Bei Straßenblockaden durch Klimaaktivisten[1], bei denen sich diese mit ihren Händen an der Fahrbahn festkleben, werden immer wieder Feuerwehren hinzugezogen, wenn die technischen Möglichkeiten der Polizei zur Ablösung der Hände der Personen von der Fahrbahn nicht ausreichen.[2] In diesen Fällen stellt sich die Frage, auf welcher Rechtsgrundlage die Feuerwehren tätig werden. In Betracht kommt die Wahrnehmung einer eigenen Aufgabe nach dem Feuerwehrgesetz, eine behördeninterne Hilfeleistung für die Gemeinde als Ortspolizeibehörde oder eine Amtshilfeleistung für den Polizeivollzugsdienst.[3] Der Verfasser prüft diese rechtlichen Möglichkeiten nachfolgend und legt der Prüfung das Rundschreiben des Ministeriums des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen Baden-Württemberg vom 19.10.2023[4] zugrunde, an welchem er beratend mitwirken konnte.
I. Feuerwehrgesetz (FwG)
Eine Pflichtaufgabe nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 Feuerwehrgesetz Baden-Württemberg (FwG) kommt hier nicht in Betracht, weil die von der Feuerwehr geleistete technische Hilfe nicht der Rettung von Menschen aus lebensbedrohlichen Lagen dient.
Das Vorliegen einer Kann-Aufgabe der Feuerwehr nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FwG setzt voraus, dass eine andere Notlage für Menschen, Tiere oder Schiffe besteht, bei der für die Abwehr der jeweiligen Gefahr die speziellen Geräte und Fähigkeiten der Feuerwehr erforderlich sind, und die Aufgabe der Feuerwehr durch Einzelanordnung, durch generelle Anordnung oder durch die Feuerwehrsatzung übertragen wurde.[5]
FwG regelmäßig keine Rechtsgrundlage
Für die Klimaaktivisten selbst besteht keine Notlage[6], da diese sich selbst und freiwillig in diese Situation begeben haben und die Blockade durch Festkleben an der Fahrbahn bewusstes Ziel der Aktion ist. Eine Notlage für Menschen könnte allenfalls dann bejaht werden, wenn die Sicherheit des Straßenverkehrs (wie z. B. bei einer Ölspur) oder die Erreichbarkeit von Anwohnern mit Rettungsfahrzeugen (wie z. B. bei der Blockade der einzigen Zufahrtsmöglichkeit durch einen umgestürzten Baum) gefährdet wäre und sich die Gefahr nicht anderweitig beseitigen ließe.[7]
Dies ist in aller Regel bei den Aktionen der Klimaaktivisten nicht der Fall. Die Blockade einer Straße gefährdet nicht den Straßenverkehr, sondern hält diesen nur auf. Betroffen sind üblicherweise Hauptstraßen, sodass eine Erreichbarkeit von Anwohnern für Rettungsfahrzeuge entweder über Nebenstrecken oder durch von den Aktivisten selbst geschaffene „Rettungsgassen“ in aller Regel möglich ist. Das Feuerwehrgesetz kann daher regelmäßig nicht als Rechtsgrundlage herangezogen werden.
Anwendung unmittelbaren Zwangs
Für den gleichwohl nicht auszuschließenden Ausnahmefall, bspw. die Nichterreichbarkeit von erkrankten und damit gefährdeten Anwohnern, stellt sich eine weitere rechtliche Problematik, da allein durch das Lösen der Hände von der Fahrbahn dieselbe noch nicht frei ist. Die so auf der Fahrbahn fixierten Demonstranten müssten ggf. noch von der Fahrbahn entfernt werden, was notgedrungen die Anwendung von Gewalt gegen Personen, also unmittelbaren Zwang voraussetzt.[8]
Die Anwendung von unmittelbarem Zwang durch die Feuerwehr nach § 19 Abs. 1 Nr. 3 Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz Baden-Württemberg (LVwVG) i. V. m. § 30 Abs. 3 FWG ist nur als letztes Mittel denkbar, sofern die Hilfe des Polizeivollzugsdiensts nicht oder nicht rechtzeitig erreichbar ist.[9] Diese Fallkonstellation sollte aber nach Möglichkeit vermieden werden, da die Angehörigen der Feuerwehr zur Anwendung von unmittelbarem Zwang nicht ausgebildet sind.[10]
II. Tätigkeit für die Ortspolizeibehörde
Würde die Feuerwehr in diesen Fällen im Auftrag der Ortspolizeibehörde tätig, so wäre diese Tätigkeit als behördeninterne Hilfeleistung für die Gemeinde zu qualifizieren, da die Feuerwehr eine unselbstständige Dienststelle der Gemeinde ohne eigene Rechtspersönlichkeit bildet.[11] Dann müsste es sich aber bei der Entfernung von Klimaaktivisten um eine Aufgabe der Ortspolizeibehörde handeln, bspw. vergleichbar der Vermisstensuche.[12]
Nach § 105 Abs. 1, § 111 Abs. 2 Polizeigesetz Baden-Württemberg (PolG) ist die Ortspolizeibehörde für die Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben zuständig, soweit nichts anderes bestimmt ist. Im Zusammenhang mit Straßenblockaden kommen bspw. Maßnahmen wie Platzverweise[13] in Betracht. Für deren Vollzug, nämlich das Entfernen der Blockierer von der Straße durch unmittelbaren Zwang nach § 65 PolG („Wegtragen“), ist dagegen ausschließlich der Polizeivollzugsdienst als Vollstreckungsbehörde zuständig.[14]
Sofern sich dieser zum Ablösen der Hände der Hilfe der Feuerwehr bedient, handelt es sich eben um eine Hilfestellung im Rahmen der Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes.[15] Eine behördeninterne Hilfeleistung für die Ortspolizeibehörde liegt somit nicht vor.
