Die Verkehrsbehörde hatte unter Anordnung der sofortigen Vollziehung und Auflistung von acht mit unterschiedlichen Pkw, deren Halter eine Firmeninhaberin ist bzw. zur Zeit des jeweiligen Verstoßes war, begangenen Geschwindigkeitsüberschreitungen angeordnet, dass die Firmeninhaberin für sämtliche 23 auf ihre Firma zugelassenen Fahrzeuge vom Zeitpunkt der Zustellung des Bescheids bis zum Ablauf von sechs Monaten ein Fahrtenbuch zu führen, die Fahrtenbücher jeweils zum Monatsende in Kopie zur Einsicht vorzulegen und sie nach Ablauf der gesetzten Frist noch sechs Monate aufzubewahren hat.
Das Verwaltungsgericht (VG) hatte den Antrag der Firmeninhaberin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruchs zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Anordnung sei formell und materiell rechtmäßig.
So sei die Inhaberin zu der beabsichtigten Maßnahme angehört worden und jeder der aufgeführten Verkehrsverstöße sei, weil jeweils mit mindestens einem Punkt im Verkehrszentralregister einzutragen, von erheblichem Gewicht.
Die Feststellung des Fahrzeugführers sei in keinem der Fälle möglich gewesen, da die Firmeninhaberin während der laufenden Bußgeldverfahren nicht zur Angabe der Personalien der verantwortlichen Fahrer bereit gewesen sei und die polizeilichen Ermittlungen jeweils ohne Erfolg blieben.
Dass die Inhaberin der Verfügung entgegenhalte, seit Dezember 2021 habe sie den Fahrer jeweils mitgeteilt, sodass ein Grund für die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage nicht mehr bestanden habe, verfange nicht.
Eine im Jahr 2022 eingetretene Verhaltensänderung sei offensichtlich durch die Anhörung vom 14.02.2022 und das Bestreben der Firmeninhaberin, sich einer Fahrtenbuchauflage für ihren gesamten Fuhrpark zu entziehen, veranlasst gewesen.
Erstreckung der Anordnung auf alle Fahrzeuge verhältnismäßig
Schließlich sei die Erstreckung der Anordnung auf alle Fahrzeuge der Inhaberin angesichts der Anzahl der unaufgeklärt gebliebenen Verkehrsverstöße und deren Erheblichkeit auch verhältnismäßig.
Die Berücksichtigung der Verstöße der Jahre 2017 und 2018 und inzwischen bereits verkaufter Fahrzeuge sowie von Verstößen, wegen derer bereits eine fahrzeugbezogene Fahrtenbuchauflage verhängt wurde, sei ebenso wie die Einbeziehung des zum Fuhrpark gehörenden Lastkraftwagens nicht zu beanstanden.
Die Verkehrsbehörde habe die Anzahl der zum Fuhrpark gehörenden Fahrzeuge ermittelt und in ihre Erwägungen, ob Verkehrsverfehlungen mit anderen Fahrzeugen der Firmeninhaberin zu erwarten sind, eingestellt.
Die angeordnete Dauer von sechs Monaten liege zudem im unteren Bereich. Gegen den Beschluss des VG richtete sich die Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht des Saarlands (OVG).
Das Vorbringen in ihrer Beschwerdebegründung vom 08.03.2023 gab keine Veranlassung, die VG-Entscheidung abzuändern. Nicht nachvollziehbar war für den Senat angesichts der Auflistung der Kennzeichen der von der Verfügung betroffenen Fahrzeuge im Bescheid der Verkehrsbehörde bereits der Einwand der Beschwerde, die Anordnung verstoße gegen den Bestimmtheitsgrundsatz, da die Kennzeichen des gesamten Fahrzeugparks nicht benannt seien.
Verkehrsverstöße allesamt erheblich
Zu Recht hat das VG die Erheblichkeit aller im Bescheid angeführten Verkehrsverstöße daraus hergeleitet, dass sie nach dem Punktsystem des § 4 Straßenverkehrsgesetz (StVG) i. V. m. Anlage 13 zu § 40 Fahrerlaubnisverordnung (FeV) mit zumindest einem Punkt zu bewerten waren.
Hinsichtlich aller Verkehrsverstöße konnte der verantwortliche Fahrer mangels Mitwirkung der Firmeninhaberin nicht ermittelt werden. Die ihr übermittelten Anfragen betreffend den verantwortlichen Fahrzeugführer blieben unbeantwortet und anschließende Ermittlungen der Polizeiinspektion ohne Ergebnis.
