Hamburg beteiligt sich am Projekt »PERFORMANCE« des Bundeskriminalamts (BKA). Zwar wurden vergleichsweise wenig Tatverdächtige nach den G20-Krawallen mithilfe von Videoauswertung identifiziert. Trotzdem wird das System von der Polizei in den höchsten Tönen gelobt und auf Dauer beim Hamburger Landeskriminalamt (LKA) installiert.
Zur Verfolgung von Straftaten rund um den G20-Gipfel setzt die Hamburger Polizei auch moderne Gesichtserkennungstechnik ein. Das teilte der Kriminaldirektor Jan Hieber auf der jüngsten Sitzung des Sonderausschusses »Gewalttätige Ausschreitungen rund um den G20-Gipfel in Hamburg« mit. Demnach steht ein entsprechendes System seit März dieses Jahres zur Verfügung. Mit der Technik können auch andere auffällige Merkmale markiert und in Videodateien gesucht werden.
Über 100 Terrabyte Material sichten
Nach den heftigen Protesten und Ausschreitungen in Hamburg hatte der Senat die Sonderkommission »Schwarzer Block« eingerichtet, in der zeitweilig bis zu 170 Beamte ermitteln. Sie verfügt laut Hieber über Bilder und Videos in einer Größenordnung von über 100 Terabyte. Wie das IT-Branchen Medium Heise-Online berichtet, stammen viele der Dateien von Privatpersonen, es sollen aber auch rund 25.000 Videos verarbeitet werden, die im Einsatz von Polizisten aufgenommen wurden. Zudem seien mehr als 100 Festplatten aus Bussen, Bahnen und Bahnhöfen sichergestellt worden. Schließlich nutzten die Ermittler auch Filmmaterial von Fernsehsendern sowie im Internet hochgeladenes Material.
Hinweisportal aus Boston
Nach Vorbild der Reaktionen auf den Anschlag beim Marathon in Boston 2013 hatte das BKA nach der Silvesternacht 2016 in Köln erstmals ein Hinweisportal mit Upload-Funktion gestartet, auf das Zeugen Videos im Umfang von 700 Stunden hochgeladen haben. Ein solches nutzte auch die Hamburger Polizei nach dem G20-Gipfel. Physisch ist das Hamburger Portal beim BKA installiert. Die Technik stammt, so Hieber, aus Boston. Die Daten werden via VPN-Verbindung aus Hamburg abgerufen und in einer Auswerteumgebung »Bild- und VideoMassendaten Registrierung« des Dienstleisters Dataport gespeichert.
Ob die Gesichtserkennung lediglich zum Auffinden und Identifizieren von Personen im Bildmaterial dient oder ob auch ein Abgleich mit vorhandenen Fotos in Polizeiakten erfolgt, beantwortete die Polizei bisher nicht. Auch die Software zur Gesichtserkennung, mit der die Dateien analysiert werden, ist unbekannt.
Projekt PERFORMANCE
Die Hamburger Polizei beteiligt sich mit dem BKA unter Federführung des FraunhoferInstituts FKIE am Projekt »PERFORMANCE«, in dem Polizeibehörden die teilautomatisierte Auswertung von Bild- und Videomaterial testen. Die Projektpartner nutzen die Gesichtserkennungssoftware »Videmo360« der Firma Videmo. In Kriminalämtern kommt häufiger die Technik der Dresdener Firma Cognitech »FaceVACS« zum Einsatz.
Erste Erfolge stimmen optimistisch
Über den Erfolg des Programms lässt sich streiten. Laut Hieber seien von der SOKO zwar in 1.060 Fällen »erfolgversprechende Ermittlungsansätze« gefunden und Verfahren eingeleitet worden. In diesen Verfahren wurden rund 500 Tatverdächtige festgestellt, nach denen jetzt gefahndet wird. Lediglich in 104 Fällen stammen die Identifizierungen aus dem gesichteten Videomaterial. Trotzdem wird die Auswertung mithilfe von Gesichtserkennung und Geolokalisierung in hohen Tönen gelobt. Der Hamburger Polizeipräsident Ralf Martin Meyer beschrieb die Technik beim G20-Sonderausschuss als »konzeptionelle Weiterentwicklung von nicht unerheblichem Ausmaß«. So werde das Entdeckungsrisiko von Gewalttaten signifikant erhöht. Kriminaldirektor Hieber nennt das Verfahren einen »völlig neuen Standard in der Beweisführung«.
Erklärtes Ziel ist die bundesweite Aufklärung der »linksextremistischen Täterstruktur«. Die beim G20 gesammelten Dateien sollen der Polizei als ein »echter Grundstein« dienen. Sie werden unter anderem zu Recherchezwecken verwendet, indem Fotos bekannter Tatverdächtiger aus Polizeiakten mit Aufnahmen wie beim G20-Gipfel abgeglichen werden.
Quelle:
ASW Norddeutschland Info Sicherheit, Das Fachmagazin für Sicherheit in der Wirtschaft 3/2018, S. 47