Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hatte über die Verhältnismäßigkeit einer durch die Waffenbehörde erlassenen Verfügung der sofortigen Sicherstellung der waffenrechtlichen Erlaubnisse, Waffen und der Munition eines der Reichsbürgerszene angehörenden Mannes zu entscheiden.
Die Waffenbehörde begehrte beim Verwaltungsgericht (VG) den Erlass einer Durchsuchungsanordnung nach § 46 Abs. 4 Satz 2 Waffengesetz (WaffG) zur Vollstreckung der in der einem Waffenbesitzer und Waffenhändler noch nicht bekannt gegebenen Verfügung vom 12.01.2024 auf der Grundlage von § 46 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 WaffG angeordneten sofortigen Sicherstellung der waffenrechtlichen Erlaubnisse, der auf der Waffenbesitzkarte und der Waffenhandels- und Waffenherstellungserlaubnis bezeichneten Waffen und dazugehörigen Munition sowie sonstiger vorhandener Waffen.
In der Verfügung hatte die Behörde zudem, gestützt auf § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG, den Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse erklärt und ein Besitzverbot nach § 41 Abs. 1 und Abs. 2 angeordnet, das für sofort vollziehbar erklärt wurde. Diesen Verfügungen liegt die Annahme der Behörde zugrunde, dass sich der Waffenbesitzer und Waffenhändler als waffenrechtlich unzuverlässig erweise. Dies folge im Wesentlichen aus seiner Zugehörigkeit zur Reichsbürgerszene, seinen mehrfachen Verstößen gegen das WaffG und dem Besitz von vier nicht registrierten Waffen.
Das VG hatte den Antrag auf Erlass der Durchsuchungsanordnung mit Beschluss vom 29.01.2024 abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, zwar habe die Waffenbehörde die sofortige Sicherstellungsverfügung in jedenfalls nicht offensichtlich rechtwidriger Weise auf eine Unzuverlässigkeit des Waffenbesitzers und Waffenhändlers gestützt, es würden jedoch keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Begründung einer besonderen Gefahrenlage vorliegen, der nur durch das mit einer Durchsuchungsanordnung verbundene verkürzte Sicherstellungsverfahren nach § 46 Abs. 4 WaffG hinreichend begegnet werden könne.
Dringlichkeitsmaßnahmen aufgrund besonderer Gefahrenlage
Fehle es an einer besonderen Gefahrenlage, erwiesen sich die Dringlichkeitsmaßnahmen nach § 46 Abs. 4 Satz 1 und 2 WaffG insbesondere gegenüber einem Vorgehen nach § 46 Abs. 3WaffG als nicht geboten und daher unverhältnismäßig. Die Waffenbehörde hatte am 13.02.2024 beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH) Beschwerde gegen den ihr am 31.01.2024 zugestellten VG-Beschluss eingelegt. Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde war ganz überwiegend begründet.
Der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist eröffnet – es handelt sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art. Die auf der Grundlage des WaffG beantragte Durchsuchungsanordnung ist eine vorbeugende Maßnahme der Gefahrenabwehr und hoheitliche Tätigkeit.
Eine Sonderzuweisung nach § 40 Abs. 1 Satz 2 VwGO i. V. m. § 36 Abs. 5 Polizeigesetz (PolG) liegt nicht vor, weil es sich hier nicht um eine Durchsuchung nach § 36 Abs. 2 PolG, sondern um eine solche nach § 46 Abs. 4 WaffG handelt. Dass der Landesgesetzgeber in § 36 Abs. 5 PolG den Rechtsweg für jegliche gefahrenabwehrrechtliche Durchsuchungsanordnung regeln wollte, lässt sich dem Gesetz zudem nicht entnehmen.
Zudem setzt § 40 Abs. 1 Satz 2 VwGO eine Streitigkeit auf dem Gebiet des Landesrechts voraus und daran anknüpfend ein Landesgesetz, das die Sonderzuweisung an ein anderes Gericht anordnet. Die waffenrechtliche Durchsuchungsanordnung ist jedoch bundesrechtlich abschließend in § 46 Abs. 4 WaffG geregelt.
