Sicherheit

Rockerbanden als kriminelle Subkulturen

Entwicklung in Deutschland

Motorcycle-Clubs (MC) gründeten sich unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg in den USA. Während eines Motorradtreffens im kalifornischen Hollister kam es 1947 zu massiven Auseinandersetzungen mit der Polizei („Hollister-Bash“). Das Klischee des finsteren Motorrad-Rowdys bildete die Basis für die Gründung von Outlaw-Motorcycle-Clubs.

Die ersten Clubs gab es Ende der 60er Jahre, meist von stationierten Angehörigen der US-Army. Der größte Club, der Hells Angels MC (HAMC), wurde 1948 gegründet und konnte sich in 32 Ländern mit sog. „Chartern“ (Orts- oder Landesclubs) mit ca. 1.000 Mitgliedern etablieren. Einen weiteren großen Club stellen die Bandidos mit 71 Chartern dar. Der Mongols MC ist hier weit weniger personenstark und machte wegen der Gründung eines Ablegers durch den kriminell aktiven mhallami-libanesischen Miri-Clan in Bremen, Essen und Berlin und dem gewalttätigen Rockerkrieg gegen den HAMC Schlagzeilen.

Familienprinzip und gewinnbringendes Image

Der Weg zum Member gestaltet sich als relativ langwierig. Gilt es doch hier ein Vertrauensverhältnis und den Respekt zwischen dem Club und dem Anwärter aufzubauen, welche ein ganzes Lebe lang bestehen müssen. Eine Aufnahme in den MC ist mit einer Adoption in eine Familie oder einer Weihung zu vergleichen und bedingt sowohl von Seiten des Clubs als auch des künftigen Mitglieds bestimmte Pflichten, aber ebenso Rechte und Privilegien. Daneben pflegt der HAMC ein hohes Maß an persönlicher und gegenseitiger Unterstützung, die Verbundenheit unter den Mitgliedern steht im Vordergrund.

Support-Organisationen als Expansionsprinzip

Sowohl Hells Angels als auch Bandidos pochen auf den langwierigen Prozess, in dem ein Interessent („Hangaround“) zum Anwärter („Prospect“) und schließlich zum Mitglied („Member“) wird. Nicht jeder könne Mitglied werden, das verbieten ihre hohen Ansprüche. Um nun aber trotzdem personenstark auftreten und den Markt bedienen zu können, greifen die großen Gruppen auf sog. „Supporter“ zurück, also andere Motorcycle-Clubs.

Verhandlungen der ranghöchsten Vertreter der Gruppen werden bei einem Abkommen zeremoniell und pressewirksam gefeiert. Für den kleineren Supporter bedeutet das Schutz und Marktanteile durch den größeren Partner, der sich damit einen Mitkämpfer sichert, z.B. Bündnisse der Red Devils (Supporter der HAMC) sowie Chicanos und Diabolos (mit Bandidos).

Phänomen Rockerkriminalität

Outlaw Motorcycle Clubs sind nicht per se als kriminell einzustufen. Eine klare Definition des Begriffs Rockerkriminalität existiert bislang nicht, zudem ist das Phänomen noch zu wenig wissenschaftlich behandelt. Bemühungen um mehr Wissen über Organisation und Personen scheitern an der Verschwiegenheit der Mitglieder. Zu dieser muss sich jedes Mitglied bei Eintritt auf Lebzeiten verpflichten.

Die Vereinigungen teilen sich die Charakteristik mit mafiosen Gruppierungen. Der Zusammenhalt steht an erster Stelle und wird durch einen Ehrenkodex geschützt, die Strukturen sind hierarchisch. Die großen Rockerclubs generieren ihre Haupteinahmen größtenteils aus


  • dem Sicherheitsdienstleistungssektor,

  • Prostitution in Bordellbetrieben und

  • allen Gewerben rund um diesen Bereich.


Verurteilungen einzelner Mitglieder erfolgten u.a. aufgrund von Delikten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, Gewalt- und Drogendelikten. Die Gewalt der Clubs richtet sich gegen konkurrierende Vereinigungen.

Bandenkriege und die Politik des Überlaufens

Insbesondere zwischen den Hells Angels, den Bandidos und den Mongols herrscht eine tiefe Feindschaft. Dabei geht es in erster Linie um Gebietsansprüche und um Marktanteile. 2011 ereigneten sich im Großraum Berlin offen ausgetragene Gewalttaten zwischen dem Bandidos MC und dem Mongol MC, 2012 zwischen dem HAMC und den Bandidos, wobei 2010 Friedensverhandlungen zwischen den rivalisierenden Gruppen bekannt wurden. Der auf Lebzeit geschlossene Bund eines Mitgliedes ist die Basis, auf der die Clubs sich schwächen. Sie versuchen sich Mitglieder mit Insider-Wissen auch bei den Supportern abzuwerben. Überläufer werden zu Todfeinden.

Verbotsverfahren als staatliche Interventionsstrategie

Die Innenminister der Länder gehen bei Verstößen gegen die staatliche Ordnung und das Strafrecht mit Verbotsverfahren gem. Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 VereinsG gegen örtliche Charter vor. Diese werden nach dem Vereinsrecht behandelt, selbst wenn sie keine eingetragenen Vereine sind. Das Verbot geht regelmäßig mit einer Anklage nach § 129 StGB (Bildung einer kriminellen Vereinigung) und der Beschlagnahme des Besitzes der Organisation einher. Das Tragen der Kutte (Jeans- oder Lederweste mit Abzeichen des Clubs) ist damit verboten. Ein Verbot im gesamten Bundesgebiet gegen einen Club mit allen Chaptern ist nur möglich, wenn dem Club ein Vergehen nach § 129 StGB nachzuweisen ist. Da dies bislang nicht gelungen ist, bleiben nur die Einzelverbote. Das Vereinsverbot erstreckt sich auch auf den Übertritt eines Chapters zu einem anderen Club gleichen Namens oder eine Neugründung.

Umgang der Rocker mit Vereinsverboten

Die Kutte mit dem Clubabzeichen ist für jeden Rocker nahezu ein Heiligtum. Dieses nicht mehr tragen zu dürfen, ist tatsächlich ein Schlag, wurde die Kutte doch von jedem einzelnen durch eine lange Anwartschaft erworben und kennzeichnet seinen Status innerhalb der Gruppe. Entsprechend klagen sie zumindest teilweise gegen das Verbot. Davon abgesehen verhalten sich die ehemaligen Mitglieder eines ehemaligen Clubs nahezu genauso, wie zuvor. Sie treffen sich weiterhin in privaten Räumen oder Kneipen. Mitglieder, die den Sicherheitsbehörden nicht bekannt sind, wechseln den Club. Insofern ist die Wirksamkeit der einzelnen Verbote also eingeschränkt.







Praxishinweise


  • Die Organisationsform der Rockerkriminalität ist streng und von ähnlich mafiosen oder bruderschaftlichen Strukturen.

  • Die Verschmelzung legaler mit illegalen Strukturen erschwert die staatliche Bekämpfung und ist ein typischer Wesenszug von Organisierter Kriminalität.

  • Die Verschwiegenheit und das Vertrauensverhältnis der Mitglieder untereinander macht die staatliche Intervention schwierig, bietet jedoch auch eine Angriffsfläche.