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Teil 2: Erfolgschancen und praktische Wege der Grenzbeschlagnahme

Schranke, in deren Mitte ein rundes, rot umrandetes Schild mit der Aufschrift Zoll-Douane (schwarze Schrift auf weißem Grund) angebracht ist.
©Oliver Boehmer - bluedesign®

In unserem vorausgegangenen Artikel haben wir die Grundsätze der Grenzbeschlagnahme erörtert. In diesem Artikel beleuchten wird die Ausgestaltungsmöglichkeiten und insbesondere die Voraussetzungen für Antragsteller sowie damit verbundene Aspekte, die es zu beachten gilt.

Grenzbeschlagnahmen sind eine Möglichkeit, um Produktfälschungen früh zu stoppen. Essenziell bei einer effektiven Nutzung von Grenzbeschlagnahmungen als Instrument im Schutz gegen Produktfälschungen sind eine frühzeitige Beantragung und eine optimale Ausarbeitung für die zuständige Zollbehörde. Ein Erfolg hängt vor allem von Strategie und Klarheit der Angaben ab.

Antrag richtig stellen

Der Antrag wird bei einer Zollstelle eines Mitgliedstaats eingereicht, bspw. über das Portal ZGR-Online der deutschen Zollverwaltung. Die hinterlegten Angaben müssen detailliert und eindeutig sein.

Erste Voraussetzung für eine Antragstellung ist ein gültiges Schutzrecht. So kann eine Grenzbeschlagnahme basierend auf einer Marke, einem Design oder einem Patent beantragt werden. Eine Nennung aller gültigen Schutzrechte ist somit essenziell.

Detaillierte Produktbeschreibungen essenziell

Die Erfolgsaussichten für eine durchgreifende Beschlagnahmung erhöhen sich, je klarer der Antrag gestellt ist. Von besonderem Wert sind detaillierte Produktbeschreibungen, mit denen die Zollbehörden die Möglichkeit haben, gefälschte Produkte bzw. solche, die gegen Schutzrechte verstoßen, frühzeitig zu erkennen. Dabei sind Fotos, technische Zeichnungen, Seriennummern oder typische Sicherheitsmerkmale hilfreich für den Zoll bei der Identifikation von Plagiaten. Auch die Angabe bekannter Einfuhrwege oder häufig genutzter Umschlagplätze für Fälschungen erhöht die Wirksamkeit.

Zudem gibt das Unternehmen an, für welche Länder innerhalb der EU der Schutz gelten soll. Beim nationalen deutschen Antrag ist der Schutz auf das Gebiet der Bundesrepublik begrenzt. Das nationale Verfahren und der entsprechende Antrag laufen ebenfalls über ZGR-Online. Beim nationalen Verfahren sind meist nationale Schutzrechte betroffen oder Fälle, in denen Parallelimporte aus anderen EU-Ländern oder innergemeinschaftliche Verstöße im Zentrum stehen. Beide Verfahren erfordern eine regelmäßige Verlängerung, üblicherweise nach Ablauf eines Jahres.

Kleinsendungsverfahren

Bei einem Antragsverfahren nach Unionsrecht kann das Kleinsendungsverfahren beantragt werden. Insbesondere für den Onlinehandel ist dieses Verfahren vorteilhaft, wenn Fälschungen in Kleinsendungen als Post- oder Eilkuriersendungen eingeführt werden. Zudem gilt eine Einfuhr dann als Kleinsendung, wenn sie höchstens drei Einheiten umfasst und ein Bruttogewicht von zwei Kilogramm nicht überschreitet. Beim Kleinsendungsverfahren werden die verdächtigen Artikel nach Einräumung einer Frist von 10 Tagen direkt vernichtet, auch wenn keine Zustimmung erfolgte.

Auch können bei einem Unionsantrag unter bestimmten Voraussetzungen Waren durch deutsche Behörden gestoppt werden, die lediglich das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in einer Durchfuhr bzw. einem Transit passieren. Bei Verdachtsmomenten, dass die Waren im EU-Binnenmarkt verbleiben oder in diesen später zurückgeführt werden, können diese gestoppt werden.

Selbstschuldnerischen Bankbürgschaft

Bei einem Antragsverfahren nach deutschen Rechtsvorschriften ist zudem eine Sicherheit in Form einer selbstschuldnerischen Bankbürgschaft zu hinterlegen. Mit der Sicherheit können Kosten gedeckt werden, die aus einem etwaigen Haftungsanspruch bei nicht ordnungsgemäß gestelltem Antrag oder aus Kosten im Rahmen des Beschlagnahmeverfahrens (z. B. Lagerkosten, Beförderungskosten, Vernichtungskosten) entstehen.

Verpflichtungen für Antragssteller

Mit dem gestellten Antrag beginnt für Antragssteller die Verpflichtung, über sämtliche relevante Änderungen proaktiv zu informieren. Das gilt für Sachverhalte wie das Erlöschen des Schutzrechts, Veränderungen der Ansprechpartner, neue Erkenntnisse über Produktpiraterie oder abweichende Vertriebswege. Beim Unionsantrag müssen diese Pflichten für alle beantragten Länder erfüllt werden. Zu den Mindestanforderungen zählt, dass alle für die Zollkontrolle notwendigen Angaben aktuell sind.

