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Aufbau einer Krisenmanagementorganisation – Teil 1

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Der Auftrag, eine Krisenmanagementorganisation aufzubauen, ist schnell erteilt, einen Krisenstab zusammenzustellen auch. Die Auftragsumsetzung fällt jedoch oftmals schwer, Probleme tauchen auf, müssen gelöst werden. Welche Probleme sind das? Wie kann man sie vermeiden? Teil 1 der Reihe zum Aufbau einer Krisenmanagementorganisation widmet sich vor dem Hintergrund dieser Fragen u. a. den gängigen Problemfeldern, den notwendigen Begriffsbestimmungen sowie der Zusammensetzung von Krisenstäben.

Eine Krisenstabsübung zum Einstieg?

In den letzten zwei Jahrzehnten habe ich viele Unternehmen, Hilfsorganisationen und Nichtregierungsorganisation beraten, eine Krisenmanagementorganisation neu aufzubauen oder aber bestehende Krisenmanagementstrukturen weiterzuentwickeln. Im letzteren Fall ergab sich die Zusammenarbeit zumeist aus dem Kundenwunsch, eine Krisenstabsübung durchzuführen. Manchmal war der Krisenstab allerdings in seiner Entwicklung noch nicht so weit.

Gängige Problemfelder

Im Zuge der Beratungsmandate stieß ich immer wieder auf ähnliche Probleme, mit welchen die Kunden konfrontiert waren. Dazu gehörten in der Regel und am häufigsten die Begriffsbestimmungen, die Befugnisse des Krisenstabes, die Zusammensetzung des Krisenstabes, die Vermischung der Notfall- und Krisenebene sowie die Krisendokumentation.

Gängige Fehlerquellen möchte ich kurz beschreiben und mögliche Lösungswege skizzieren. Dabei ist mir klar, dass jede Organisation ihr eigenes Konzept entwickeln und leben muss, was von der Ideallösung anderer Organisationen abweichen kann. Zu empfehlen bleibt, die eigene Architektur des Krisenmanagements gründlich zu durchdenken und mit der gelebten Organisationsphilosophie in Übereinstimmung zu bringen. Krisenberatung ist immer auch Organisationsberatung.

Begriffsbestimmungen – Was ist eigentlich eine Krise?

Oftmals sind die zentralen Begriffe „Vorfall/Ereignis“, „Notfall“ und „Krise“ (englisch: „Incident“, „Emergency“ und „Crisis“) in den erstellten Grundlagendokumenten von Organisationen episch und schwammig beschrieben oder sogar fehlerhaft definiert. In der Folge bleibt unklar, wie sich die Begriffe voneinander unterscheiden sowie ob, wann und wie zugeordnete Prozesse, zumeist schon bei der Alarmierung und Meldung eines Vorfalls, beginnen.

Die bewährte Dreistufigkeit der Begriffsebenen wird bisweilen auch noch zu einem Vier- oder Fünfstufenmodell ausgebaut, was eine Begriffsabgrenzung und Fallzuordnung regelmäßig weiter erschwert und geeignet ist, Unklarheiten zu schaffen. In der Krise, Training oder Übung kommt es dann schnell zu unnötigen Grundsatzdiskussionen unter den Krisenstabsmitgliedern.

Klare Grundbegriffe als Fundament

Klare, eindeutige und zur Organisation passende Grundbegriffe bilden das Fundament auch im Krisenmanagement. Es sollte genau überlegt und geregelt werden, wie diese Begriffe in der betreffenden Organisation verstanden werden. Daher ist man gut beraten, die Begriffsdefinitionen gründlich vor deren Einführung zu überdenken. Als allgemeine Krisenkriterien haben sich bewährt:

  • Die betriebliche Kontinuität ist (stark) beeinträchtigt oder unterbrochen.
  • Der Vorfall ist außer Kontrolle geraten.
  • Es besteht das Potenzial für Reputationsschäden oder diese sind bereits eingetreten.
  • Das Ereignis kann nicht mit der gegebenen Sicherheits- und Notfallorganisation bewältigt werden.

