Ursprünge der Salafiyya
Salafisten sind sunnitische Muslime, die den Ur-Islam wiederherstellen wollen. Der Begriff Salafiyya bedeutet Rückorientierung an die ehrwürdigen Vorfahren, as-salaf as-salih, der ersten Muslime in Mekka und Medina, Anhänger des Propheten Mohammed. Als „bester Mensch“ beeinflusste er seine Anhänger und lehrte sie den rechten Glauben.
Nach Auffassung der heutigen Anhänger der Salafiyya wurde der islamische Glaube nur zu dieser Zeit korrekt gelebt, danach habe die theologische Beeinflussung des Islam den Glauben verfälscht. Die Salafiyya-Ideologie ist von einer Unterscheidung in Gläubige und Ungläubige geprägt. Als gläubig gilt nur der, der die Vorgaben der Salafiyya befolgt und vorbehaltlos umsetzt. Nur diejenigen, die den Glauben in derselben Art und Weise leben, sind echte Muslime. Dies führt zu elitärem Denken und zur Spaltung der muslimischen Gemeinschaft (umma).
Anspruch auf Alleinvertetung der Salafisten
Salafisten erklären nichtsalafistische Muslime zu kuffar, also Ungläubigen. Dies wird als takfir bezeichnet. Dabei begeben sich die Salafisten in einen eklatanten Widerspruch:
Anhänger der Salafiyya behaupten stets, die Gesamtheit der Muslime zu vertreten. Ihre Handlungen folgen einer radikalen Interpretation der islamischen Vorstellung von Da´wa, dem Missionieren zum Islam. Nicht-Salafisten sollen bekehrt oder bekämpft werden. Ein Kennzeichen ist die Forderung nach einer wörtlichen Auslegung des Korans. Vertreter anderer Glaubensauffassungen innerhalb des Islams, wie z.B. die Schiiten, gelten als Ungläubige, die mit dem Djihads bekämpft werden müssen. Die Salafiyya verlangt die Einhaltung muslimischen Rechts und Lebensstils, wie Auftreten, Kleidung, Geschlechtertrennung u.a.
Ernstzunehmende Bedrohung
Die Salafiyya ist eine Massenbewegung, die ein nahezu weltumspannendes Netzwerk darstellt. Kennzeichnend ist die Werbung zur Bekehrung für die eigene Glaubensauffassung. Mittlerweile werden die Anhänger bundesweit auf 4.000 Personen geschätzt. Die Bewegung verfolgt das Ziel der totalen Transformation der Gesellschaft. Die Tatsache, dass nur ein Teil der Salafiyya-Anhänger gewaltorientiert ist, macht sie nicht minder gefährlich. Salafistische Bestrebungen werden von den Sicherheitsbehörden als ernstzunehmende Bedrohung eingestuft. Hinsichtlich ihrer Ambitionen und Agitationen können sie in folgende Gruppen unterschieden werden:
- Quietistischer Salafismus: Die Inhalte beschränken sich im Wesentlichen auf religiöse Aktivitäten, das Predigen und die islamische Ausbildung. Muslime sollen ohne Gewaltanwendung zur Überzeugung anderer an den Islam gebunden werden.
- Politischer Salafismus: Die Anhänger sehen, wie die Muslimbrüder in Ägypten, Gewaltanwendungen zum Schutz, zur Verteidigung und Bestrafung als gerechtfertigt an.
- Revolutionärer Salafismus: Die Vertreter betrachten es als Notwendigkeit, die islamische Identität und Gemeinschaft durch gewalttätige Aktionen zu verteidigen.
Erste Salafistische Bestrebungen in Deutschland
In Deutschland wurde die Öffentlichkeit hinsichtlich salafistischer Bestrebungen 2006 alarmiert, als die sog. „Sauerlandgruppe“ festgenommen wurde. Die Radikalisierung von Fritz Gelowictz und Daniel Schneider verlief in salafistischen Kreisen. Allerdings wurden sie aufgrund des Anschlagsplanes als islamische Terroristen wahrgenommen, Salafismus blieb unpopulär.
Die Salafiyya-Bewegung bekam erst durch Pierre Vogel ein Gesicht. Der Verein „Einladung ins Paradies“ e.V. (EZP) wurde 2006 als Islamisches Bildungs- und Kulturzentrum Braunschweig e.V. (IKZB) gegründet. In Anlehnung an Pierre Vogels gleichnamigen Internetauftritt wurde der Verein 2009 in Einladung zum Paradies e.V. umbenannt. Ende März 2011 wurde Sven Lau erster Vorsitzender und Nachfolger von Muhamed Ciftci, dem Sohn von Ahmed Ciftci, einem der Mitgründer der Milli Görüs. Der Verein gilt seit Herbst 2011 offiziell als aufgelöst, die Mitglieder sind jedoch weiterhin aktiv.
Ciftci bot eine Möglichkeit zum internetbasierten „Fernstudium“ salafistischer Lehren an. Etwa 300 Muslime waren eingeschrieben. Sie lernten gegen eine monatliche Gebühr von 55 € Arabisch und islamische Theologie. Sein Zulassungsantrag bei der Staatlichen Zentrale für Fernunterricht (ZFU) wurde im Juli 2012 abgelehnt. Die gepredigten Inhalte Ciftcis hatten u.a. zum Inhalt:
- Züchtigung der Frau und
- Gefährdung des Islam durch Juden und Christen.