Unternehmen haften im Grenzbeschlagnahmeverfahren für die Richtigkeit und die Aktualität ihrer Angaben – das gilt sowohl im EU-weiten als auch im deutschen Verfahren. Werden falsche oder überholte Daten absichtlich oder fahrlässig eingereicht, können daraus Schadensersatzforderungen entstehen.

Änderungen

Grenzbeschlagnahmeanträge sind demnach nicht statisch. Die Märkte entwickeln sich rasch, Schutzrechte können gelöscht, geändert, neu erworben oder aufgegeben werden. Produkte können sich verändern, Transportwege können neu erschlossen oder nicht mehr genutzt werden. Unternehmen müssen ihre Anträge entsprechend flexibel und aktuell halten. Bei den deutschen Zollbehörden sind nachträgliche Änderungen jederzeit über ZGR-Online möglich.

Die regelmäßige, oft jährliche Verlängerung des Antrags ist ebenso unkompliziert gestaltet, solange alle Daten aktuell sind. Über ZGR-Online lassen sich sowohl Anpassungen der Warenbeschreibungen und Kontaktpersonen als auch Nachweise für die fortbestehende Berechtigung schnell hinterlegen. Änderungen sind unverzüglich zu melden. Nur dann kann der Schutz an der Grenze lückenlos greifen.

Die größte praktische Hürde besteht darin, dass viele Fälschungen äußerlich kaum vom Original zu unterscheiden sind. Gerade bei technisch hochwertigen oder spezialisierten Produkten wird die Identifizierung durch Zollbeamte erschwert. Auch ungewohnte oder neue Schmuggelwege führen mitunter dazu, dass Fälschungen trotz bestehenden Antrags nicht erkannt werden. Hier hilft eine regelmäßig angepasste und aktualisierte Produktschulung sowie enger Austausch mit den Behörden.

Reaktionsmanagement beim Verdachtsfall

Im Falle eines Verdachts, dass eine Sendung rechtsverletzende Produkte enthält, informiert der Zoll das Unternehmen auf Grundlage der hinterlegten Kontaktdaten. Wer einen Unionsantrag gestellt hat, wird über die jeweils zuständige Zollbehörde des Mitgliedstaats kontaktiert. Bei einem deutschen Antrag erfolgt die Information über die deutsche Zollverwaltung. Innerhalb von zehn Werktagen müssen Rechteinhaber bestätigen, ob tatsächlich eine Verletzung ihres Schutzrechts vorliegt und festlegen, wie weiter verfahren werden soll.

In beiden Verfahren empfiehlt es sich, dass Unternehmen eindeutige Vorgaben für die Vernichtung oder die eventuelle Rückführung von Fälschungen machen. Erhebt der vermeintliche Verletzer Einwände gegen die Beschlagnahme, bleibt meist nur der Weg über ein gerichtliches Verfahren. Falls auch bei einem solchen Verfahren entsprechende Fristen nicht eingehalten werden, besteht das Risiko, dass die mutmaßlich gefälschte Ware schließlich doch auf den Markt gelangt. Deshalb sollten Antragssteller stets einen klaren Ablauf und unmittelbar erreichbare Ansprechpartner festlegen, damit im Verdachtsfall sofort und korrekt gehandelt werden kann.

Fazit

Die Grenzbeschlagnahme ist und bleibt eines der wirksamsten Mittel gegen Produktfälschungen. Hierbei ist es wichtig, dass Antragsteller einen gut dokumentierten, sorgfältig vorbereiteten Antrag stellen und enge Verbindung zum Zoll aufrechterhalten. Eine aktuelle Auflistung der Schutzrechte, eine anschauliche Produktdokumentation und eine proaktive Zusammenarbeit mit den Zollbehörden steigern die Erfolgschancen im Kampf gegen Nachahmung und Piraterie. Wer den Prozess regelmäßig prüft und anpasst, schützt Unternehmen und Marke effektiv und nachhaltig.

Quellen

https://www.zoll.de/DE/Fachthemen/Verbote-Beschraenkungen/Gewerblicher-Rechtsschutz/Marken-und-Produktpiraterie/Antrag/Antrag-nach-Gemeinschaftsrecht/antrag-nach-gemeinschaftsrecht.html#vt-sprg-10

https://www.zoll.de/DE/Fachthemen/Verbote-Beschraenkungen/Gewerblicher-Rechtsschutz/Marken-und-Produktpiraterie/Antrag/Antrag-nach-deutschen-Rechtsvorschriften/antrag-nach-deutschen-rechtsvorschriften_node.html#vt-sprg-13

https://www.zoll.de/DE/Fachthemen/Verbote-Beschraenkungen/Gewerblicher-Rechtsschutz/Marken-und-Produktpiraterie/Taetigwerden-der-Zollbehoerden/Sonderfaelle/sonderfaelle_node.html#vt-sprg-3