Grundlagen Rechtliches

Missbrauch von Cannabis im Straßenverkehr

© Parilov – stock.adobe.com

Der Beitrag beleuchtet die im Jahr 2024 erfolgten Änderungen betreffend die Konsequenzen der Neuregelungen von Cannabismissbrauch im Straßenverkehr – ein Thema, mit dem sich auch der Verkehrsgerichtstag 2025 beschäftigt. Insbesondere geht es um Auswirkungen betreffend das Ordnungswidrigkeiten- und das Fahrerlaubnisrecht.

Ordnungswidrigkeitenrecht

§ 24a Abs. 1a ff. Straßenverkehrsgesetz (StVG) regeln die Teilnahme am Straßenverkehr unter Drogeneinfluss, soweit es um eine Ordnungswidrigkeit geht. Die Vorschrift sanktioniert Drogenfahrten im öffentlichen Straßenverkehr mit einem Kraftfahrzeug im Zustand der Fahruntüchtigkeit unterhalb der Strafbarkeitsgrenze des § 316 Strafgesetzbuch (StGB).

Rechtsänderung

Mit Wirkung zum 28.08.2024 wurde die Vorschrift geändert. Die Änderung bewirkt eine Hinausnahme des Wirkstoffes Tetrahydrocannabinol (THC) aus der Anlage zu § 24a StVG (und damit aus der Rauschfahrt nach Abs. 2), stattdessen erfolgt eine Sonderregelung in einem neuen Abs. 1a, wonach das Führen eines Kraftfahrzeuges mit zumindest 3,5 ng/ml THC im Blutserum bußgeldbewehrt wird.

In einem neuen Abs. 2a wird der Konsum alkoholischer Getränke oder der Fahrtantritt unter der Wirkung eines alkoholischen Getränkes im Fall der Überschreitung des THC-Grenzwertes gesondert bußgeldbewehrt, für einen solchen Täter wird die Bußgelddrohung auf bis zu 5 000 €angehoben. Keine Anwendung findet der neue Abs. 2a jedoch auf Medizinalcannabispatienten (neuer Abs. 4).

Voraussetzungen für die Ahndung nach neuem Recht

Der Grenzwert von 3,5 ng/ml Blutserum ist Tatbestandsmerkmal. Sanktionslos bleibt die Drogenfahrt, wenn die im Blutserum festgestellte THC-Konzentration den genannten Wert nicht erreicht. Eine Rückrechnung wie bei Alkohol ist bei Cannabis nicht möglich.

Der Tatbestand wird auch dann nicht verwirklicht, wenn der Betroffene, wie in der Praxis häufig und selbst bei THC-Konzentrationen unterhalb von 1 ng/ml vorkommend, drogenbedingte Beeinträchtigungen, die für die Verkehrssicherheit relevant sind, aufweist (z. B. Verlangsamung, lallende Sprache, Benommenheit, Stimmungsschwankungen, Pupillenweit- bzw. -engstellung usw.), aber – wie in der Praxis ebenfalls häufig – Fahrunsicherheiten i. S. v. § 315c Abs. 1 Nr. 1a oder § 316 StGB nicht festgestellt werden können.[1]

Bei einer Wirkstoffkonzentration von 0,1 ng/ml THC sind eine Verlangsamung der Pupillenreaktion, ein schläfriger Eindruck, Konzentrationsstörungen, verzögerte Reaktionen, verwaschene Aussprache, schleppender Gang sowie ein Schwanken im Stand – jedenfalls ohne weitere Feststellung insbesondere der Intensität dieses Verhaltens – nicht genügend, um eine Fahruntüchtigkeit i. S d. § 316 StGB zu belegen.

