Dieser Artikel beleuchtet die Funktionsweise von Grenzbeschlagnahmen, die Unterschiede zwischen nationalem und EU-weitem Verfahren und erklärt, wie Unternehmen proaktiv Zollmaßnahmen nutzen können, um ihre Marke und ihr Renommee zu schützen.
Der massenhafte Import gefälschter Produkte aus dem Ausland kann für Unternehmen ein erhebliches wirtschaftliches Risiko darstellen. Zudem kann die Reputation solcher Unternehmen durch gefälschte Produkte mit schlechter Qualität beschädigt werden. Viele Fälschungen sind auf den ersten Blick kaum vom Original zu unterscheiden, unterlaufen Sicherheitsstandards und bergen Haftungsrisiken. Um solche Schäden zu vermeiden, bietet sich das Instrument der Grenzbeschlagnahme an, mit dem Produkte, die Schutzrechte wie Marken, Designs oder Urheberrechte verletzen, bereits an einem Grenzübertritt gehindert werden können.
Grenzbeschlagnahmen als Schutzinstrument
Die Grenzbeschlagnahme bietet ein Instrument, das als Frühwarnsystem dienen und Unternehmen vor wirtschaftlichem Schaden schützen kann. So kann verhindert werden, dass rechtsverletzende Produkte gar nicht erst auf den europäischen bzw. deutschen Binnenmarkt gelangen. Durch gezielte Zusammenarbeit mit den Zollbehörden können Unternehmen Verstöße gegen geistige Eigentumsrechte frühzeitig identifizieren und unterbinden.
Schützbare Rechte
Grenzbeschlagnahmeverfahren greifen bei Verstößen gegen:
- Markenrechte (z. B. eingetragene EU- oder nationale Marken)
- Designrechte (Geschmacksmuster, Community Designs)
- Patente und Gebrauchsmuster
- Urheberrechte
- Geographische Herkunftsangaben
- Sortenschutzrechte
Als Voraussetzung für die Nutzung von Grenzbeschlagnahmungen gilt, dass das Recht gültig ist, (wo erforderlich) registriert ist und eine tatsächliche oder drohende Verletzung sich plausibel darlegen lässt. Zudem ist eventuell eine Sicherheitsleistung, bspw. in Form einer Bankbürgschaft, bei den Zollbehörden erforderlich.
Antragssteller
Die Antragsteller können sein:
- Schutzrechtsinhaber (z. B. Markeninhaber)
- Exklusivvertriebspartner mit entsprechenden Nutzungsrechten
- Bevollmächtigte Rechtsvertreter
- Verwertungsgesellschaften (in besonderen Fällen)
In der Praxis ist es sinnvoll, diese Maßnahmen zentral über Rechts- oder IP-Abteilungen zu steuern, um Prozesssicherheit und einheitliche Kommunikation mit dem Zoll zu gewährleisten.
Nationales Verfahren vs. EU-weiter Antrag
Je nach Umfang und Schutzrechtsgebiet bieten sich unterschiedliche Antragsoptionen:
Nationale Beschlagnahme (z. B. in Deutschland)
Das nationale Verfahren wird direkt bei der zuständigen Zollbehörde des Landes beantragt und bspw. in Deutschland über das Zentrale Datenbanksystem zum Schutz Geistiger Eigentumsrechte online (ZGR-online) erfasst. Die Wirkung des Antrags beschränkt sich auf das nationale Hoheitsgebiet. Damit ist es für kleinere Marktgebiete oder sehr regionale Schutzkonzepte gut geeignet.
Unionsweiter Antrag gemäß EU-Verordnung 608/2013
Das EU-Verfahren bietet eine große Hebelwirkung. Hier kann ein Antrag zentral bei einer einzigen EU-Zollbehörde gestellt werden – etwa in einem Mitgliedstaat, in dem das Unternehmen ansässig ist – und entfaltet auf Antrag Wirkung für mehrere oder sogar alle Mitgliedstaaten.
