Sicherheit

Erneuter Paradigmenwechsel bei den Spezialeinsatzkräften der US-Streitkräfte

© W.Scott

Im Lichte der im Februar 2015 durch das Weiße Haus veröffentlichten National Security Strategy und den Entwicklungen im Ukraine-Konflikt und einer möglichen Bedrohung der baltischen NATO-Mitglieder gewinnt der Einsatz von militärischen Spezialeinsatzkräften in hybriden Konflikten besondere Bedeutung. Insbesondere gilt dies für die Räume an den Flanken der NATO. Nicht zuletzt sind die Interessen der Vereinigten Staaten im pazifischen Raum künftig von ausschlaggebender Bedeutung.

Die „National Security Strategy“ der Vereinigten Staaten von Amerika

Zu den Zielen der National Security Strategy 2015, welche die Strategie aus dem Jahre 2010 abgelöst hat, zählen u.a.:

  • Verstärkung der nationalen Verteidigung,
  • Ausweitung der Maßnahmen zur Sicherung der Heimatverteidigung,
  • Bekämpfung des weltweiten Terrorismus,
  • Aufbau von Kapazitäten zur Konfliktverhütung,
  • Freier Zugang und Nutzung des Weltraums, des Cyber-Raumes, der Weltmeere und des Luftraumes,
  • Führungsrolle in der Wissenschaft,Technologie und bei Erfindungen,
  • Aufrechterhaltung der internationalen Ordnung,
  • Verstärkung  der andauernden Bindungen zu Europa.

Die Autoren der National Security Strategy 2015 betrachten folgende Bedrohungen als besonders signifikant:

  • Umfassende  Angriffe katastrophischen  Ausmaßes  auf die Vereinigten Staaten oder deren kritische Infrastrukturen,
  • Angriffe auf Bürger der Vereinigten Staaten und ihrer Alliierten in den Vereinigten Staaten oder im Ausland,
  • Weltweite ökonomische Krisen oder weltweiter Niedergang der Wirtschaft,
  • Weiterverbreitung oder Anwendung von Massenvernichtungswaffen,
  • Weltweiter Ausbruch und Verbreitung von Infektionserkrankungen,
  • Klimawechsel,
  • Großräumiger Ausfall von Energiemärkten,
  • Signifikante  Sicherheitskonsequenzen im Zusammenhang mit  dem Zerfall von Staaten, Massenverbrechen, dem  regionalem Übergreifen von Konflikten und der transnationalen organisierten Kriminalität.

Die Strategie lässt keinen Zweifel an der künftigen Gestaltungsmacht und Führungsrolle der Vereinigten Staaten bei der Sicherung ihrer Interessen und deren Durchsetzung. Nicht zuletzt als Folge der neuen US-National Security Strategy arbeitet derzeit ein Joint Special Committee des britischen Parlaments an einer „Security Strategy“, die den sich wandelnden Erfordernissen britischer Politik Rechnung tragen soll.

Die künftige Rolle der Spezialeinsatzkräfte der US-Streitkräfte, ihrer Verbündeten und deren Partner

Das bereits am 14. Mai 2014 veröffentlichte neue Feldhandbuch der US-Streitkräfte (Field Manual 3-18 Special Forces Operations) lässt das Einsatzspektrum der US-Spezialeinsatzkräfte auch in künftig  verstärkt zu erwartenden hybriden Konflikten nach dem Muster der Einsätze russischer Kräfte auf der Halbinsel Krim und in der Ost-Ukraine erkennen. Ob Einsätze der US-Spezialeinsatzkräfte auch in Europa erfolgen könnten, ist derzeit noch ungewiss, erscheint aber an der Peripherie der NATO in besonderen Lagen als militärische Einsatzoption. Das Feldhandbuch beschreibt in sieben Kapiteln den Auftrag der Special Operation Forces und die Durchführung spezieller Operationen. 

Von besonderer Bedeutung ist das Kapitel 3, das die Leitlinien von Operationen und Primäraufträge der US-Special Operation Forces unter der Führung des US Special Forces Operations Command – USSOCOM   beschreibt. Es sind dies:

  • Unkonventionelle Kriegführung – Unconventional Warfare – UW
  • Unterstützung fremder Staaten bei der internen Verteidigung – Foreign Internal Defense -FID
  • Sicherheitsassistenz in befreundeten/Partner-Staaten  – Security Force Assistance
  • Aufstandsbekämpfung – Counterinsurgency – COIN
  • Direktes Eingreifen – Direct Action
  • Verdeckte Spezialaufklärung – Special Reconnaissance
  • Terrorismusbekämpfungsoperationen – Counterterrorism – CT
  • Unterstützungsaufgaben bei militärischen Informations-Operationen – Military Information Support Operations – MISO,
  • Zivile Verwaltungsoperationen – Civil Affairs Operations – CAO
  • Maßnahmen zur Bekämpfung der Weitergabe von Massenvernichtungswaffen – Counterproliferation of weapons of mass destruction
  • Informations – Operationen – InfoOps
  • Humanitäre Unterstützung und  Katastrophenhilfe
Unkonventionelle Kriegsführung und „Surgical Strikes“  in künftigen hybriden Konflikten