Die Übergänge der Salafiyya-Bewegung sind zwischen friedlichen und gewaltbereiten Einstellungen von Anhängern fließend. Der ehemalige Weggefährte Vogels, der Kölner Ibrahim Abou Nagie befürwortet Gewalt gegen Ungläubige. Ein ausdrücklicher Djihadist, also ein Gläubiger, der für die Überzeugung auch kämpft, ist der Österreicher Abu Usama al-Gharib, der früher eine Art Vertreter von al-Qaida in seinem Heimatland war und zu vier Jahren Haft verurteilt wurde.
Verteilung des heiligen Buches
Ausgerechnet Abu al-Gharib hat es geschafft, die Salafisten kurzzeitig zu einen. Die Verteilung der über 20 Millionen Koran-Ausgaben im Jahr 2012 in deutschen Städten führte zu einem gewaltigen Medieninteresse. Die Idee dazu stammte von Abou Nagie. Abu Gharin bot sich und seine Anhänger als Schutztruppen der Stände vor möglichen Angreifern an. Salafistische Prediger, die das wahllose Verteilen des heiligen Buches an Ungläubige kritisierten, konnten damit beruhigt werden, dass es sich um deutschsprachige „ungefähre Übersetzungen“ handelte. Mit gestärktem Selbstbewusstsein denken die Anhänger der salafistischen Szene nun über weitere medienwirksame Kampagnen nach, mit und ohne Gewalthandlungen.
Demokratiefeindlichkeit
Den Salafiyya-Anhängern geht es darum, die Welt anhand vager Vorgaben der Schari´a und vor allem eigener Vorstellung des Ur-Islam zu gestalten. Die westliche Demokratie wird als unislamisch abgelehnt. Diese Feindschaft basiert auf dem Grundgedanken, dass der Staat als Aggressor das salafistische Konzept einer islamischen Neuordnung verhindere. Salafisten verbinden mit Demokratie ein Herrschaftssystem, das sich von Allah gelöst hat, die Menschen vom Glauben abbringt und unterjochen will. Gleichzeitig nutzen Salafisten, wie andere extremistische Gruppierungen, demokratische Strukturen für ihre staatsfeindlichen Zwecke.
Inanspruchnahme sozialer Leistungen
Viele Salafisten beziehen überproportional staatliche Zuwendungen, u.a. Hartz IV. Zwar lehnen sie das demokratische System und den Sozialstaat ab, die Inanspruchnahme sozialer Leistungen trägt dem Djihad-Gedanken jedoch Rechnung. Der Gotteskrieger macht es sich zum Ziel, dem feindlichen Land zu schaden. Zudem wollen Salafisten die Bescheidenheit und Demut ihres Vorbildes Muhammad nachahmen.
Hartz IV-Empfänger zu sein bedeutet, dass man der Forderung einer bescheidenen Lebensweise „amtlich dokumentiert“ Folge leistet. Zudem hat der Salafist durch den Bezug von Arbeitslosengeld mehr Zeit zur Verfügung, um religiöse Praktiken zu vollführen.
Frauenrolle der Salafisten
Frauen können keine bezahlte Tätigkeit aufnehmen, mit der Verschleierung des Körpers durch die traditionelle Burka ist eine Arbeitsaufnahme kaum denkbar. Die Frau ist Hüterin der Familie und Erzieherin der Kinder, sie hat keinen Anspruch auf Selbstverwirklichung und Bildung, sie hat kein Recht, ein eigenständig bestimmtes Leben zu führen. Bei erwachsenen Frauen, die sich selbst der Salafiyya unterordnen, ist das ihr freier Wille. Problematischer ist es bei Frauen, die durch Geburt oder Erziehung Anhänger wurden oder die Bewegung verlassen möchten.
Wirkung auf Jugendliche
Salafismus müsste auf junge Menschen, wenn sie als Muslime westlich orientiert aufgewachsen oder ursprünglich gar keine Muslime sind, abschreckend wirken. Umso mehr erstaunt, dass salafistische Gruppierungen bei jungen Menschen Zuwachs finden.
Jugendliche sind die primären Adressaten der Salafisten, da sie oft unsicher sind und sich auf Identitätssuche befinden. Junge Muslime geraten unter Umständen in einen existenziellen Zwiespalt zwischen dem traditionellen und behüteten Zuhause und der Realität in der Schule.
Protagonisten der Salafiyya profitieren von gesellschaftlichen Fehlentwicklungen und bieten sich als Vorbild an. Die Aufmerksamkeit anderer Anhänger, vor allem aber die der Medien, machen sie zu Prominenten. Um als gutes Beispiel und Vorbild zu fungieren, nutzen Pierre Vogel, aber auch der ehemalige Rapper Denis Mamadou Cuspert, früher bekannt als Deso Dogg, sehr einfache Schemen, um ihr Leben zu beschreiben. Die Entdeckung des „wahren Islam“ habe ihrem Leben einen Sinn gegeben, die sie weitergeben wollen.
Ersatzideologie für gescheiterte Existenzen
Die Vermittlung der salafistischen Doktrin bildet eine Ersatzideologie für gescheiterte Existenzen, gibt den Anhängern Halt und stärkt das Gefühl von Gemeinschaft. Zudem suggeriert ihnen die Ideologie, sie allein hätten die Wahrheit auf ihrer Seite. Besonders für Jugendliche, die auf anderen Ebenen scheitern, ist der Reiz, den solche Gruppen ausüben, enorm. Eine weitere Strategie, Jugendliche trotz der strengen salafistischen Lebensart zu begeistern, ist z.B. der Sport. Salafisten nehmen an Sportveranstaltungen teil oder legen ihre Kundgebungen in die Nähe großer Sportevents, z.B. „Ironmen“ in Frankfurt.
Praxishinweise
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