanten Gegenstände nur an eine berechtigte Person i. S. d. § 34 Abs. 1 Satz 1 WaffG auszuhändigen, um so insbesondere die Zustellung an einen unberechtigten Ersatzempfänger auszuschließen.
Gem. § 34 Abs. 2 Satz 1 WaffG müssen im Falle der Überlassung von Waffen oder Munition zur gewerbsmäßigen Beförderung zudem die ordnungsgemäße Beförderung sichergestellt und Vorkehrungen gegen ein Abhandenkommen getroffen sein. Auch dieser Verpflichtung ist er ausweislich der Verpackung der Waffe in einem einfachen, offenbar wiederverwerteten Pappkarton und dem bloßen Umschlagen der Waffenteile mit etwas Zeitungs- bzw. Packpapier ohne weitere Verpackung der Waffenteile nicht nachgekommen.
Diese Verstöße rechtfertigen die Annahme, dass er auch künftig mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgeht oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahrt oder Waffen oder Munition Personen überlässt, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind.
Sorglose Fehleinstellung im Umgang mit Waffen
Die anzustellende Prognose hat sich an dem Zweck zu orientieren, die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz ohnehin verbunden sind, nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen.
Dieses Vertrauen kann einer Person nicht (mehr) entgegengebracht werden, wenn sie eine waffenrechtliche Verpflichtung missachtet, die einem vordringlichen und wesentlichen Ziel des Waffengesetzes dient.
Dies ist bei den vorgenannten Verstößen gegen § 34 Abs. 1 und 2 WaffG der Fall, die gewährleisten sollen, dass Waffen nicht an Unberechtigte gelangen, und gilt vorliegend v. a. auch vor dem Hintergrund, dass dem Waffenbesitzer die Verlustgefahren beim Versand durch DHL bereits bekannt sein mussten, da an ihn adressierte Waffenteile 2019 beim Versand durch DHL gänzlich abhandengekommen waren.
Er hat billigend in Kauf genommen, dass es erneut zu einem solchen Verlust kommen kann, und damit gezeigt, dass er die im Waffenrecht erforderliche Sorgfalt nicht besitzt. Eine günstige Prognose war hier auch nicht deshalb veranlasst, weil er sich über Jahre beanstandungsfrei im Schützenverein engagiert habe und seine Unzuverlässigkeitsfeststellung einen erheblichen Verlust für den Verein darstellen würde.
Ihm hätten seine waffenrechtlichen Pflichten in Anbetracht seiner verantwortlichen Position im Schützenverein umso präsenter sein müssen und ihm daran gelegen sein müssen, sich nichts zuschulden kommen zu lassen.
Die wiederholt missachtete Sorgfalt im Zusammenhang mit dem Versand von Waffen zeigt vielmehr eine sorglose Fehleinstellung im Umgang mit Waffen. Es liegt auch kein außergewöhnlich langer Zeitraum zwischen der Anhörung bzw. dem zugrunde liegenden Verstoß und dem Bescheiderlass, der die Prognose zu seinen Gunsten beeinflussen könnte.
Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der Fundstelle Baden-Württemberg 16/2023, Rn. 196.