Das Oberverwaltungsgericht NRW hat in einem Autoposing-Fall entschieden, dass bei einem einmaligen Verkehrsverstoß durch unnötige Lärmverursachung nicht pauschal von einer künftigen Schutzgutgefährdung ausgegangen werden kann.
Sachverhalt
Die Beklagte erließ eine Ordnungsverfügung gegen den Kläger mit der Anordnung, ab sofort und auch nach etwaiger Erteilung einer Fahrerlaubnis bei dem Benutzen öffentlicher Straßen im Stadtgebiet von X. als Führer von Personenkraftfahrzeugen das Verursachen unnötigen Lärms zu unterlassen, verursacht zum Beispiel durch unsachgemäße Benutzung des Fahrzeugs, Nichtbeachtung technischer Ausführungsvorschriften, Hochjagen des Motors im Leerlauf und beim Fahren in niedrigen Gängen (insbesondere Gasstoß), unnötig schnelles Beschleunigen des Fahrzeugs, bekanntlich beim Anfahren. Nach Ablauf der zeitlichen Befristung der Ordnungsverfügung hat das OVG das Verfahren eingestellt, wobei im Rahmen der hierbei getroffenen Kostenentscheidung deutlich herausgestellt worden ist, dass die Beklagte im Rahmen des Hauptverfahrens voraussichtlich unterlegen gewesen wäre.
Normen und Leitsatz
OBG NRW – § 14
StVO – § 30
Von einem einmaligen Verkehrsverstoß betreffend unnötigen Lärm und vermeidbare Abgasbelästigungen in der Vergangenheit kann nicht ohne Weiteres auf eine künftige Schutzgutgefährdung geschlossen werden. Denn es gibt keinen Erfahrungssatz, dass ein von der Polizei ertappter „Verkehrssünder“ sich generell unbelehrbar zeigt und von den ihm angedrohten Bußgeldern, Fahrverboten und Punkten unbeeindruckt bleibt. Vielmehr dürfte im Regelfall davon auszugehen sein, dass die im Straßenverkehrsrecht vorgesehenen Sanktionen den normalen Verkehrsteilnehmer so nachhaltig beeindrucken, dass er von der umgehenden Begehung erneuter Verkehrsverstöße absieht.
Oberverwaltungsgericht für das Land NRW, Beschl. v. 11.07.2024 – 8 A 2057/22
(…)
Anmerkung
Die vorgestellte Entscheidung entspricht der langjährigen Rechtsprechung. So hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 26. Januar 2009, Aktenzeichen: 10 BV 08.1422, im Rahmen der Sicherstellung eines Motorrads von einem sog. „Hardcore-Raser“ folgende Ausführungen getätigt:
„[22] Allerdings liegt die für eine entsprechende Ermessensentscheidung unverzichtbare Voraussetzung einer gegenwärtigen Gefahr nicht vor. Wie der Kläger zutreffend ausgeführt hat, ermächtigt Art. 25 Abs. 1 Nr. 1 PAG die Polizei grundsätzlich nur zur präventiven, der Gefahrenabwehr dienenden Sicherstellung von Sachen, nicht hingegen zu repressiven, allein der Bestrafung eines Beschuldigten dienenden Wegnahme von Gegenständen. Eine solche repressive Wegnahme ist etwa in den Vorschriften über die Einziehung von Sachen (vgl. § 74 StGB, § 21 Abs. 3 StVG) geregelt.
Die Abgrenzung solcher repressiven von präventiven Maßnahmen ist allerdings nicht immer einfach. Zum einen dienen auch Strafen und Bußgelder nicht allein der Ahndung begangenen Unrechts, sondern zugleich der spezialpräventiven Einwirkung auf den Täter und der generalpräventiven Abschreckung Dritter. Zum anderen kann auch eine der Gefahrenabwehr dienende Sicherstellung von dem Betroffenen als Strafe empfunden werden. Die Abgrenzung zwischen präventiven und repressiven Maßnahmen kann sich darum nur daran orientieren, ob objektiv betrachtet das Schwergewicht einer Maßnahme im präventiven oder im repressiven Bereich liegt (…).
Präventives System zum Schutz vor Gefahren
[24] Allerdings lässt Art. 25 Nr. 1 PAG die Sicherstellung von Sachen nicht zur Bekämpfung abstrakter, sondern nur zur Unterbindung konkreter und gegenwärtiger Gefahren zu. Zur Bekämpfung der im Allgemeinen von „Verkehrssündern“ ausgehenden Gefahr erneuter Verkehrsverstöße hat der Bundesgesetzgeber nicht nur rein repressive Sanktionen in Form von Bußgeldern und Fahrverboten (§§ 24, 25 Straßenverkehrsgesetz – StVG), sondern auch einen Katalog präventiver Maßnahmen in § 4 StVG vorgesehen.Durch das sog. Punktesystem, das bei wiederholten Verstößen zum Entzug der Fahrerlaubnis führen kann, durch das Angebot von sog. Aufbauseminaren und verkehrspsychologischen Beratungen wird vom Bundesgesetzgeber ein – wie dem Wortlaut des § 4 Abs. 1 Satz 1 StVG klar zu entnehmen ist – präventives System zum Schutz vor Gefahren, die von wiederholt gegen Verkehrsvorschriften verstoßenden Fahrzeugführern und -haltern ausgehen, bereitgestellt. (…)
Sicherstellung von Sachen
[25] Die Vorschrift des Art. 25 Nr. 1 PAG über die Sicherstellung von Sachen knüpft hingegen an eine konkrete und gegenwärtige Gefahr an, setzt also für eine Sicherstellung von Fahrzeugen eine im Einzelfall bestehende Gefahr eines in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang drohenden Verkehrsverstoßes voraus. An dieser konkreten Gefahr fehlt es im vorliegenden Fall. (…) [28] Auch wenn die B 11 zwischen dem Kochel- und dem Walchensee einen Unfallschwerpunkt darstellt und auch wenn an den Unfällen Motorradfahrer überproportional beteiligt sind, können diese allgemeinen Tatsachen im konkreten Fall zur Begründung einer Wiederholungsgefahr nichts beitragen. Denn bei dem Kläger war – wie bei jedem normalen Verkehrsteilnehmer – zu erwarten, dass er nicht in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Verkehrskontrolle erneut einen vorsätzlichen Verkehrsverstoß begehen würde.Art. 25 Nr. 1 PAG liefert jedoch keine Rechtsgrundlage dafür, an Unfallschwerpunkten bei erheblichen Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung generell Fahrzeuge für einen oder mehrere Tage sicherzustellen. Daher ist im vorliegenden Fall die Rechtswidrigkeit der Sicherstellung festzustellen.“
Den vollständigen Beitrag lesen Sie im Neuen Polizeiarchiv 01/2025, Lz. 922.