Gefahrenabwehr Rechtliches

Ingewahrsamnahme wegen Verstoß gegen Maskentragungspflicht

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Der Bundesgerichtshof hatte über die Rechtmäßigkeit der polizeilichen Ingewahrsamnahme eines Mannes zu entscheiden, der sich auf einer Corona-Demonstration weigerte, eine Mund-Nase-Bedeckung zu tragen.

Am 20.12.2020 fand in einer Stadt eine Demonstration gegen staatliche Maßnahmen zum Schutz von Neuinfizierungen mit dem Coronavirus statt. Bei dieser Veranstaltung hielten sich um 12:30 Uhr zahlreiche Personen ohne ausreichenden Abstand zueinander auf.

Unter ihnen befand sich auch der Betroffene, der keinen Mund-Nase-Schutz trug. Eine Pflicht zum Tragen solcher Masken war auf der Demonstration von den zuständigen Behörden angeordnet worden.

Der Betroffene gab gegenüber Mitarbeitern des Ordnungsamts auf Rüge an, dass er weder eine Maske bei sich habe noch über ein ärztliches Attest verfüge, das ihn von der Pflicht zur Mund-Nase-Bedeckung entbunden hätte. Danach verweigerte er es, sich gegenüber den Polizeibeamten auszuweisen.

Sie geleiteten ihn daraufhin an die nächste Hauswand, um ihn auf Ausweispapiere zu durchsuchen. Nachdem er sich dagegen wehrte, drohten die Einsatzkräfte zur Feststellung seiner Personalien unmittelbaren Zwang an, worauf er massiven körperlichen Widerstand leistete. Die Polizeibeamten fanden bei der anschließenden zwangsweisen Durchsuchung seinen Personalausweis und ein verbotenes Einhandmesser.

Er wurde dann von den Beamten befragt, wie er sich im Hinblick auf die Infektionsvorschriften bei der Demonstration weiter verhalten werde. Er verweigerte daraufhin die Auskunft. Aufgrund dessen wurde der Betroffene in Gewahrsam genommen.

Das Amtsgericht (AmtsG) stellte fest, dass die polizeiliche Ingewahrsamnahme zulässig ist und ordnete deren Fortdauer bis längstens um 17:00 Uhr desselben Tages an. Bis zu diesem Zeitpunkt sollte sich diese Versammlung fortsetzen. Um 17:00 Uhr wurde er, wie verfügt, aus dem Gewahrsam entlassen.

Mit Schreiben vom 18.01.2021 hat der Betroffene Beschwerde gegen die Entscheidung des AmtsG eingelegt und begehrte die Feststellung, dass die polizeiliche Ingewahrsamnahme nicht zulässig und die gerichtliche Anordnung der Fortdauer rechtswidrig gewesen ist. Das Landgericht (LG) hat die Beschwerde abgewiesen. Anschließend legte der Mann Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof (BGH) ein.

Corona-Schutzverordnung bot taugliche Grundlage für Maskenpflicht

Der BGH führt in seinem Beschluss aus, dass die der Corona-Schutzverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW) zugrunde liegenden Vorschriften der §§ 28, 30 Infektionsschutzgesetz (IfSG) eine taugliche Ermächtigungsgrundlage für die hier in Rede stehende Anordnung der Maskenpflicht im öffentlichen Raum darstellte.

Diese Normen des IfSG seien bereits von ihrer fortlaufenden Präzisierung und Ergänzung durch den Gesetzgeber anlässlich der Pandemie hinreichend bestimmt und hätten die in der Verordnung vorgesehenen Eingriffe in die Grundrechte der Bürger getragen.

Ein Verstoß gegen den Parlamentsvorbehalt habe ebenfalls nicht vorgelegen. Weil die hier konkret maßgebliche Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nase-Schutzes am Veranstaltungsort ein milderes Mittel als Kontaktbeschränkungen und Ausgangssperren dargestellt habe, sei sie auch insoweit verfassungsgemäß gewesen.

Auch habe sich die Anordnung auf wenige Straßenzüge mit hohem Publikumsverkehr bezogen und es habe den meisten Normadressaten freigestanden, entsprechende Gebiete zu meiden.

Die Maskenpflicht sei auch zeitlich beschränkt gewesen und habe zahlreiche Ausnahmen von der Verpflichtung vorgesehen. So seien etwa Radfahrer, Jogger, Kinder sowie Personen, die aus medizinischen Gründen keine Mund-Nase-Schutz tragen konnten, von der Maskenpflicht befreit gewesen. Deshalb bestehe an der Verhältnismäßigkeit der Anordnung der Maskenpflicht keinerlei Zweifel.

Ingewahrsamnahme war durch Polizeirecht gedeckt

Das LG habe die Voraussetzungen für die Freiheitsentziehung beim Betroffenen zu Recht für gegeben erachtet. Nach dem Polizeirecht in NRW könne eine Person in Gewahrsam genommen werden, wenn dies unerlässlich sei, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit zu verhindern.

Das LG habe darin, dass der Betroffene bei der Demonstration keine Mund-Nase-Bedeckung getragen habe, zutreffend eine Ordnungswidrigkeit gem. § 73 Abs. 1 a Nr. 6 IfSG gesehen. Mithin habe er vorsätzlich einer vollziehbaren Anordnung nach § 28 IfSG i. V. m. einer Rechtsverordnung nach § 32 IfSG zuwidergehandelt.

Aus seinem Gesamtverhalten sei abzuleiten gewesen, dass er sich ohne die Ingewahrsamnahme erneut ohne Mund-Nase-Bedeckung am Versammlungsort aufhalten und damit die Ordnungswidrigkeit fortsetzen werde. Im Übrigen habe er gegenüber den eingesetzten Polizeibeamten strafrechtlich relevanten körperlichen Widerstand geleistet.

Darüber hinaus habe er die Auskunft verweigert, wie er sich fortan zu verhalten gedenke. Bei seinem Verhalten handele es sich um eine Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit i. S. d. § 35 Abs. 1 Nr. 2 Polizeigesetz NRW, die er fortzusetzen gedachte. Die Ingewahrsamnahme sei rechtens gewesen.

Ingewahrsamnahme war auch für Gefahrenabwehr erforderlich

Gegen die Annahme des LG, der Betroffene werde sich im Fall seiner Freilassung wieder ohne Mund-Nase-Bedeckung zum Versammlungsort begeben, war nichts einzuwenden. Weniger eingriffsintensive Maßnahmen, durch welche die Gefahr der Fortsetzung einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit hätte verhindert werden können, seien nicht ersichtlich gewesen.

Es sei angesichts der Beharrlichkeit des Betroffenen nicht damit zu rechnen gewesen, dass er freiwillig eine Maske angelegt oder einen Platzverweis befolgt hätte. Zu Recht sei der Gewahrsam bis zum Ende der Versammlung angesetzt worden.

Dieser Zeitraum sei angemessen; andere Anhaltspunkte für ein Ausreichen einer kürzeren Zeitfrist (oder gar einen Verzicht) seien nicht erkennbar; der Gewahrsam sei auch verhältnismäßig im engeren Sinne gewesen.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.02.2022 – 3 ZB 4/21

 

Entnommen aus der Gemeindeverwaltung Rheinland-Pfalz 14/2023, Rn. 142.