Auswirkung auf bis zur Änderung nicht abgeschlossene Verfahren

Das neue Recht erfasst Verfahren in dem Stand, in dem sie sich bei dessen Inkrafttreten befinden. Das bedeutet, dass in Fällen, in denen nur der alte (1,0 ng/ml), aber nicht der neue Grenzwert erreicht ist, eine Verfahrenseinstellung oder – auch noch im Rechtsbeschwerdeverfahren nach § 79 Abs. 3 Satz 1 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) i. V. m. § 354a StPO – ein Freispruch zu erfolgen hat (§ 4 Abs. 3 OWiG). Maßgebend ist der Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes.[2]

Fahrerlaubnisrecht
Rechtsänderung

Wer nicht fahrgeeignet ist, dem darf keine Fahrerlaubnis (neu) erteilt werden. Wenn ein Betroffener im Besitz einer Fahrerlaubnis ist, wird sie ihm entzogen. Die Fahreignung im Zusammenhang mit Cannabiskonsum, soweit Cannabis nicht als Medikament eingenommen wird, wird in der Nr. 9.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) – neu seit 01.04.2024 – geregelt.

Vor der Rechtsänderung galt Folgendes:

Regelmäßige Einnahme von Cannabis führte im Regelfall (ohne weitere Aufklärung) zur Ungeeignetheit (Nr. 9.2.1 Anl. 4 FeV a. F.), gelegentliche Einnahme von Cannabis dagegen nicht, wenn Konsum von Cannabis und Fahren getrennt wurden und kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen, keine Störung der Persönlichkeit und kein Kontrollverlust vorlagen (Nr. 9.2.2 Anl. 4 FeV a. F.).

Ein Verstoß gegen das Trennungsgebot wurde bereits bejaht, wenn bei der Fahrt eine THC-Konzentration von 1,0 ng/ml Blutserum erreicht oder überschritten wurde. Ein einmaliger Verstoß gegen das Trennungsgebot rechtfertigte noch nicht die Annahme von Ungeeignetheit, wohl aber – bei ordnungsgemäßer Ermessensausübung – Eignungszweifel und die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Begutachtung.

Auswirkung auf bis zur Änderung nicht abgeschlossene Verfahren

Im Unterschied zum Ordnungswidrigkeitenrecht kommt es nicht auf die letzte gerichtliche, sondern auf die letzte verwaltungsbehördliche Entscheidung an. Das bedeutet, dass für Sachverhalte, bei denen die letzte verwaltungsbehördliche Entscheidung – je nach Landesrecht der Ausgangsbescheid oder der Widerspruchsbescheid – vor der Rechtsänderung ergangen ist, die sich aber danach noch im gerichtlichen Verfahren befindet, die alte Rechtslage zugrunde zu legen ist.[3]

Abhängigkeit von Cannabis

Wer von Cannabis abhängig ist, ist fahrungeeignet (Nr. 9.2.3 der Anlage 4 zur FeV). Insoweit bleibt alles beim Alten. Diese Fälle sind aber selten, da die Möglichkeit der körperlichen Abhängigkeit von Cannabis im medizinisch-klinischen Sinn kaum angenommen wird und die psychische Abhängigkeit schwer feststellbar ist.

Regelmäßige Einnahme von Cannabis

Fahrungeeignet ist nach der Neufassung 2024 nicht mehr automatisch derjenige, der Cannabis regelmäßig einnimmt (Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV a. F.). Ist jedoch von regelmäßiger Einnahme auszugehen, etwa aufgrund eigener Einlassungen des Betroffenen oder festgestellter Blutwerte,[4] kann unabhängig von der festgestellten Teilnahme am Straßenverkehr unter Cannabiseinfluss Cannabismissbrauch i. S. v. Nr. 9.2.1 Anlage 4 FeV feststehen.

(…)

Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der Fundstelle Baden-Württemberg 10/2025, Rn. 150.

[1] Vgl. etwa OLG Saarbrücken DAR 2011, 96.

[2] BayObLG NZV 2024, 277.

[3] BVerwG, Beschl. v. 14.06.2024 – 3 B 11.23.

[4] Vgl. OVG Saarland, Beschl. v. 07.08.2024 – 1 B 80/24.