III. Amtshilfe für den Polizeivollzugsdienst
(…)
Den vollständigen Beitrag lesen in den Verwaltungsblättern für Baden-Württemberg 8/2024, 323 f.
[1] Dabei handelt es sich um Angehörige der sich selbst als „Letzte Generation“ bezeichnenden Klimaaktivisten, die auch als „Klimakleber“ bezeichnet werden. Dieser von der „Bild“-Zeitung erfundene Begriff ist nicht unproblematisch. Vgl. hierzu u. a. Süddeutsche Zeitung und Stuttgarter Nachrichten. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Manuskriptes dieses Beitrages erklärte die Klimagruppe, künftig auf derartige Aktionen zu verzichten. Die hier untersuchte rechtliche Problematik kann sich aber auch bei vergleichbaren Störungen stellen. Vgl. zum Verein „Letzte Generation“ auch Albrecht/Roggenkamp/Ullrich, VereinsG, 2. Aufl. 2024, Einleitung Rn. 32 ff.
[2] So bspw. in Heidelberg und Ludwigsburg.
[3] Nach Auffassung des Verfassers liegt kein Fall des § 9 PolG (Maßnahmen gegenüber unbeteiligten Personen) vor, da damit nicht die Zwangsverpflichtung eines Hoheitsträgers durch einen anderen Hoheitsträger erfasst wird.
[4] Das Rundschreiben mit dem Az. IM6-1523-14/1/4 wurde federführend von der Abt. 6 – Bevölkerungsschutz, Krisenmanagement, Verfassungsschutz – des Ministeriums in Abstimmung mit dem Landespolizeipräsidium erstellt.
[5] Vgl. Ernst, Feuerwehrgesetz für Baden-Württemberg, 9. Aufl. 2018, § 2 Rn. 29.
[6] Das könnte allerdings der Fall sein, soweit Aktivisten unter Verätzungen litten und Rettungsdienste bspw. nach § 11 Rettungsdienstgesetz Baden-Württemberg (RDG) der technischen Hilfe der Feuerwehr bedürften. Dieser Fall wäre nach Auffassung des Verfassers der Kategorie III. dieses Beitrages vergleichbar.
[7] Vgl. Ernst (Fn. 5), § 2 Rn. 27 und 33.
[8] Zum Begriff des unmittelbaren Zwangs vgl. § 26 Abs. 1 Satz 1 LVwVG und § 64 Abs. 1 PolG. Vgl. hierzu u. a. Sander, in: Belz/Mussmann/Kahlert/Sander, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 9. Aufl. 2022, § 64 Rn. 1 ff. Zu vergleichbaren Konstellationen bei Einsätzen der Feuerwehr vgl. Ernst (Fn. 5), § 30 Rn. 16.
[9] Ernst (Fn. 5), § 30 Rn. 16 und 23 m. w. N.
[10] Ernst (Fn. 5), § 30 Rn. 16 m. w. N.
[11] § 1 Abs. 1 Satz 1 FwG. Vgl. Ernst (Fn. 5), § 1 Rn. 6 m. w. N. und § 2 Rn. 45. Vgl. auch § 1 Abs. 2 LVwVfG zum Behördenbegriff; hierzu Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 24. Auflage 2023, § 1 Rn. 51 a.
[12] Vgl. hierzu Ernst (Fn. 5), § 2 Rn. 45 m. w. N.
[13] § 30 Abs. 1 PolG. Die Zuständigkeit der Ortspolizeibehörden ergibt sich aus § 105 Abs. PolG. Vgl. hierzu Sander (Fn. 8), § 105 Rn. 20. Für die Ausführung des Versammlungsgesetzes in diesen Fällen ergibt sich die Zuständigkeit aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung des Innenministeriums über die Zuständigkeit nach dem Versammlungsgesetz (VersGZuV), wonach die Landratsämter und Großen Kreisstädte als Kreispolizeibehörden nach § 107 Abs. 3 PolG auch untere Versammlungsbehörden sind. Vgl. hierzu u. a. Krämer, VBlBW 2023, 388, 393.
[14] Vgl. zu dieser „Exklusivzuständigkeit“ des Polizeivollzugsdienstes u. a. Sander (Fn. 8), § 65 Rn. 1 f. Ob sich die Ortspolizeibehörden in diesen Fällen, soweit bestellt, der Mitarbeiter des gemeindlichen Vollzugsdienstes nach § 125 PolG i. V. m. § 31 Abs. 2 DVO PolG bedienen können, ist nicht Gegenstand dieses Beitrages.
[15] Vgl. hierzu die nachfolgenden Ausführungen unter III.