In einem Betrieb wurde 2014 ein neuer Betriebsrat gewählt. Im Vorfeld der Betriebsratswahl hatte der Personalleiter auf einem von der Geschäftsleitung veranlassten Treffen gegenüber den außertariflichen Angestellten geäußert, die bisherige Betriebsratsvorsitzende behindere die Arbeit des Unternehmens. Außerdem regte er an, bei der kommenden Betriebsratswahl eine „gescheite Liste“ aufzustellen. Auch der damalige Geschäftsführer hatte die Anwesenden aufgefordert, geeignete Mitarbeiter des Unternehmens für einen neuen Betriebsrat zu suchen. Außerdem hatte der Personalleiter einzelne Beschäftigte angesprochen, ob sie sich zur Wahl stellen und ggf. den Betriebsratsvorsitz übernehmen wollten. Auf einem Führungskräftetreffen war es ebenfalls maßgeblich um die Betriebsratswahl gegangen. Dort sei geäußert worden, dass jeder, der der bisherigen Betriebsratsvorsitzenden seine Stimme gebe, „Verrat“ begehe.
Im Anschluss an die Betriebsratswahl fochten die ehemalige Betriebsratsvorsitzende sowie weitere Arbeitnehmer die Wahl an. Sie machten geltend, die Geschäftsleitung habe versucht, den Ausgang der Wahl in unzulässiger Weise zu beeinflussen, indem die Arbeit der ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden öffentlich diskreditiert worden sei.
Diesem Einwand schloss sich das Bundesarbeitsgericht1 nicht an. Es stellte vielmehr fest, dass sich das Arbeitgeberverhalten noch in den Grenzen des Zulässigen bewegt hat.
Kein Neutralitätsgebot für Arbeitgeber
Nach dem Gesetz darf niemand die Wahl des Betriebsrats durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen beeinflussen (vgl. § 20 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz, BetrVG). Untersagt sei danach jede Benachteiligung oder Begünstigung etwa durch eine finanzielle Unterstützung einzelner Kandidaten oder Wahlvorschlagslisten mit dem Ziel der Wahlbeeinflussung sowie der auf vielfältige Weise mögliche Versuch eines „Stimmkaufs“ von Arbeitnehmern. Das Gesetz sei jedoch nicht dahin zu verstehen, dass jede Äußerung oder Handlung des Arbeitgebers im Zusammenhang mit Betriebsratswahlen als Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften anzusehen wäre.
Damit ist das Bundesarbeitsgericht entgegenstehenden Auffassungen in Rechtsprechung und Arbeitsrechtswissenschaft entgegengetreten, wonach es dem Arbeitgeber verwehrt sein solle, in irgendeiner Weise auf die Wahlentscheidung Einfluss zu nehmen. Das Bundesarbeitsgericht betonte vielmehr, dass es in Bezug auf die Betriebsratswahlen keiner besonderen „Neutralitätspflicht“ des Arbeitgebers bedürfe. Jeder Arbeitnehmer könne und solle seine Wahl in Ansehung der ihm bekannten Tatsachen und Meinungen nach seiner freien Überzeugung treffen. Er könne sich dazu von den Standpunkten anderer Arbeitnehmer, Gewerkschaften aber auch des Arbeitgebers leiten und beeinflussen lassen.
Die Richter wiesen außerdem auf ganz praktische Gesichtspunkte hin. Danach würde ein striktes Neutralitätsgebot des Arbeitgebers zu keinen sinnvollen, rechtssicher handhabbaren Ergebnissen führen. Die Betriebsratswahlen wären vielmehr einem hohen Anfechtungsrisiko ausgesetzt, wenn der Arbeitgeber sich jeder kritischen Äußerung über den bestehenden Betriebsrat oder einzelner seiner Mitglieder im Hinblick auf eine zukünftige Wahl enthalten müsste.
Das Verhalten des ehemaligen Geschäftsführers und des Personalleiters im Vorfeld der Betriebsratswahl habe auch nicht die Grenzen des Zulässigen überschritten. Weder seien konkrete Nachteile angedroht noch Vorteile versprochen worden. Allein die Anregung, eine alternative, möglicherweise „arbeitgeberfreundliche“ Liste aufzustellen und das gezielte Werben um eine Kandidatur auf dieser Liste erfülle noch nicht die Voraussetzungen der verbotenen Wahlbeeinflussung.
1 Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 25. Oktober 2017 – 7 ABR 10/16, besprochen in RdW 2018 Rn. 214.