Rechtsgrundlage für Durchsuchungsanordnung
Rechtsgrundlage für den Erlass der Durchsuchungsanordnung ist § 46 Abs. 4 Satz 2 i. V. m. Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2WaffG. Gem. § 46 Abs. 4 Satz 1WaffG kann die zuständige Behörde Erlaubnisurkunden sowie die in den § 46 Abs. 2 und 3 WaffG bezeichneten Waffen oder Munition, darunter Waffen oder Munition, die aufgrund einer widerrufenen Erlaubnis erworben oder besessen wurden, sofort sicherstellen, wenn ein vollziehbares Verbot nach § 41 Abs. 1 oder 2WaffG vorliegt oder soweit Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Waffen oder Munition missbräuchlich verwendet oder von einem Nichtberechtigten erworben werden sollen.
Zu diesem Zweck sind die Beauftragten der zuständigen Behörde berechtigt, die Wohnung des Betroffenen zu betreten und diese nach Urkunden, Waffen oder Munition zu durchsuchen, wobei die Durchsuchung grundsätzlich nur durch den Richter angeordnet werden darf. Die Voraussetzungen für den Erlass einer solchen Durchsuchungsanordnung waren hier erfüllt.
Die Waffenbehörde hat in der waffenrechtlichen Verfügung vom 12.01.2024 die Sicherstellung der waffenrechtlichen Erlaubnisse, der auf der Waffenbesitzkarte und auf der Waffenhandels- und -herstellungserlaubnis bezeichneten Waffen und der dazugehörigen Munition sowie der von der Anzeigebescheinigung vom 18.01.2022 umfassten Magazine und Magazingehäuse angeordnet.
Diese Anordnung wird gem. § 43 Abs. 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz (LVwVfG) mit der Bekanntgabe an den Waffenbesitzer und Waffenhändler, die der Durchsuchung vorausgehen muss, wirksam und ist kraft Gesetzes sofort vollziehbar. Damit darf er auch sonst keine Waffen und Munition mehr besitzen.
Sicherstellungsverfügung voraussichtlich rechtmäßig
Die auf § 46 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 Alt. 1 WaffG gestützte Sicherstellungsverfügung der Waffenbehörde ist auch nicht offenkundig rechtswidrig. Vielmehr erweist sie sich nach Aktenlage als voraussichtlich rechtmäßig. Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine sofortige Sicherstellung liegen vor.
Mit sofort vollziehbaren Verfügungen hat die Behörde die waffenrechtlichen Erlaubnisse nach § 45 Abs. 2 WaffG widerrufen und ihm unter Anordnung der sofortigen Vollziehung den Besitz von erlaubnisfreien sowie erlaubnispflichtigen Waffen und Munition untersagt. Ferner rechtfertigen die Umstände, auf die der Widerruf der Erlaubnisse sowie das Waffenbesitzverbot gestützt sind, auch die Annahme, dass die Waffen oder Munition missbräuchlich verwendet werden sollen.
Unter einer „missbräuchlichen Verwendung“ ist i. R. d. § 46 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG ebenso wie bei § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) WaffG jedenfalls jedes Gebrauchmachen zu verstehen, das von der Rechtsordnung nicht gedeckt ist.
Insoweit entspricht es der gefestigten Rechtsprechung des VGH, dass an den zugrunde zu legenden Grad der Wahrscheinlichkeit, ob ein befürchteter Schaden eintreten wird, keine hohen Anforderungen zu stellen sind, weil der von einer missbräuchlichen Schusswaffenverwendung drohende Schaden erfahrungsgemäß sehr groß und folgenschwer sein kann.
(…)
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschl. v. 22.02.2024 – 6 S 221/24
Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der Fundstelle Baden-Württemberg 15/2024, Rn. 181.