Der diesbezügliche Einwand der Inhaberin, spätestens seit Dezember 2021 seien sämtliche Anfragen beantwortet worden, ist anhand der Verwaltungsakte und der ihrerseits in erster Instanz vorgelegten Unterlagen nicht zu verifizieren.
Vielmehr wurden nachweislich die Anfragen vom 04.01.2022 bzw. wiederholend vom 24.01.2022 ebenso wenig beantwortet wie die Anfragen vom 02.02.2022 bzw. wiederholend vom 23.02.2022 betreffend den für den Geschwindigkeitsverstoß vom 26.12.2021 verantwortlichen Fahrer.
Mangelnde Bereitschaft zur Mitwirkung
Die sich jeweils anschließenden Ermittlungsersuchen verliefen ergebnislos. Im Übrigen wurden nach Aktenlage auch die Anfragen vom 13.12.2021 betreffend einen Verkehrsverstoß am 15.11.2021 sowie vom 21.12.2021 betreffend einen Verkehrsverstoß vom 05.10.2021, die beide im Bescheid nicht als Anlasstaten aufgeführt sind, nicht beantwortet.
Dass die Firmeninhaberin auf die Anhörung vom 14.02.2022 zum Erlass der verfahrensgegenständlichen Anordnung den für den dort bezeichneten Verkehrsverstoß vom 16.10.2021 verantwortlichen Fahrer namentlich benannt hat, konnte ihr angesichts der bereits verstrichenen Verfolgungsverjährungsfrist nicht als Mitwirkung an der Sachaufklärung zugutegehalten werden.
(…)
Vorherige Fahrtenbuchauflagen wirkungslos
Der Einwand, die Verkehrsbehörde sei, wenn sie eine Fahrtenbuchauflage auf mehrere Fahrzeuge eines Halters erstrecken wolle, nach der Rechtsprechung gehalten, zu ermitteln, ob die anderen Fahrzeuge einem wechselnden Benutzerkreis mit der Folge zur Verfügung stünden, dass bei einem Verkehrsverstoß mit der Nichtfeststellbarkeit des Fahrers zu rechnen sei – und dies sei vorliegend nicht geschehen –, konnte unter den fallrelevanten Umständen nicht verfangen.
Die Verkehrsbehörde hat vielmehr ausweislich der Verwaltungsakte Feststellungen zu den dem Fuhrpark zugehörigen Fahrzeugen getroffen und in den Gründen des Bescheids unter Anführung einer Liste unaufgeklärt gebliebener Geschwindigkeitsüberschreitungen darauf abgestellt, dass bisher bereits hinsichtlich einzelner Fahrzeuge Fahrtenbuchauflagen ergangen seien, diese aber nicht bewirkt hätten, dass die Inhaberin intern sicherstellt, dass Verstöße den verantwortlichen Fahrern zugeordnet werden können.
Erwartbare Zuwiderhandlungen mit anderen Fahrzeugen
Sei der Adressat einer Fahrtenbuchauflage gleichzeitig Halter mehrerer Fahrzeuge, so dürften diese in die Anordnung einbezogen werden, wenn aufgrund der Nutzungsgepflogenheiten des Fahrzeughalters auch mit anderen Fahrzeugen einschlägige Zuwiderhandlungen naheliegend und zu erwarten seien. Diese Erwägungen tragen die getroffene Erstreckung der Fahrtenbuchauflage auf alle Firmenfahrzeuge.
Dass sie hinsichtlich keiner der der Anordnung zugrunde gelegten Geschwindigkeitsüberschreitungen, ungeachtet der sehr deutlichen Fotos, die Fahrer bzw. die als Fahrer jedenfalls in Betracht kommenden Mitarbeiter namentlich benannt hat, lässt erkennen, dass für die mangelnde Mitwirkung nicht ein wechselnder Benutzerkreis und eine daraus ggf. resultierende Schwierigkeit, denjenigen, der das Fahrzeug zum Tatzeitpunkt geführt hat, zu ermitteln, ausschlaggebend waren, sondern allein ihre bereits im Grundsatz fehlende Bereitschaft, ihrer Obliegenheit nachzukommen, an der Aufklärung der mit ihren Fahrzeugen begangenen Verkehrsverstöße so weit mitzuwirken, wie ihr das möglich und zumutbar ist.
(…)
Oberverwaltungsgericht des Saarlandes, Beschl. v. 19.04.2023 – 1 B 25/23
Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der Fundstelle Baden-Württemberg 20/2023, Rn. 251.