Vor dem Verwaltungsgericht Augsburg (VG) stritten die Beteiligten über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen einen sicherheitsrechtlichen Bescheid. Im Vorfeld kam es zu einem Beißvorfall, bei dem ein Rottweiler einen anderen Hund gebissen hatte.
Die Einzelheiten des Vorfalls blieben zwischen den Zeugen unklar. Nach weiterer Sachverhaltsaufklärung erließ die Behörde (Antragsgegnerin) unter Anordnung der sofortigen Vollziehung und Androhung von Zwangsgeldern eine sicherheitsrechtliche Verfügung.
Sicherheitsrechtliche Verfügung
Gegen den Antragsteller – der Halter eines Rottweilers – wurde verfügt, dass der Hund außerhalb des befriedeten Besitztums nur ausgeführt werden darf, solange er einen ordnungsgemäß angebrachten Maulkorb trägt. Von diesem Gebot wurden einzelne Ausnahmen zugelassen. Weiter wurde angeordnet, dass der Hund nicht von Personen ausgeführt werden darf, die psychisch oder physisch hierzu nicht in der Lage sind, keine ausreichenden Sachkenntnisse haben oder denen der Hund nicht sofort gehorcht.
Später erließ die Behörde einen Änderungsbescheid, in dem die Formulierung „denen der Hund nicht sofort gehorcht“ abgeändert wurde in „denen der Hund nicht zuverlässig gehorcht“.
Der Antrag hatte teilweise Erfolg. Das VG stellte die aufschiebende Wirkung der Klage insoweit wieder her, als sich die Klage gegen die Anordnung richtet, dass der Hund nicht von Personen ausgeführt werden darf, denen er nicht „zuverlässig gehorcht“.
Bescheid voraussichtlich formell rechtmäßig
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung war formell rechtmäßig, insbesondere wahrte sie das Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Danach muss die Anordnung der sofortigen Vollziehung besonders begründet werden. Die Begründung darf sich somit nicht in inhaltslosen Textbausteinen oder der bloßen Wiederholung der Begründung des Verwaltungsakts erschöpfen.
Im Rahmen der formellen Rechtmäßigkeit der sicherheitsrechtlichen Verfügung war zunächst problematisch, dass die Behörde nicht nachweisen konnte, dass der Hundehalter nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG angehört wurde (vgl. in Baden-Württemberg § 28 Abs. 1 LVwVfG). Es war zwar in der Akte bzw. im Bescheid ein Anhörungsschreiben genannt, der Halter hatte jedoch mitgeteilt, dieses nicht erhalten zu haben. Er erhielt daher nachträglich nochmals Gelegenheit zur Stellungnahme.
Die Behörde hatte sich mit der nachträglichen Äußerung ernsthaft auseinandergesetzt und mitgeteilt, am Bescheid festzuhalten. Die fehlende Anhörung wurde somit nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) – siehe in Baden-Württemberg § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 LVwVfG – geheilt.
Anordnung des Maulkorbzwangs voraussichtlich rechtmäßig
Die Anordnung des Maulkorbzwangs erwies sich voraussichtlich als rechtmäßig. Rechtsgrundlage für die Anordnung ist Art. 18 Abs. 2 Landesstraf- und Verordnungsgesetz Bayern (LStVG); in Baden-Württemberg wäre Rechtsgrundlage nach einer Rechtsauffassung §§ 3, 1 Polizeigesetz (PolG) i. V. m. der Kampfhundeverordnung (PolVOgH) und nach anderer Auffassung nur die Vorschriften der PolVOgH.
Die erforderliche konkrete Gefahr lag vor, aufgrund des bereits stattgefundenen Beißvorfalls war zu besorgen, dass es auch künftig zu ähnlichen Vorfällen kommen könnte. Problematisch war jedoch, ob der Sachverhalt überhaupt zutreffend ermittelt wurde.
Gerade bei Beißvorfällen wird die Situation von den Zeugen/Beteiligten naturgemäß unterschiedlich, wenn nicht sogar gerade gegensätzlich geschildert. Grundsätzlich ist es Sache der Sicherheitsbehörde (in Baden-Württemberg die Ortspolizeibehörde), den Sachverhalt so weit wie möglich aufzuklären.
Ermittlung des Sachverhalts
Die Behörde muss prüfen, ob Anhaltspunkte vorliegen, die gegen die Glaubwürdigkeit einer Anzeige sprechen, also z. B. auf persönlichen Motiven beruhen könnten. Bestehen diese Anhaltspunkte nicht, darf die Behörde grundsätzlich von der Richtigkeit einer Zeugenaussage ausgehen. Dies gilt umso mehr, je detaillierter und plausibler die Schilderung ist, oder wenn mehrere Aussagen verschiedener Zeugen übereinstimmen.
Für die grundsätzliche Glaubwürdigkeit einer solchen Mitteilung spricht nämlich, dass derjenige, der wider besseres Wissen eine derartige Anzeige bei einer Behörde erstatten würde, sich u. U. gemäß § 164 StGB wegen falscher Verdächtigung strafbar machen könnte.
Es bestand auch kein Streit darüber, ob es überhaupt zu einem Beißvorfall gekommen war, vielmehr waren nur die Aussagen über den genauen Hergang verschieden. Auch im Übrigen erwies sich die Anordnung des Maulkorbzwangs voraussichtlich als rechtmäßig, sie war insbesondere verhältnismäßig.
(…)
Verwaltungsgericht Augsburg, Beschl. v. 10.09.2024 – Au 8 S 24.1635
Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der Fundstelle Baden-Württemberg 05/2025, Rn. 73.