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OPLAN DEU: Eine Aufgabe für die private Sicherheitswirtschaft?

Bundeswehrsoldaten von hinten, in einer Reihe aufgestellt.
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Im folgenden Beitrag wird die Frage nach der möglichen Verantwortung und Rolle der privaten Sicherheitswirtschaft innerhalb des OPLAN Deutschland gestellt und ansatzweise betrachtet.

Der Operationsplan Deutschland (OPLAN DEU) wird seit einiger Zeit angesichts der globalen und europäischen sicherheitspolitischen Entwicklung innerhalb der deutschen Sicherheitsbehörden sukzessive implementiert und insbesondere der Wirtschaft im Rahmen von Informationsveranstaltungen vorgestellt. Kernthemen des OPLAN sind u. a. die Zusammenarbeit der beteiligten Behörden und Institutionen, die gesamtgesellschaftlichen Resilienzen sowie die zivile Verteidigungsfähigkeit.

OPLAN Deutschland – KRITIS

Vonseiten der Bundeswehr wird der Operationsplan Deutschland in einer Veröffentlichung mit der Überschrift „Gesamtverteidigung Deutschland“ betitelt und als ein gemeinsamer Auftrag für unsere Gesellschaft in einem gesamtstaatlichen Lagebild gesehen.

Weiter heißt es darin, dass in der Bundesrepublik Deutschland alle gesamtstaatlich zu erbringenden militärischen und zivilen Maßnahmen der Landes- und Bündnisverteidigung unter dem Begriff der Gesamtverteidigung zusammengefasst werden. Einige Themen und Ziele werden darin wie folgt benannt:

  • Anforderungen an die zivile und militärische Verteidigung
  • Stab für Nationale Resilienz, Sicherheit und Verteidigung (SNRSV)
  • Ziel: Operationszentrale Deutschland (OPZ DEU)

Der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Carsten Breuer, bewertet in seinem Vorwort die sicherheitspolitische Lage seit dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine im März 2022 als eine, in der konventionelle und hybride Gefahren gleichzeitig auftreten.

KRITIS-Dachgesetz

Die hybride Kriegsführung, in der die primären Angriffsziele die staatliche Ordnung sowie der zivile Bereich mit seinem Zusammenhalt sind, gibt es schon seit einigen Jahren. Nach General Breuers Einschätzung muss die Bundeswehr bis spätestens 2029 kriegstüchtig und Deutschland im Bündnis wehrhaft sein: „Kämpfen können, um nicht kämpfen zu müssen.“

Die schon seit einigen Jahren gängige Einstufung von einzelnen Wirtschaftszweigen und Unternehmen als kritische Infrastruktur (KRITIS) spiegelt diese Betrachtung der wirtschaftlichen und gesamtgesellschaftlichen Widerstandsfähigkeit ebenfalls wider.

Der entsprechende Gesetzentwurf vom November 2024 zum KRITIS-Dachgesetz wurde am 10. September 2025 im Bundeskabinett beschlossen. Es legt fest, welche Einrichtungen und Geschäftsfelder systemrelevant und für die Versorgungssicherheit und die Aufrechterhaltung der deutschen Wirtschaft unentbehrlich sind.

„Drehscheibe Deutschland“

Gemäß OPLAN wäre Deutschland im Spannungs- und Verteidigungsfall als ein logistischer Knotenpunkt (benannt als „Drehscheibe Deutschland“) in Form von Aufmarschräumen, Operationsbasen und -gebieten direkt bedroht bzw. betroffen.

Dieses Szenario ist bereits seit den späten sechziger Jahren des Kalten Krieg bekannt, als die NATO-Abschreckungsstrategie der „Flexible Response“ verfolgt wurde, die gegen die damalige Sowjetunion (UdSSR) und ihre osteuropäischen Bündnispartner während der Zeit des Ost-West-Konfliktes gerichtet war. Deutschland wurde seinerzeit bereits als Kampfgebiet konventioneller Konflikte mit dem Fluss Rhein als natürlicher Barriere betrachtet.

Damals waren daher bspw. Brücken noch flächendeckend mit Schildern gekennzeichnet, die auf entsprechende militärische Lastenklassen (MLC) hinwiesen. Auf zahlreichen Dächern von öffentlichen Gebäuden und Schulen waren zudem Sirenen installiert, die die Bevölkerung vor besonderen Gefahren warnen sollten.

Verknüpfung analoger und digitaler Warneinrichtungen

Nach dem Ende des kalten Krieges wurden aufgrund der geopolitischen Entspannung u. a. auch diese Kennzeichnungen entfernt und viele Sirenen demontiert. Mittlerweile ist jedoch bezüglich der Vorwarnung der Bevölkerung wieder die Einsicht präsent, dass WarnApps bei einem Netzausfall, verursacht durch einen Cyberangriff, nicht mehr einsatzfähig sind und in einem solchen Fall manuell oder über Notstrom betriebene Sirenen noch hilfreich sein können.

Der letzte bundesweite Warntag am 11. September, der nach Angaben des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) 97 % der Bevölkerung erreichte, verknüpfte analoge und digitale Warneinrichtungen erfolgreich miteinander.