Für das Vorliegen einer Krise genügt der Eintritt eines der Kriterien. Für manche Organisationen hat es Sinn, weitere Kriterien festzulegen, beispielsweise das finanzielle Schadensausmaß. Von der Einführung zu vieler Kriterien bleibt allerdings abzuraten.

Befugnisse des Krisenstabes

Wie weit reicht das Mandat des Krisenstabes? Was darf er entscheiden? Mit der Krisenmanagementorganisation und dem Krisenstab als Teil davon entsteht im Unternehmen eine besondere Aufbauorganisation (BOA). Nicht selten bleiben die Befugnisse des Krisenstabes aber unklar und sind schriftlich nicht dokumentiert. Ebenso wie das Verhältnis der Krisenstabsleitung zur Geschäftsführung oder die Frage, wie im Krisenstab Entscheidungen zustande kommen.

Aufgrund der rechtlichen Tragweite im Innenverhältnis der Organisation sollten das Mandat von Krisenstab, Krisenstabsleiter und das Verhältnis zur Entscheidungsebene in einem Grundlagendokument, beispielsweise einem Krisenhandbuch, geregelt sein.

Das Handbuch sollte mit der Entscheidungsebene (in Unternehmen ist dies im Regelfalle die Geschäftsführung) abgestimmt sein und von dieser unterschrieben werden. Denn im Grunde findet mit dem Greifen der BOA im Krisenmodus eine Pflichtenübertragung der Geschäftsführung an den Krisenstab und/oder Krisenstabsleiter statt.

Zusammensetzung des Krisenstabes

Gerade beim Aufbau eines Krisenstabes fragen sich viele Verantwortliche, welche Funktionen eigentlich im Kernstab oder erweiterten Krisenstab vertreten sein sollten. Manche Verantwortliche kennen den Unterschied zwischen Kernkrisenstab und erweitertem Krisenstab auch nicht, womit die Abgrenzungen verschwimmen. Das führt nicht selten zu übervölkerten Krisenstäben oder der Anwesenheit von Funktionen, deren Fachexpertise in vielen Szenarien nicht gefragt ist.

Im Kernkrisenstab sollten nur Funktionen sitzen, welche in tatsächlich jedem Szenario benötigt werden. Dessen Umfang und Zusammensetzung leitet sich logisch aus der Liste aller möglichen Szenarien und dem Organigramm der entsprechenden Organisation ab. Für die meisten Organisationen haben sich als Kernstabsfunktionen „Krisenstabsleiter“, „Assistenten“, „Sicherheit“, „Kommunikation“, „Personal“ und „Recht“ als minimaler Grundkanon bewährt.

Je nach Organisation sind auch andere Zusammensetzungen denkbar und sinnvoll. Im erweiterten Krisenstab können ständig oder zeitlich begrenzt alle anderen Funktionen hinzugezogen werden, welche den Krisenstab in seiner Arbeit voranbringen können.

Zwischenfazit

Der Mathematiker und Philosoph Gottfried Wilhelm Leibniz sagte einst „Klarheit in den Worten, Brauchbarkeit in den Sachen.“ Damit verdeutlichte er die Wichtigkeit von klaren Begrifflichkeiten und den Zusammenhang zwischen Begriffsbestimmungen, Theorie und praktischer Anwendung. Dieser Zusammenhang gilt ganz besonders auch bei der Einführung einer Krisenmanagementorganisation. Das theoretische Gerüst, damit die „Sachen“ praktisch brauchbar werden, sollte effektiv in einem Workshop gelegt werden.

Der Teil 2 dieser Reihe wird sich u. a. mit dem klassischen Problem der Vermischung zwischen Notfall- und Krisenebene und der Dokumentation befassen.

Autor

Marc Brandner ist Krisenberater, Geschäftsführer, Inhaber der Compositas GmbH und ehemaliger Offizier der Bundeswehr im Kommando Spezialkräfte (KSK). Seit über zwei Jahrzehnten berät er weltweit Kunden zum Risiko-, Sicherheits- und Krisenmanagement und führt regelmäßig Krisenstabstrainings und -übungen durch.