Grundlagen Rechtliches

Rotlichtverstoß mit SUV rechtfertigt allein keine erhöhte Geldbuße

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Ein Amtsgericht verurteilte einen Autofahrenden dazu, fahrlässig als Kraftfahrzeugführer in anderen als den Fällen des Rechtsabbiegens mit Grünpfeil ein rotes Wechsellichtzeichen bei schon länger als eine Sekunde andauernder Rotphase nicht befolgt zu haben.

Sachverhalt

Das Amtsgericht hat den Betroffenen verurteilt, fahrlässig als Kraftfahrzeugführer in anderen als den Fällen des Rechtsabbiegens mit Grünpfeil ein rotes Wechsellichtzeichen bei schon länger als eine Sekunde andauernder Rotphase nicht befolgt zu haben. Es hat deshalb gegen ihn eine Geldbuße von 350 € festgesetzt. Zudem untersagte es ihm unter Anwendung von § 25 Abs. 2a StVG, für die Dauer von einem Monat Kraftfahrzeuge jeder Art im öffentlichen Straßenverkehr zu führen.

OWiG – § 17 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1

Zu den Anforderungen an die Bemessung einer Geldbuße wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit.

Oberlandesgericht Frankfurt a. M. (Beschl. v. 29.09.2022 – 3 Ss OWi 1048/22 – Verlags-Archiv Nr. 2023-04-11)

Aus den Gründen

Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Rechtsbeschwerde hat im Ergebnis keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen erkennen lassen. Soweit das Amtsgericht die Regelbuße wegen der „größeren abstrakten Gefährdung durch das geführte Kraftfahrzeug“ erhöht und hierbei auf das bei einem „SUV“ wegen der „kastenförmigen Bauweise“ und der „erhöhten Frontpartie größere Verletzungsrisiko für andere Verkehrsteilnehmer“ abgehoben hat, hält dies auf die ebenfalls erhobene Sachrüge einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Zutreffend hat das erkennende Gericht aufgrund des von ihm festgestellten Verstoßes eine Regelbuße von 200 € gemäß Nr. 132.3 BKat seiner Bemessung zugrunde gelegt.

Im Ausgangspunkt nicht zu beanstanden ist das Abstellen auf eine durch das Gericht dem Betroffenen zugerechnete, gegenüber gewöhnlichen Tatumständen größere abstrakte Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer. Maßgeblich für die Höhe der Geldbuße ist gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. OWiG, neben weiteren Kriterien, wie dem den Täter treffenden Vorwurf, § 17 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. OWiG, und der Schuldform, § 17 Abs. 2 OWiG, die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit. Unter Letztgenannter werden vornehmlich objektive, die konkrete Tat prägende Bemessungskriterien wie die Tathandlung, die Tatauswirkungen einschließlich außertatbestandlicher Weiterungen, erfasst.

„Gleichmäßige Behandlung sehr häufig vorkommender Sachverhalte“

Der Bußgeldkatalog hat die Qualität eines für Gerichte verbindlichen Rechtssatzes, da die Gesetzesbindung der Gerichte über Art. 97 Abs. 1 GG sich auch auf das von der vollziehenden Gewalt ordnungsgemäß gesetzte Verordnungsrecht bezieht. Er dient der gleichmäßigen Behandlung sehr häufig vorkommender, wesentlich gleichgelagerter Sachverhalte und soll hierdurch auch dem Gebot der Gerechtigkeit dienen. Der Katalog soll eine Schematisierung herbeiführen, was impliziert, dass besondere Umstände des Einzelfalls zurücktreten. Zwar handelt es sich bei ihm um eine Zumessungsrichtfolgt bereits aus § 17 OWiG, insbesondere Abs. 3, dass die im Bußgeldkatalog umschriebenen Umstände keinen enumerativen Charakter aufweisen.

Aufgrund des vorgenannten Zwecks rechtfertigt indes lediglich ein deutliches Abweichen vom Normalfall betreffend die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit oder die Vorwerfbarkeit eine Abweichung vom Bußgeldkatalog. Sind hingegen außergewöhnliche, besondere Umstände hinsichtlich der Tatausführung und der Person des Täters nicht gegeben, darf nicht abgewichen werden. Ferner hat der Verordnungsgeber in Nr. 132 ff. BKat hinsichtlich des hier konkret in Rede stehenden Verstoßes sowohl zwischen verschiedenen Fahrzeugtypen als auch zwischen dem Fehlen, dem Eintritt einer Gefährdung und einer Sachbeschädigung differenziert.

Missachtung besonderer Anforderungen durch das Gericht

Diese Typisierung hätte das Gericht in besonderem Maße zur Prüfung veranlassen müssen, ob eine deutliche Abweichung zu allen normierten Typen besteht. So spricht indiziell gegen das Vorliegen einer deutlichen Abweichung aufgrund einer erhöhten abstrakten Gefährdung durch einen „SUV“ bereits, dass dem Verordnungsgeber sowohl das Differenzierungskriterium der Gefährdung als auch des Fahrzeugtyps bekannt war, er sich aber zu der Schaffung einer diesbezüglich spezifischen Regelbuße nicht veranlasst sah. Das angefochtene Urteil lässt demgegenüber bereits nicht erkennen, dass das Gericht sich der besonderen Anforderungen für eine Abweichung vom Bußgeldkatalog bewusst war.

Indem es lediglich von einer „größeren“ abstrakten Gefährdung bzw. einer „erhöhten“ Verletzungsgefahr spricht, ist eine deutliche Abweichung vom Normalfall gerade nicht dargetan. Damit sind besondere, außergewöhnliche Umstände betreffend Tat oder Täter nicht festgestellt. In concreto liegt eine deutliche Abweichung überdies umso ferner, da der Verordnungsgeber schon verschiedene Umstände in mehreren Bußgeldtatbeständen den hiesigen Verstoß gegen § 37 Abs. 2 Nr. 1 Satz 7 StVO betreffend im Bußgeldkatalog geregelt hat, mithin bereits die Wirklichkeit durch die Berücksichtigung verschiedener Umstände in verschiedenen Konstellationen in den Ziffern 132 ff. BKat typisiert hat.

Die bloße Bezeichnung als SUV zeitigt im Übrigen einen Begründungsmangel. Zwar sind die Anforderungen an die Urteilsgründe in den bußgeldrechtlichen Massenverfahren nicht zu überspannen und der Begründungsaufwand ist auf das rechtsstaatlich unverzichtbare Maß zu beschränken. Gleichwohl sind auch die Zumessungserwägungen so zu begründen, dass sie eine Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht erlauben. Diesen Anforderungen genügt das Abstellen auf den Fahrzeugtyp „SUV“ nicht, sofern dieser nicht näher bestimmt wird. Eine einheitliche Definition fehlt. Als taugliches Kriterium scheidet beispielsweise die Masse aus, da auch „Pkw herkömmlicher Bauart“ mitunter bis zu zwei Tonnen und mehr wiegen und beispielsweise ein vom Hersteller Suzuki als SUV angebotenes Modell Jimny aber nur ca. 1075 kg wiegt.

Ähnliches gilt für die Fahrzeugmaße. Selbst wenn man aber eine eher phänotypische Definition wählte (beispielsweise Bodenfreiheit und Höhe), nimmt sich die Gruppe der „SUV“ so heterogen aus, dass ein Schluss von der Gruppenzugehörigkeit auf gefahrrelevante Umstände nicht möglich erscheint.

 

Entnommen aus dem Neuen Polizeiarchiv, 4/2023, Lz. 955