Besondere Bedeutung  bei den Operationen der Special Operation Forces im Rahmen des „Special Warfare“ sind die auf die Gegebenheiten abgestimmten und abgestuften militärischen und zivilen Maßnahmen einschließlich der Fähigkeit der Special Operations Forces „chirurgische Operationen –  Surgical Strikes“ weltweit durchzuführen. Die Rolle der Special Operations Forces – SOF bei der Bekämpfung des Drogenhandels in Südamerika soll hierbei jedoch nicht betrachtet werden. Gleichwohl verstärkt das Special Operations Command seinen  Einfluss in Afrika. Ob in jedem Falle die Gastgebernation – Host Nation vor derartigen Einsätzen auf deren Territorium konsultiert werden wird, muss allerdings offen bleiben. Die US-Special Operations Forces verfügen derzeit über eine zentrale Kommandostruktur und regionale Führungsstellen mit Kontakten zu den nationalen   Spezialeinsatzkräften, die bei häufigen Übungen, so auch in Europa, ständig vertieft werden. Damit haben die Special Operation Forces der Vereinigten Staaten den Wechsel zu einem Instrument des weltweiten Einsatzes in Krisenregionen vollzogen. Auch die NATO verfügt über ein Führungsinstrument für die in einem möglichen Konflikt der NATO zu unterstellende nationale Special Operation Forces, dem NATO Special  Operations  Headquarters – NSHQ,  das sich am Standort des Supreme Headquarters Allied Powers Europe – SHAPE in Mons befindet. Nicht zuletzt verfügt die Europäische Union  über Kräfte zur „Aufstandsbekämpfung“ und „Bereinigung besonderer Lagen“, der European Gendarmerie Force – EUROGENDFOR – mit zwischen 800 und 900 europäischen Polizeibeamten, die innerhalb kurzer Zeit einsatzbereit sein sollen, so  offizielle Mitteilungen des EU-Military Staff  in Brüssel, dem die EUROGENDOR mit Stab in Vicenza unterstellt ist. An Reserven soll die EUROGENDFOR über zusätzliche 2.300 Beamte verfügen, die innerhalb von 30 Tagen verfügbar sein sollen. Die EUROGENDFOR soll auf Beschluss des EU-Ministerrats oder bei Anforderung durch einen Mitgliedsstaat der EU eingesetzt werden können. Ob und inwieweit eine Zusammenarbeit der Special Operation Forces der US-Streitkräfte, der NATO und der EUROGENDFOR im Krisenfalle vorbereitet ist, kann auf Grund der Quellenlage noch nicht endgültig bewertet werden.

Praxishinweis:

Sowohl die Vereinigten Staaten als auch Russland und die VR China verfügen über gut ausgebildete

Kräfte zur unkonventionellen Kriegsführung in entsprechenden Konfliktszenarien. Deutsche Unternehmen in Krisenregionen sollten daher aufmerksam die politischen und militärischen Entwicklungen in ihrem Interessenbereich beobachten, um auf mögliche Szenarien gut vorbereitet zu sein, die schon lange vor dem offenen Ausbruch von Konflikten schwelen können. Hier ist besonders an die rechtzeitige und sichere Evakuierung von eigenem Personal zu denken. Ob die deutschen Streitkräfte zu derartigen Operationen schon befähigt sind, lässt sich derzeit nicht beurteilen. Derartige Konflikte werden zukünftig den Hauptteil von , in ihren Konsequenzen nicht abschätzbare Bedrohungen, bilden und deren mögliche Folgen sich nicht sofort erschließen.

 

 

Quellen:

Field Manual 3-18 –Special Forces Operations -, Headquarters Department of the Army, Washington, D.C., 28.May 2014

The US Army Operating Concept – Win in a Complex World (2020 -2040),TRADOC PAMPHLET 525-3-1 Fort Eustis, 31.Oct 2014

CASEBOOK ON INSURGENCY AND REVOLUTIONARY WARFARE VOLUME II: 1962–2009; USSOCOM, 27. APRIL 2012,

http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/AB/AB_12067/index.shtml

Kommando-International Special Operations-Magazine –K-ISOM, Ausgabe  4/2015,Juli/August 2015