Es gilt jedoch zu beachten, dass das zu schützende Recht auch Unionsschutzcharakter haben muss. Solche Schutzrechte sind bspw. eine EU-Marke oder ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster. Insbesondere sind Patente, nationale Marken und Designs, Gebrauchsmuster, Schutzzertifikate, Urheberrechte oder Parallelimporte nicht mit einem unionsweiten Antrag zu verfolgen und müssen über eine nationale Beschlagnahme verfolgt werden.
Ein Vorteil ist jedoch, dass ein einziger Antrag genügt, um die Überwachung an allen betroffenen EU-Außengrenzen – darunter auch Seehäfen, Flughäfen sowie Landgrenzen – durchzusetzen.
Den Anträgen ist gemein, dass die Zollbehörden erst tätig werden, wenn sie die Offensichtlichkeit einer Schutzrechtsverletzung selbstständig feststellen können. Dazu müssen die Zollstellen durch vom Rechteinhaber bereitgestellte Informationen und Warenerkennungshinweise in die Lage versetzt werden, solche offensichtlichen Schutzrechtsverletzungen zu erkennen.
Ablauf des Verfahrens
Nach Antragstellung beginnt ein standardisierter Ablauf:
- Prüfung durch Zollbehörde: Gültigkeit des Rechts und Plausibilität der Gefahr werden geprüft.
- Zollsystemische Erfassung: Relevante Einfuhrstellen erhalten Zugriff auf die Daten.
- Produktanalyse durch den Zoll: Im Fall des Verdachts wird die Lieferung gestoppt.
- Benachrichtigung des Antragstellers: Dieser hat meist einen festgelegten Zeitrahmen, um Stellung zu nehmen und den Einzelfall zu prüfen.
- Maßnahmen bei Bestätigung: Vernichtung der Waren, Freigabe der Waren oder rechtliche Schritte.
Die Beschlagnahme erfolgt meist zeitnah und mit minimalem bürokratischem Aufwand – Geschwindigkeit ist hier ein entscheidender Vorteil.
Zusammenarbeit mit den Behörden
Insbesondere bei einem unionsweiten Antrag können Beschlagnahmungen an allen Einfuhrpunkten in die EU geprüft werden. So kann eine gleichmäßige und flächendeckende Absicherung unabhängig vom Eintrittsort für die gesamte EU sichergestellt werden.
Vor allem können den Behörden bei einer solchen flächendeckenden Absicherung weitere Informationen bereitgestellt werden. Es empfiehlt sich, die Behörden über Zeitpunkte des Transports, Transportwege oder bspw. Nutzungen von Hauptknotenpunkten zur Einfuhr zu unterrichten. So können in Zusammenarbeit mit den Zollbehörden gezielt solche Waren geprüft werden, die von den üblichen Transportwegen und -zeiten abweichen.
Bei einem nationalen Antrag bleibt der Schutz jedoch lokal beschränkt und bezieht sich nur auf das jeweilige Amt, in dem er gestellt wurde.
Verfahrenskosten
Die reine Antragstellung ist kostenfrei. Es können jedoch Folgekosten entstehen, etwa bei der Vernichtung beschlagnahmter Ware oder der Verfolgung eines Rechtswegs. Die potenziellen Einsparungen durch Schadensvermeidung überwiegen in der Regel deutlich.
Fazit
Die Grenzbeschlagnahme hat sich als äußerst wirksames Instrument zur Sicherung geistigen Eigentums bewährt. Besonders für Unternehmen mit internationaler Reichweite bietet ein Unionsantrag die Möglichkeit, mit nur einem Antrag einen multinationalen Schutz aufzubauen. In Zeiten wachsender Produktpiraterie ist dies ein unverzichtbares Element zur Markenpflege und Risikoprävention. Somit ist ein frühzeitiges Agieren empfehlenswert, um die eigene Reputation zu schützen und Kosten zu sparen.