Gefahrenabwehr Sicherheitskonzepte

Problemstellungen des angewandten Krisenmanagements

© fotomek - Fotolia.com

Vorangegangene Beiträge hatten sich den Herausforderungen beim Aufbau einer Krisenmanagementorganisation gewidmet. Gängige Problemfelder sind dabei die passenden Begriffsbestimmungen, die Zusammensetzung von Krisenstäben, deren rechtliches Mandat, die Vermischung von Notfall- und Krisenebene sowie die Krisendokumentation. Heute soll ein Blick in die Praxis geworfen werden. Welche Probleme können im angewandten Krisenmanagement auftreten?

Im angelsächsischen Raum ist das Krisenmanagement seit Jahrzehnten insbesondere bei Firmen fest verankert und wird von der jeweiligen Unternehmensführung maßgeblich unterstützt. Neben grundsätzlichen Erwägungen des Risikomanagements und des betrieblichen Kontinuitätsmanagements spielen dabei ganz besonders juristische Überlegungen, nicht zuletzt des Arbeitsrechts (Fürsorgepflicht des Arbeitgebers etc.), eine Rolle.

Der Teufel steckt im Detail

Infolge zunehmender internationaler Verflechtungen und der Übernahme angelsächsischer Rechtsstandards im Unternehmensbereich gewinnt ein effektives und rechtlich belastbares Krisenmanagement auch in Deutschland mit seiner großen Anzahl global operierender Unternehmen aller Größenordnungen immer mehr an Bedeutung.

Wie der Autor in der Praxis bei akuten Krisenreaktionsmandaten, aber auch Schulungen von Krisenstäben regelmäßig erleben darf, steckt der Teufel beim angewandten Krisenmanagement im Detail. Es folgen drei Beispiele zu gängigen Problemstellungen im Krisenstabsbetrieb.

Fehlende Grundlagen und Prozesse

In einem Produktschutzfall fand sich der Autor im Rahmen einer Konferenzschaltung einmal unversehens in einem virtuellen Krisenstab wieder. Dieser war u. a. dadurch gekennzeichnet, dass der Krisenstabsleiter, der gleichzeitig der Inhaber der betroffenen Unternehmensgruppe war, zu keinem Zeitpunkt wusste, wer sich überhaupt in der Leitung befand. Auch die Funktionen, Aufgaben und Rollen der einzelnen Krisenstabsmitglieder blieben völlig unklar.

Der Leser ahnt, dass eine zielführende Krisenbewältigung daher schon in der ersten Phase, der Lagefeststellung und -beurteilung, scheiterte – dies insbesondere, weil die notwendigen strukturellen Grundlagen der Krisenstabsarbeit weder gelegt noch eingeübt waren. Verschärft wurde diese gefährliche Gemengelage durch einen nicht durchdachten und hektischen Aktionismus. Fehlende Grundlagen, Prozesse und der Mangel an Übungserfahrung wurden hier zum Bumerang.

Führungskräfte im Krisenstab

Mitunter gibt es auch Führungskräfte, die ungern Entschlüsse fassen oder keine klaren Aufträge erteilen können oder wollen. Im zumeist zeitkritischen Krisenmanagement sind die negativen Auswirkungen eines derartigen Führungsverhaltens leider sofort greifbar und können schnell zur Zuspitzung einer Krise führen.

Der Autor erlebte mehr als einmal analysestarke und auch im besten Sinne diskussionsfreudige Krisenstäbe. Immer dann aber, wenn die Frage im Raum stand, wer nun welche Maßnahmen konkret umsetzen sollte, bewegte sich der Krisenstab wieder zurück zur Lagebeurteilung.

So wurde kostbare Zeit durch eine unnötig wiederkehrende Analysespirale verschenkt, die ihre Ursache u. a. in einer mangelhaft ausgeprägten Entscheidungsfreude und Entschlossenheit hatte. Krisenstabsarbeit stellt besondere Anforderungen an Führungskräfte. Führungskräfte in Krisenstäben sollten daher gezielt ausgewählt und in ihren Führungskompetenzen weiterentwickelt werden.

Unterstützungselemente für den Krisenstab

Gerade die ersten Phasen einer Krise sind für Krisenstäbe häufig körperlich und seelisch sehr kräftezehrend. Eine unzureichende Krisenstabslogistik kann diese Belastungen noch unnötig verschärfen. Eines Tages wurde der Autor in eine komplexe Entführungslage gerufen, welche bislang bereits acht Tage angedauert hatte.

Die Anstrengungen und Entbehrungen der letzten Woche stand den Krisenstabsmitgliedern ins Gesicht und ihre roten Augen geschrieben. Schlafentzug und Mangelernährung (im Krisenstabsraum wurde bislang von einigen Nüssen und ein wenig Obst gelebt, eine organisierte Verpflegung der Stabsmitglieder gab es nicht) waren aber zu einem großen Teil selbst verschuldet. Denn der Krisenstab verfügte über keinerlei Assistenzkräfte, welche sich z. B. um regelmäßigen Nachschub an Verpflegung gekümmert hätten.

Auch gab es niemanden, der ein zentrales Protokoll geführt hätte. Alle Kernfunktionen führten ein eigenes, sehr ausführliches und mithin redundantes Krisentagebuch. Zum Schlafen blieb daher nicht mehr viel Zeit.

Fazit

Erfahrungsgemäß schwimmen diejenigen Krisenstäbe in einer akuten Krise auf, welche auf unklaren Strukturen fußen. Dazu gehören insbesondere unklare Rollen, Abläufe und Befugnisse. Z. T. sind Positionen auch gar nicht oder personell ungünstig besetzt. Beides schadet der Krisenstabsarbeit enorm. Jegliche Defizite in der Krisenstabsarbeit können dazu führen, dass sich die Krise verschärft bzw. nicht im Unternehmenssinne gelöst werden kann; dies mit allen juristischen, finanziellen und betrieblichen Folgen.

Neben dem notwendigen theoretischen Fundament der Krisenmanagementorganisation bleibt daher anzuraten, Krisen- und Notfallstäbe, aber auch bestimmte Unterstützungselemente regelmäßig praktisch zu beüben. Krisenstabsübungen sollten dabei auf den jeweiligen Entwicklungsstand des jeweiligen Krisenstabs zugeschnitten sein. Solche Krisenstabsübungen werden vom Autor egelmäßig durchgeführt.

Mehr zum Thema

Aufbau einer Krisenmanagementorganisation – Teil 1

Aufbau einer Krisenmanagementorganisation – Teil 2