Reichen bloße Befürchtungen einer missbräuchlichen Datenverwendung aus, um einen immateriellen Schadenersatz zu begründen? In der nachfolgenden Entscheidung wird verdeutlicht, dass solche Befürchtungen allein nicht zu einem solchen Schadenersatzanspruch führen.
Ein Koch war seit vielen Jahren in einem Unternehmen beschäftigt. Im Juli 2019 verlangte er nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO Auskünfte zu einer Versetzung und einer ihm erteilten Abmahnung. Wegen der Versetzung wollte der Koch auch über die Betriebsratsanhörung nebst Zustimmung Auskunft erhalten, bezüglich der Abmahnung forderte er die Auskunft über alle ihn betreffenden Daten.
Informationsansprüche nicht erfüllt?
Die Arbeitgeberin beantwortete die Forderung des Kochs mit der Übersendung der Betriebsratsanhörung und dessen Zustimmung. Im Zusammenhang mit der Abmahnung übersandte die Arbeitgeberin eine teilweise geschwärzte Stellungnahme und begründete die Schwärzungen mit datenschutzrechtlichen Gründen.
Der Koch meinte, dass seine Arbeitgeberin die ihm zustehenden Informationsansprüche nicht erfüllt habe, er über wesentliche Faktoren der Datenverarbeitung im Dunkeln bleibe und ihm die Prüfung verwehrt werde, ob und wie die Arbeitgeberin seine personenbezogenen Daten verarbeite. Deshalb habe er ihr gegenüber einen Anspruch auf immateriellen Schadenersatz nach § 82 Abs. 1 DSGVO, für den er einen Betrag von 8.000 € für angemessen hielt.
In dem deswegen geführten Gerichtsverfahren auf Zahlung dieses Betrages wies das Arbeitsgericht die Klage ab. Das Landesarbeitsgericht sprach dem Kläger in der Berufungsinstanz einen Schadenersatzanspruch in Höhe von 2.000 € zu. Im Revisionsverfahren hob das Bundesarbeitsgericht das Urteil des Landesarbeitsgerichts auf und wies die Klage komplett ab.
BAG: kein Anspruch auf Ersatz eines immateriellen Schadens
Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts stand dem Kläger kein Anspruch auf Ersatz eines immateriellen Schadens nach § 82 Abs. 1 DGSVO zu. Deshalb müsse nicht entschieden werden, ob Art. 15 Abs. 1 DSGVO durch das Recht auf Einsicht in die Personalakte nach § 83 Abs. 1 BetrVG im Arbeitsverhältnis verdrängt werde, ob eine Verletzung des Auskunftsanspruchs aus Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 DSGVO überhaupt einen Anspruch aus § 82 Abs. 1 DSGVO begründen könne und ob der Kläger eine Verletzung seines Auskunftsanspruchs nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO wegen der ihm erteilten Auskünfte überhaupt dargelegt habe.
Denn jedenfalls habe der Kläger nichts vorgetragen, was einen Schaden im Sinne des Art. 82 Abs. 1 DSGVO rechtfertigen könne. Dass ein Schaden erforderlich sei und die klagende Partei diesen darlegen müsse, sei durch die jüngsten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs hinreichend geklärt.
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs
Insbesondere im Fall eines immateriellen Schadens solle ein konkret aufgrund eines Verstoßes gegen die Datenschutz-Grundverordnung erlittener Schaden vollständig ausgeglichen werden. Ziel sei nicht eine Abschreckung oder Bestrafung. Darüber hinaus müsse der Schaden einen bestimmten Grad an Erheblichkeit erreicht haben. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sei selbst der „Verlust der Kontrolle“ eine solche Schadensposition im Sinne des Art. 82 Abs. 1 DSGVO, wenn die betroffene Person den Nachweis erbringe, dass sie tatsächlich einen solchen Schaden – so geringfügig er auch sein mag – erlitten habe.
Auch die durch einen Verstoß gegen die DSGVO ausgelöste Befürchtung einer betroffenen Person, ihre personenbezogenen Daten könnten von Dritten missbräuchlich verwendet werden, könne für sich genommen einen „immateriellen Schaden“ begründen – ein rein hypothetisches Risiko der missbräuchlichen Verwendung jedoch nicht.
Schadenersatzanspruch aufgrund negativer Gefühle
Während negative Gefühle („Befürchtungen“) einen solchen Schadenersatzanspruch begründen könnten, reiche das bloße Berufen auf eine bestimmte Gefühlslage aber nicht aus. Denn die Gerichte hätten zu prüfen, ob das Gefühl unter Berücksichtigung der konkreten Umstände „als begründet angesehen werden könne“. Das setze zwingend die Anwendung eines objektiven Maßstabes voraus, bei der auch die objektive Bestimmung des Missbrauchsrisikos der Daten von Bedeutung sei.
Bestünde der Schaden in negativen Gefühlen, die für sich genommen nicht beweisbar seien, habe das nationale Gericht die Gesamtsituation und letztlich auch die Glaubwürdigkeit der jeweiligen Klagepartei auf der Grundlage eines substantiierten Vortrages zu beurteilen. Ein objektiver Verstoß gegen die DSGVO mindere das Beweismaß bezüglich der Entstehung und der Höhe des Schadens.
Im entschiedenen Fall habe der Kläger nur gemeint, wesentliche Faktoren der Datenverarbeitung seien für ihn durch die jahrelang verspätete Auskunft im Dunkeln geblieben und es sei ihm die Prüfung verwehrt worden, ob und wie die Beklagte seine personenbezogenen Daten verarbeite.
Kontrollverlust über personenbezogenen Daten
Die Behauptung des Klägers, es sei ein Kontrollverlust eingetreten, weil eine Überprüfung verhindert worden sei, ob die personenbezogenen Daten rechtmäßig verarbeitet würden, reichten entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht für die Annahme eines Schadens aus. Mit jeder Verletzung des Auskunftsanspruchs aus Art. 15 sei ein Kontrollverlust verbunden.
Dessen Verletzung allein führe aber eben nicht dazu, einen unterscheidbaren Schaden begründen zu können. Denn ein solcher Schaden wäre an sich schon mit der Verletzung des Auskunftsanspruchs stets erfüllt. Diese Folgerung sei nicht mit dem Normenverständnis des Europäischen Gerichtshofs von Art. 82 Abs. 1 DSGVO und dem nationalen Prozessrecht zu vereinbaren.
Angedeutete negative Gefühle kein objektiver Maßstab
Auch die Verhinderung der Prüfung der Daten und Datenverarbeitung sei kein ausreichendes Argument. Denn damit werde nur ein hypothetisches Risiko einer missbräuchlichen Verwendung behauptet.
Der Kläger hätte vortragen müssen, aus welchen Gründen ein mehr als nur hypothetisches Risiko einer missbräuchlichen Verwendung seiner personenbezogenen Daten stehen solle. Angedeutete negative Gefühle des Klägers stellten keinen objektiven Maßstab für eine entsprechende gerichtliche Prüfung dar.
Praxistipp
Die Entscheidung bestätigt, dass allein die Verletzung eines Auskunftsanspruchs für sich bereits für einen immateriellen Schadensanspruch nicht ausreicht. Verletzte Gefühle oder Befürchtungen können nur dann einen solchen Anspruch begründen, wenn nach – wie auch immer gearteten – objektiven Maßstäben ein solcher Schaden angenommen werden kann.
Bundesarbeitsgericht, Urt. v. 20.06.2024 – 8 AZR 91/22
Entnommen aus dem RdW-Kurzreport 19/2025, Rn. 248.
