Rechtliches

Sicherheitsstandards für Asylbewerberunterkünfte

© Zerbor

Nach dem Bekanntwerden der erschütternden Übergriffe in Asylbewerberunterkünften in Nordrhein-Westfalen gelten seit 1. Oktober 2014 in sämtlichen Flüchtlingsunterkünften in NRW deutlich strengere Standards für den Einsatz von privaten Sicherheitskräften.

 

Kernpunkte der veröffentlichten neuen Vereinbarung

Alle Betreuungsorganisationen werden künftig bei der Beauftragung von Sicherheitsfirmen keinen Einsatz von Subunternehmen mehr akzeptieren. Zusätzliche verbindliche Festlegung: Wer künftig in einer Asylbewerbereinrichtung des Landes als Sicherheitskraft arbeiten will, muss sich mit einer Sicherheitsüberprüfung durch Polizei und Verfassungsschutz einverstanden erklären.

 

Nach Einschätzung der Experten des Bundesverbandes der Sicherheitswirtschaft (BDSW) soll dieses 8-Punkte-Programm des Landes NRW stark überarbeitungsbedürftig sein und deutlich das fehlende Verständnis für aktuelle Bedingungen in der Branche aufzeigen.

 

Dr. Harald Olschok, Hauptgeschäftsführer des BDSW, hält die NRW-Standards für „überhastet“. Er setzt dem ein 12-Punkte-Programm entgegen und bietet seine Expertise an, um möglichst bundesweit einheitliche Sicherheitsstandards für speziell diese Aufgaben zu erstellen.

 

12-Punkte-Programm des BDSW:

1. Das bisherige System der Auftragsvergabe an private Sicherheitsdienste gehört auf den Prüfstand. Es muss eine Trennung von der Ausschreibung der Betreuung der Liegenschaft und der Vergabe der Sicherheitsaufgaben vorgenommen werden. In der bisherigen Konstruktion der Ausschreibungen ist das Sicherheitsunternehmen zwangsläufig immer ein Subunternehmen des Unternehmens bzw. der Einrichtung, das den Auftrag über die Betreuung der Liegenschaft erhält.

2. Im Vergabeverfahren sind insbesondere die Geeignetheit des Sicherheitsunternehmens, dessen Führungspersonals und des eingesetzten Sicherheitspersonals an Hand der Vergabekriterien Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit hervorzuheben. Hier sollte eine klare Gewichtung von Qualität (70%) zu Preis (30%) entstehen. Das Bestbieterprinzip bietet hierfür eine sehr gute Grundlage.  Der BDSW empfiehlt die entsprechende Anwendung der Leistungsstufe 2 gemäß Anhang A der DIN 77200:2008-05 „Sicherheitsdienstleistungen – Anforderungen“. Die unternehmensbezogenen Eignungskriterien sollten sich deshalb unter anderem darauf beziehen, dass ein qualifiziertes Qualitätsmanagement-System vorhanden  und eine tägliche, 24-Stunden dauernde ununterbrochene Besetzung der Einsatzleitung mit Führungspersonal gewährleistet ist. Des Weiteren sollte das Führungspersonal über zumindest englische, oder auch weitere Sprachkenntnisse verfügen, die eine sichere Kommunikation mit Asylbewerbern ermöglichen. Ferner sollte es spezielle Fortbildungen in Deeskalationstechniken beherrschen, um das Sicherheitspersonal im Einsatzfall auch proaktiv unterstützen zu können.

3. Das zukünftig geforderte Einverständnis zu einer Überprüfung analog der Vorgaben der Sicherheitsüberprüfungsgesetztes verkennt, dass es mehrere Stufen gibt. Dies ist somit zu konkretisieren. Zudem ist zu erwägen, in diesem Bereich grundsätzlich eine verfassungsschutzmäßige Überprüfung gem. § 9 Absatz 2 BewachV vorzunehmen.

4. Die Zuverlässigkeitsüberprüfung muss regelmäßig (z.B. jährlich) durch die zuständige Ordnungsbehörde erfolgen.

5. Die in den letzten Monaten stark anwachsende Zahl der Asylbewerberinnen und -bewerber hat zu einer Überforderung der aufnehmenden Behörden und damit verbunden zu einer sehr schnellen Vergabe der Liegenschaftsbetreuung, und so auch der Sicherheitsaufgaben, geführt. Die nun geforderte Sachkundeprüfung benötigt u.U. mehr Zeit. Eine seriöse Auftragsvergabe an private Sicherheitsdienste, die alle gesetzlichen Vorgaben einhält, ist binnen weniger Tage schlichtweg nicht möglich! Ebenso müssen die Industrie- und Handelskammern die erforderlichen Ressourcen zur Abnahme der Sachkundeprüfung erst bereitstellen bzw. aufbauen.