Interaktion zwischen Staat und Wirtschaft

Auf einigen Veranstaltungen in den vergangenen Monaten, die von Behörden oder privatwirtschaftlichen Verbänden organisiert wurden (bspw.: BMVG, ASW Nord, der Autor war Teilnehmer), hatten ranghohe und verantwortliche Offiziere der Bundeswehr sowie Wirtschaftsvertreter und Unternehmer die Gelegenheit, sich bezüglich des OPLAN DEU auszutauschen.

Die Thematik „Realität der Reserve/personeller Wehreinsatz“ wurde dabei als kritisch gesehen und die Verfügbarkeit und die Einbindung des Personals und dessen Qualifikation als nur bedingt den Herausforderungen gewachsen benannt. Insbesondere die Einbindung der Kompetenzen und des Personals der deutschen Wirtschaftsunternehmen wurde dabei genauer betrachtet.

Eigenschutz der Wirtschaft

Ferner wurde die Frage nach dem Eigenschutz der Wirtschaft unter der Prämisse der gesamtdeutschen Verteidigung eruiert. Eine nicht unerhebliche Zahl potenzieller Reservisten scheint in sicherheitsverantwortlichen Positionen in Unternehmen oder Sicherheitsdienstleistungsunternehmen sowie in Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) beschäftigt zu sein. Im Spannungs- und Verteidigungsfall werden sie ihren Unternehmen bei einer Mobilmachung dann möglicherweise nicht mehr zur Verfügung stehen können.

Die interne Unternehmenssicherheit kann infolgedessen allerdings nicht Aufgabe des Staates sein. In vielen Aufgabenbereichen (CSM, CISM, BCM, BKO) müssen Unternehmen bereits heute Konzepte und Ressourcen vorhalten und implementieren, um gegen Angriffe und Cyberattacken im Bedrohungsszenario der Wirtschaftsspionage oder der OK/WK gewappnet zu sein. Dass dies hinsichtlich der Investitionsintensität für KMU eine größere Herausforderung darstellt als für global operierende Konzerne, steht außer Frage.

Individuelle und gesellschaftliche Resilienzen

Der Fall der Mauer, die Auflösung der Sowjetunion und des Warschauer Paktes haben dazu geführt, dass die innere und äußere Sicherheit massiven Sparmaßnahmen unterzogen wurden, die zu einer personellen und materiellen Schwächung der Polizeien und der Bundeswehr geführt haben. Diese „Selbstschwächung“ wurde erst zur Jahrtausendwende innenpolitisch hinterfragt und die innere Sicherheit neu definiert, als die Bekämpfung des Terrorismus in den sicherheitspolitischen Fokus rückte.

Außenpolitisch hat erst der Ukrainekrieg zu einem Umdenken in der Landes- und Bündnisverteidigung geführt. Bezeichnend war damals die Aussage des Bundesverteidigungsministers Boris Pistorius im November 2023, dass Deutschland wieder kriegstüchtig werden müsse – nachhaltig untermauert mit einem damals politisch mehrheitsfähigen Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro.

Die individuellen Resilienzen der Bürgerinnen und Bürger waren in der Corona-Pandemie und in lokal begrenzten Hochwasserkatastrophen herausgefordert. Unabhängig von der öffentlichen-medizinischen Versorgung weist das BBK seitdem gezielt auf die vorbereitende Selbstvorsorge und -versorgung der Bevölkerung hin, die das BBK in einem Ratgeber für Notfallvorsorge und richtiges Handeln in Notsituationen zusammengeführt hat.

Hybride Kriegsführung

Zur hybriden und modernen Kriegsführung zählen heute Cyberangriffe auf Krankenhäuser, Wirtschaftsunternehmen und Netzbetreiber. Oftmals gehen diese Attacken einher mit Erpressungsversuchen dieser Unternehmen. Ferner gehören Sabotage von Pipelines, Unterseekabeln und Bahntrassen, Desinformationskampagnen über soziale Medien sowie Einflussnahme auf die politische Meinungsbildung und auf Wahlergebnisse mit dazu. Auch die gezielte Steuerung von Migrationsströmen wird als Mittel zur Destabilisierung einer Gesellschaft eingesetzt.

Im vergangenen Sommer fanden Bürgerinnen und Bürger vermehrt unbestellte Post- oder Paketsendungen in ihren Briefkästen, die offensichtlich aus Fernost stammten und nicht identifizierbares Saatgut oder Pflanzen enthielten. Sicherheitsbehörden bewerteten dies als möglichen Testlauf der organisierten Kriminalität, inwieweit diese Lieferungen durch den deutschen Zoll entdeckt und herausgefiltert werden können und wie hoch infolgedessen die Quote der Sendungen sein würde, die ihren Empfänger trotz Kontrolle erreicht.

Könnte dies in einem sicherheitspolitischen Kontext nicht ebenfalls als ein hybrider Angriff auf die Flora und Fauna eines Landes betrachtet werden, bei dem nicht heimische Pflanzenarten inklusive Mikro-Schädlingen großflächig ausgebreitet werden sollen, die sich zielgerichtet mittel- bis langfristig nachteilig auf die inländische Nahrungsmittelproduktion auswirken könnten?

