Pauschale, anlasslose Speicherung rechtmäßig?
Der irische High Court und der österreichische Verfassungsgerichtshof hatten dem EuGH die Frage vorgelegt, ob die Richtlinie 2006/24/EG mit dem Unionsrecht vereinbar sei. Die Richtlinie verpflichtet Telekommunikationsunternehmen in der EU, Verbindungsdaten ihrer Kunden auch ohne konkreten Anlass oder Verdacht aufzubewahren. Die Speicherung soll Ermittlern dazu dienen, zur Aufklärung schwerer Verbrechen auf sie zuzugreifen.
Besonders schwerer Eingriff in EU-Grundrechte
Der EU-Generalanwalt Cruz Villalón wies bereits im Dezember 2013 auf die Unvereinbarkeit der EU-Richtlinie mit den EU-Grundrechten hin. Nun bestätigte auch der EuGH, dass die Richtlinie besonders schwerwiegend in die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten eingreift (Art. 7 und 8 der Charta der Europäischen Union). Denn die Speicherung lässt erkennen, mit wem, wo, wie lange und auf welche Art und Weise der Betroffene kommuniziert hat. Dadurch ermöglicht sie einen sehr genauen Einblick in das Privatleben, so der EuGH.
Grenzen der Verhältnismäßigkeit überschritten
Die Richter betonten, dass die Speicherung zwar dem Gemeinwohl dient und hilft, schwere Kriminalität zu bekämpfen. Jedoch habe der Gesetzgeber die Grenzen der Verhältnismäßigkeit überschritten. Angesichts der hohen Bedeutung der betroffenen Grundrechte, müsse ein Eingriff nämlich auf das absolut Notwendige beschränkt werden. Tatsächlich erstreckt sich die Vorratsdatenspeicherung nach der Richtlinie jedoch auf sämtliche Personen, elektronischen Kommunikationsmittel und Verkehrsdaten, ohne irgendeine Differenzierung, Einschränkung oder Ausnahme. Das sei unverhältnismäßig.
Speicherungsdauer zu starr
Auch in der Dauer der Speicherung sah das Gericht ein Problem. Die Richtlinie ordnet eine Frist von sechs Monaten zur Speicherung an. Nach Ansicht der Richter ist es jedoch unzulässig, eine solche Frist anzuordnen, ohne zwischen den Datenkategorien zu unterscheiden.
Keine Kontrollmöglichkeit für Mitgliedsstaaten
Darüber hinaus bemängelte der EuGH, dass die Richtlinie keine Speicherung der Daten im Unionsgebiet vorsieht. Dies macht eine unabhängige Kontrolle durch die Mitgliedsstaaten unmöglich. Eine solche sei jedoch für den Schutz der Betroffenen vor einer unzulässigen Verarbeitung ihrer persönlichen Daten notwendig.
Praxishinweise
- Wie die deutsche Regierung auf das Urteil aus Luxemburg reagieren wird, bleibt abzuwarten.
- Nachdem das Bundesverfassungsgericht die nationale Regelung zur Vorratsdatenspeicherung bereits 2010 gekippt hatte, konnte sich die damalige schwarz-gelbe Regierung zunächst nicht auf eine Neuregelung einigen.
- Im Koalitionsvertrag von Union und SPD ist eine Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung zwar vorgesehen. Man wollte jedoch zunächst das Urteil aus Luxemburg abwarten.