Der Beitrag beschäftigt sich mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Thema Unfallversicherung und der dabei relevanten rechtlichen Unterscheidung zwischen Betriebs- und Arbeitsstättenweg.
Im Recht der gesetzlichen Unfallfallversicherung wird zwischen Betriebsweg und Arbeitsstättenweg unterschieden. Betriebswege sind Bestandteil der versicherten Tätigkeit nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII).
Definition von Betriebs- bzw. Arbeitsstättenweg
Es handelt sich um Wege, die in Ausübung der versicherten Tätigkeit zurückgelegt werden und die der Betriebsarbeit gleichstehen. Betriebswege werden im unmittelbaren Betriebsinteresse unternommen und erfolgen nicht vor- oder nachgängig zur versicherten Tätigkeit.
Nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII ist eine versicherte Tätigkeit auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Wege, die von dem unmittelbaren Weg zur Arbeitsstätte abweichen, zählen grundsätzlich nur in den in § 8 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 SGB VII normierten Ausnahmefällen zur versicherten Tätigkeit.
Tätigkeit im Homeoffice
Das Bundessozialgericht (BSG) entschied, dass der innerhäusliche Weg zur erstmaligen Tätigkeitsaufnahme im Homeoffice als Betriebsweg unfallversichert ist. Ein Gebietsverkaufsleiter verließ an einem Montag um kurz nach 7 Uhr das Bett und begab sich direkt in sein heimisches Büro, das sich eine Etage unter seinem Schlafzimmer befand. Üblicherweise beginnt er dort unmittelbar zu arbeiten, ohne vorher zu frühstücken.
Beim Beschreiten der die Räume verbindenden Wendeltreppe rutschte er aus und zog sich einen Brustwirbeltrümmerbruch zu. Nach Auffassung des BSG hat der Mann einen Arbeitsunfall erlitten, denn der Weg zur erstmaligen Arbeitsaufnahme war als Betriebsweg versichert. Ein versicherter Wegeunfall gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII lag nicht vor, da dieser ein Durchschreiten der Außentür des Hauses voraussetzte.
Betriebsweg im häuslichen Bereich
Ein Betriebsweg ist auch im häuslichen Bereich möglich, wenn sich Wohnung und Arbeitsstätte in demselben Gebäude befinden. Ob ein Weg als Betriebsweg im unmittelbaren Unternehmensinteresse zurückgelegt wird und damit im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht, bestimmt sich auch im Homeoffice nach der objektivierten Handlungstendenz des Versicherten.
Es kommt also darauf an, ob er bei der zum Unfallereignis führenden Verrichtung eine dem Unternehmen dienende Tätigkeit ausüben wollte und diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird. Hier diente das Beschreiten der Treppe allein der Arbeitsaufnahme im häuslichen Büro. Es war daher als Verrichtung im Interesse des Arbeitgebers und somit als Betriebsweg versichert (BSG, Urt. v. 08.12.2021 – B 2 U 4/21 R).
Postaufgabe der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
Beschäftigte können auch auf dem Weg zum Postbriefkasten, um eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einzuwerfen, dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung unterstehen. Eine erkrankte Frau wollte im Winter 2013 eine Arbeitsunfähigkeitsbeschäftigung an ihren Arbeitgeber versenden. Auf dem Weg zum Briefkasten stürzte sie und verletzte sich. Sie musste ärztlich behandelt werden und bezog später Krankengeld.
Das BSG bejahte einen Arbeitsunfall, denn die Frau wollte mit dem Einwurf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in den Postbriefkasten dem Arbeitgeber eine Information über das voraussichtliche Ende der Arbeitsunfähigkeit zukommen zu lassen. Es gehört zu den Nebenpflichten des Beschäftigten aus seinem Arbeitsverhältnis, den Unternehmen über eine krankheitsbedingte Abwesenheit sowie deren Dauer unverzüglich zu informieren (§ 241 Abs. 2 BGB).
Diese arbeitsvertragliche Mitteilungspflicht ist in § 5 Abs. 1 Satz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG) konkretisiert worden. Danach sind Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen.
Weg zum Briefkasten als Betriebsweg
Dementsprechend befand sich die Frau zum Zeitpunkt des Unfallereignisses auf einem ihrer versicherten Tätigkeit zuzurechnenden Betriebsweg gem. § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII. Dabei kann ein Betriebsweg auch von zu Hause aus angetreten werden, wenn er unmittelbar der Erfüllung einer Haupt- oder Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis dient. So verhielt es sich hier.
Um einen Arbeitsstättenweg i. S. d. Wegeunfallversicherung nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII handelte es sich dagegen nicht. Denn die Frau erfüllte bereits mit dem Gang zum Postbriefkasten eine arbeitsvertragliche (Neben-)Pflicht und befand sich nicht erst in deren Vorbereitung (BSG, Urt. v. 30.05.2023 – B 2 U 1/21 R).
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Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der Fundstelle Baden-Württemberg 24/2024, Rn. 304.