6. Die o.a. Sachkundeprüfung ist eine rein theoretische Prüfung vor einer Industrie- und Handelskammer. Die in einem sensiblen Aufnahmelager eingesetzten privaten Sicherheitskräfte bedürfen weitergehender Qualifikationen und Erfordernisse. Diese können bei der Industrie- und Handelskammer nicht gelernt werden. Es ist auf erfahrene öffentliche und auch private Bildungseinrichtungen zurückzugreifen, die bereits seit Jahren Erfahrung  mit dieser Art von sensiblen Aufgaben haben.

7. In diesem ebenso sensiblen wie komplexen Bereich der Sicherheit müssen die Anforderungen an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter grundsätzlich auch auf Kompetenzen in pädagogischen, fremdsprachlichen und mediativen Bereichen ausgeweitet werden. Auch müssen bei einem Teil der eingesetzten Sicherheitskräfte interkulturelle Kompetenzen vorausgesetzt  bzw. geschult werden.

8. Es ist eine spezifizierte Anforderung der Dienstleistung vorzunehmen. Standards sind landes- bzw. bundesweit zu erarbeiten. Sie dürfen nicht nur auf der Ebene der Bezirksregierung existieren, sondern müssen zwingend auf die kommunale Ebene heruntergebrochen werden.

9. Es ist auch nicht so, dass alle in Verbindung mit einer Asylbewerberunterkunft wahrgenommenen Aufgaben in den Geltungsbereich des „Bewachungsgewerbes“ nach dem Gewerberecht fallen. Der § 34a der Gewerbeordnung und die Bewachungsverordnung gelten nur für Unternehmen und Beschäftigte, die „gewerbsmäßig Leben oder Eigentum fremder Personen bewachen will“. Der Auftraggeber hat die Verpflichtung, die ausgeschriebenen Aufgaben klar zu definieren. Dazu gehört auch die Abgrenzung. Entscheidend ist aber auch, dass mit der Betreuung der Asylbewerber entsprechend qualifiziertes Personal eingesetzt wird. Das müssten Sozialarbeiter oder auch andere Fachkräfte sein. Diese Aufgabe kann nicht von privaten Sicherheitskräften auf der Grundlage der Gewerbeordnung geleistet werden.

10. Alle in Verbindung mit einer Asylbewerberunterkunft wahrzunehmenden Aufgaben können nicht auf Grundlage des tariflichen Mindestlohns vergeben werden. Nach dem derzeit gültigen Tarifvertrag, den der BDSW mit der Gewerkschaft ver.di abgeschlossen hat, beträgt der Mindestlohn in Nordrhein-Westfalen 9,00 Euro. Dieser ist für einfache Bewachungsaufgaben vorgesehen und kann der komplexen Aufgabe in einem Asylbewerberheim nicht als Grundlage dienen. Die Entlohnung muss sich  an der für die Geprüfte Schutz- und Sicherheitskraft bzw. der Fachkraft für Schutz und Sicherheit orientieren, auch wenn die Qualifizierung anders ausgestaltet werden muss. Dies muss auch als Grundlage im Vergabeverfahren Berücksichtigung finden.

11. Die geforderte Eigenerklärung über relevante Vorstrafen reicht keinesfalls aus. Entscheidend ist die Überprüfung durch die Behörden und auch eine regelmäßige Kontrolle sowie entsprechende Rückinformation an den Dienstleister.

12. Auf Grund der verschärften Situation in den Unterkünften muss das Vier-Augen-Prinzip dringend eingehalten werden. Nur so können Sicherheitskräfte vor möglicherweise nicht gerechtfertigten Beschuldigungen geschützt werden.

 

Nach dem BDSW müssen unzweifelhaft gravierende Veränderungen im Schutz von Asylunterkünften vorgenommen werden. Der BDSW bietet die Expertise seiner Mitgliedsunternehmen an, bei den Standards aktiv mitzuwirken.

 

Praxishinweise:

• Qualitätskontrolle von geeigneten Kräften

• Regelmäßige Zuverlässigkeitsprüfung der Mitarbeiter

 

 

 

Quellen:

http://www.mik.nrw.de/themen-aufgaben/auslaenderfragen/asylbewerber.html

http://www.bdsw.de/cms/images/stories/Pressemitteilungen/2014/BDSW%20Stellungnahme%20Sicherheitsstandard%20f%C3%BCr%20Asylbewerberunterk%C3%BCnfte.pdf