Grundlagen Rechtliches

Heimliche Videoaufnahmen durch Privatdetektei

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Ein landeseigenes Wohnungsunternehmen vermutete schon längere Zeit, dass die Mieter zweier Wohnungen unerlaubt untervermieteten, und griff zu einer ungewöhnlicheren Methode, um ihren Verdacht zu bestätigen: Es beauftragte eine Privatdetektei, die heimlich Videoaufzeichnungen im Treppenhaus vor den betroffenen Wohnungen machte. Ob diese Aufnahmen auch im Prozess verwertet werden durften? Darüber entschied der Bundesgerichtshof (BGH) im folgenden Urteil.

Verdacht auf unerlaubte Untervermietung

Ein landeseigenes Wohnungsunternehmen vermietete zwei Wohnungen in Berlin an eine Frau und ihre beiden Söhne. Ein Sohn bewohnte seit Februar 2007 eine Vierzimmerwohnung, während der andere Sohn seit Februar 2008 in einer Fünfzimmerwohnung im Nachbarhaus lebte. Nach mehreren Hinweisen auf eine unerlaubte Untervermietung der beiden Wohnungen mahnte das Wohnungsunternehmen die Mieter im Januar 2017 ab.

Im September 2017 wurde die Vermieterin über einen Polizeieinsatz in der Fünfzimmerwohnung informiert, bei dem es um Streitigkeiten zwischen der Frau, ihrem Sohn und zwei Untermietern ging. Daraufhin mahnte das Wohnungsunternehmen die Mieter erneut wegen unerlaubter Untervermietung der beiden Wohnungen ab.

Zudem besichtigte die Hausverwaltung beide Wohnungen und kam zu dem Schluss, dass die Mieter mehrere Zimmer offensichtlich untervermietet hatten.

Videoaufzeichnungen im Treppenhaus

Um die Untervermietung beweisen zu können, beauftragte die Wohnungsgesellschaft eine Privatdetektei, die im November 2017 im Treppenhaus vor den jeweiligen Wohnungen mit versteckten Videogeräten Aufnahmen machte. Die Videoaufzeichnungen erfassten nicht nur das Treppenhaus, sondern auch den Eingangsbereich der Wohnungen bei geöffneter Wohnungstür.

Die Detektei erstellte anhand der gespeicherten Aufnahmen ein Protokoll, wann welche Personen die Wohnungen betreten und verlassen hatten. Aus dem Protokoll ging hervor, dass die Wohnung im erfassten Zeitraum sechs Männern und einer Frau überlassen worden war, die die Wohnungen mit ihren eigenen Schlüsseln betreten und verlassen hatten.

Außerordentliche Kündigung

Im Januar 2018 kündigte das Wohnungsunternehmen die Mietverträge für beide Wohnungen und begründete die außerordentliche Kündigung mit der unerlaubten Untervermietung. Dabei stützte es sich u. a. auf die heimlichen Videoaufnahmen, die die nicht genehmigte Untervermietung belegten.

Die daraufhin von dem Wohnungsunternehmen eingelegten Räumungsklagen waren zunächst erfolgreich. Die von den Mietern erhobene Widerklage auf Schadensersatz wegen unzulässiger Videoaufnahmen wies das Amtsgericht hingegen ab.

Im Berufungsverfahren wurden die Räumungsurteile wieder aufgehoben und die Räumungsklagen abgewiesen, weil die Kündigungen nicht wirksam geworden seien. Die Untervermietung sei von den Mietern substanziiert bestritten worden.

Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

Die von dem Wohnungsunternehmen vorgelegten, verdeckten Videoaufnahmen seien im Prozess nicht verwertbar, weil sie das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mieter verletzten und damit grundrechtswidrig erlangt worden seien.

Die verbliebenen Beweisangebote, wie u. a. die Besichtigung durch die Hausverwaltung, ließen keinen zweifelsfreien Rückschluss auf eine Untervermietung zu. Hinsichtlich möglicher Geldentschädigungsansprüche der Mieter hielt das Berufungsgericht an der Einschätzung des Amtsgerichts fest.

BGH: Videoaufnahmen unverwertbar

Der BGH wies die Revision zurück, weil das Urteil des Landgerichts der revisionsrechtlichen Prüfung standhielt. Die Kündigungen hätten das Mietverhältnis nicht beendet, weil die Erkenntnisse aus den heimlichen Videoaufzeichnungen einem Verwertungsverbot unterlägen.

Die verdeckten Videoaufnahmen verstießen gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen, weil sie in einem nicht-öffentlichen Raum und ohne Einwilligung des Betroffenen gemacht worden seien. Öffentlich zugängliche Räume seien Bereiche, die nach dem erkennbaren Willen des Berechtigten dazu bestimmt sind, von der Allgemeinheit betreten und genutzt zu werden.

Diese Voraussetzung sei für den Wohnungseingangsbereich, der nur bei geöffneter Tür einsehbar gewesen sei, offensichtlich nicht gegeben. Aber auch das vor der Eingangstür aufgenommene Treppenhaus sei nicht öffentlich, weil zu diesem Bereich nur die Bewohner und deren Besucher Zugang hätten.

Interessen der Mieter überwiegen

Ferner führte eine umfassende Abwägung der widerstreitenden Interessen zu dem Ergebnis, dass die Interessen der Mieter überwögen. Durch die Videoaufzeichnungen seien das Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens aus Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) und der Schutz personenbezogener Daten aus Art. 8 GRCh erheblich beeinträchtigt.

Die Aufzeichnungen dokumentierten lückenlos, wann, wie oft und in welcher Begleitung, in welcher Stimmung, mit welchem Gesichtsausdruck und in welcher Bekleidung die Betroffenen die Wohnung jeweils betreten oder verlassen hätten. Die Betroffenen hätten Mangels Kenntnis der Aufnahmen nicht darüber entscheiden können, ob sie diese Informationen aus ihrer Privatsphäre preisgeben wollten.

Die Vermieterin habe die Aufzeichnungen anfertigen lassen, um den Verdacht eines vertragswidrigen Verhaltens der Mieter zu bestätigen. Auch sollten die Aufnahmen dazu dienen, die unerlaubte Untervermietung im Prozess zu beweisen und die Durchsetzung der zivilrechtlichen Ansprüche zu erleichtern.

Demgegenüber wogen die Eingriffe in die Grundrechte der Mieter schwer. Zumal der Vermieterin mildere Mittel zur Erreichung ihrer Ziele zur Verfügung gestanden hätten. So hätte der Verdacht im Wege einer gezielten Scheinanmietung oder durch Befragungen von Nachbarn oder Angestellten bestätigt werden können.

BGH: Keine Entschädigung für Mieter

Hinsichtlich der Geldentschädigung hielt der BGH an der Auffassung des Berufungsgerichts fest. Um einen Anspruch zu begründen, müsse der Eingriff in die Persönlichkeitsrechte schwerwiegend sein und dürfe nicht auf andere befriedigende Weise ausgeglichen werden können. Der BGH bejahte zwar die Schwere des rechtswidrigen Eingriffs, der unantastbare Kernbereich privater Lebensgestaltung sei jedoch nicht beeinträchtigt.

Darüber hinaus wurde den Mietern durch die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Überwachungsmaßnahmen im vorliegenden Verfahren eine gewisse Genugtuung verschafft.

Bundesgerichtshof, Urt. v. 12.03.2024 – VI ZR 1370/20

Entnommen aus dem RdW-Kurzreport 18/2024, Rn. 270.