Wehrdienst-Modernisierungsgesetz

Das Gesetz zur Modernisierung des Wehrdienstes (Wehrdienst-Modernisierungsgesetz – WDModG) ist in nunmehr im September verabschiedet. Ziel ist es, mehr junge Menschen freiwillig für den Dienst an der Waffe zu gewinnen und so in den kommenden Jahren einen Aufwuchs der Truppe um 80.000 auf 260.000 Soldatinnen und Soldaten zu erreichen, zzgl. 200.000 einsatzbereite Reservisten. Sollten diese Ziele jedoch nicht erreicht werden, so findet schon jetzt eine politische Debatte zur Wiedereinführung der seit Mai 2011 ausgesetzten allgemeinen Wehrpflicht statt.

Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung und der entsprechende Zivildienst (Art 4 Abs 3 GG) wären somit ebenfalls wieder möglich. Im Hinblick auf die Gesamtverteidigung Deutschlands kann der Zivildienst innerhalb systemrelevanter Organisationen und Institutionen der medizinischen Versorgung der Bevölkerung durchaus als ein Beitrag zum ganzheitlichen OPLAN DEU gesehen werden.

Sicherheitsgewerbegesetz (SIGG)

Seit Oktober 2023 liegt ein Entwurf des Sicherheitsgewerbegesetzes (SiGG) für die Regelung des privaten Sicherheitsgewerbes vor. Die Stellungnahmen der Marktteilnehmer dazu sind allerdings durchaus kontrovers, was im Zuge einer möglichen Verabschiedung dieses Gesetzes eine nochmalige Diskussion aller Beteiligten erfordern würde. Obgleich die Branche mit seinen fast 295.000 Beschäftigten und einem Gesamtumsatz von mehr als 14 Mrd. Euro (2025) von der Innenministerkonferenz als Teil der inneren Sicherheit bezeichnet wird, ist sie darüber hinaus nicht als solche in die Prozesse und Strukturen derselben eingebunden.

Die diesjährige Ausbildungstagung des Bundesverbandes der Sicherheitswirtschaft (BDSW) am 26. September in Berlin beschäftigte sich mit dem Einsatz der KI in den privaten Sicherheitsdienstleistungsunternehmen. Die Branche ist also erneut auf der Höhe der Zeit und weiterhin zukunftsorientiert.

Die Rolle der privaten Sicherheitswirtschaft

Die Leistungsfähigkeit und Kompetenz der privaten Sicherheitswirtschaft zeichnet sich dadurch aus, in fast allen Bereichen zum Schutz von Leben und Eigentum (GewO) unter Berücksichtigung unternehmerischer Kennzahlen (KPI) und außerhalb hoheitlicher Aufgabenbereiche tätig sein zu können, zu dürfen und zu wollen. Sie zählt nicht nur zur Sicherheitsarchitektur der inneren Sicherheit, sondern gilt als verlässlicher Partner der deutschen Wirtschaft. In zahlreichen Fachausschüssen und Arbeitskreisen werden aktuelle Themen fokussiert und die deutsche Wirtschaft und Politik mit eingebunden.

Die Nationale Sicherheitsstrategie aus dem Jahr 2023 trägt den Titel „Integrierte Sicherheit für Deutschland/Nationale Sicherheitsstrategie. Wehrhaft. Resilient. Nachhaltig“. In dieser Nationalen Sicherheitsstrategie, dem damaligen Koalitionsvertrag und auch dem aktuellen Koalitionsvertrag hat die private Sicherheitswirtschaft keine Relevanz und findet keinerlei Erwähnung.

Die politischen Akteure sollten die Branchenvertreter bei der Gestaltung und den Maßnahmen bezüglich der inneren Sicherheit zukünftig stärker einbeziehen. Angesichts der innenpolitischen und außenpolitischen Entwicklung sollte die private Sicherheitswirtschaft auch im Hinblick auf den OPLAN DEU nicht länger ignoriert werden.

Es gilt, im Rahmen eines neuen Gesetzes für das Sicherheitsgewerbe (SiGG) auch neue Aufgabenbereiche und Themenfelder der Public Private Partnership (PPP) zu definieren. Ein erster Schritt könnte die Kategorisierung der gesamten Branche als systemrelevant sein. Getreu der Maxime, dass der Mensch mit seinen Aufgaben wächst, wird auch die private Sicherheitswirtschaft innerhalb der gesamtstaatlichen und gesamtgesellschaftlichen Aufgabe der Landesverteidigung ihren Weg und ihren Platz finden.

Weiterführend

https://www.bundeswehr.de/resource/blob/5920008/5eb62255741addec3f38d49a443d0282/booklet-operationsplan-deutschland-data.pdf

https://www.bmi.bund.de/DE/themen/bevoelkerungsschutz/schutz-kritischer-infrastrukturen/schutz-kritischer-infrastrukturen-node.html