Sicherheit

Technische Kommunikationsüberwachung und akustische Raumüberwachung in Deutschland

Technische Kommunikationsüberwachung, Auswertung von Kommunikations-Verkehrsdaten und akustische Raumüberwachung

In den Jahren 2010/2011 wurden in Deutschland 2010: 5493 / 2011: 5516 Verfahren nach § 100 a Abs.1 StPO (Straftatenkatalog, nach dem die Kommunikationsüberwachung richterlich angeordnet werden kann) geführt. Hierbei ergingen 17351/18029 Einzel- Erstanordnungen, sowie 3047/3089 Verlängerungsanordnungen zur Telekommunikationsüberwachung. Dabei wurden in 3519/3621 Fällen Festnetzanschlüsse und 16510/17568 Mobilfunkanschlüsse sowie in 997/1345 Fällen die Internetkommunikation der Verdachtspersonen auch über längere Zeiträume überwacht.

Die Überwachungsmaßnahmen wurden mit folgenden Anlassstraftaten begründet:


  • Friedens- und Hochverrat, Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates, Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit in 30/54 Fällen,

  • Abgeordnetenbestechnung: 1 /1 Fall,

  • Straftaten gegen die Landesverteidigung: 5/13 Fälle,

  • Straftaten gegen die öffentliche Ordnung: 347/344 Fälle,

  • Geld- und Wertpapierfälschung:199 /128 Fälle,

  • Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung: 76/81Fälle,

  • Erwerb und Verbreitung von Kinder-Pornografie:19/20 Fälle,

  • Mord- und Totschlag: 902/960 Fälle,

  • Straftaten gegen die persönliche Freiheit: 246/213 Fälle,

  • Bandendiebstahl: 829/1179 Fälle,

  • Raub und Erpressung:1150/1172 Fälle,

  • Bandenhehlerei: 225/245 Fälle,

  • Geldwäsche: 273/276 Fälle,

  • Betrug/Computerbetrug: 633/ 768 Fälle,

  • Subventionsbetrug: 2/4 Fälle,

  • Urkundenfälschung: 2/132 Fälle,

  • Bankrott: 86/2Fälle,

  • Straftaten gegen den Wettbewerb: 53/29 Fälle,

  • Gemeingefährliche Straftaten: 258/248 Fälle,

  • Bestechung: 109/97 Fälle,

  • Steuerhinterziehung: 334/276 Fälle,

  • Gewerbsmäßiger Schmuggel: 192/393 Fälle,

  • Steuerhehlerei: 284/768 Fälle,

  • Straftaten nach dem Arzneimittelgesetz: 72/5 Fälle,

  • Missbräuchliche Asylantragstellung: 0/1 Fälle,

  • Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung: 27/0 Fälle,

  • Einschleusung von Ausländern: 200/153 Fälle ,

  • Gewerbsmäßige Einschleusung, Einschleusung mit Todesfolge: 114/217 Fälle,

  • Straftaten nach dem Außenwirtschaftsgesetz: 7/15 Fälle,

  • Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz (BTM): 6880/6601 Fälle,

  • Straftaten nach dem Grundstoffüberwachungsgesetz: 5/7 Fälle,

  • Straftaten nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz (KWKG): 45/31 Fälle,

  • Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen: 0/0 Fälle,

  • Straftaten nach dem Bundeswaffengesetz: 106/40 Fälle.

Auswertung von Kommunikations-Verkehrsdaten durch die Ermittlungsbehörden

Nach § 100 g Abs.1 StPO wurden in den Jahren 2010/2011 folgende Verfahren zur Erhebung von Telekommunikations-Verkehrsdaten geführt: Erstanordnungen: 12239/13743, Folgeanordnungen: 337/410. Verkehrs-Daten wurden zu folgenden Zeiträumen abgerufen: Bis zu einem Monat: 3415/ 6529, bis zu zwei Monaten: 278/1350, bis zu drei Monaten: 2421/ 2141, bis zu vier Monaten: 608/ 566, bis zu fünf Monaten:

334/ 212, bis zu sechs Monaten: 755/ 530, mehr als sieben Monate: 539/857, künftig anfallende Verkehrsdaten: 1420/1442, ergebnislose Abfragen (Daten nicht/oder nicht mehr verfügbar): 1937/2442 Fälle.

Schwerpunkte der Verkehrsdatenerhebung waren im Jahre 2010 in Bayern mit 1569 und in Baden-Württemberg mit 4019 Fällen sowie in Nordrhein-Westfalen mit 1065 Fällen erkennbar. Im Jahre 2011 setzte sich dieser Trend mit folgenden Zahlen fort: Bayern 2045, Baden-Württemberg mit 4684, Hamburg mit 1158, Niedersachsen mit 1069 sowie Nordrhein-Westfalen mit 1041 Anordnungen.

Akustische Raumüberwachung

2010 wurden in Baden Württemberg 2, in Hamburg 1 sowie in Niedersachsen 1 Verfahren für insgesamt 19 Betroffene angeordnet. Die Maßnahmen dauerten in einem Fall bis zu 70 Tagen, im zweiten Fall erstreckte sich die Maßnahme auf einen Zeitraum von 37 Tagen, in zwei Fällen dauerte die Maßnahmen von 1 bis zu 3 Tagen. Für das Jahr 2011 liegen noch keine Zahlen vor.

Quellen-Telekommunikationsüberwachung/Bewegungsüberwachung

Zur Quellen-TKÜ (Einsatz von Trojanern) liegen naturgemäß keine Erkenntnisse vor. Dies kann auch für den Einsatz von GPS-gestützten Lokalisierungseinrichtungen durch die Ermittlungsbehörden gelten, jedoch sind bereits Einsätze der Späh-Software „Fin-Spy“ bekannt geworden.

Projekte der Europäischen Union im Rahmen von FP 7

Neben INDECT und Clean IT unterstützt die EU noch weitere Forschungsvorhaben, die eine Ausweitung der Überwachung zum Ziel haben. Soweit bis jetzt bekannt sind: MOSAIC – multimodale Datenerfassung- und Textkollateration in Verbindung mit georeferenzierten Daten SAMURAI – Beobachtung von verdächtigem und abnormalem Verhalten mittels eines Netzwerkes aus Kameras und Sensoren zur Verbesserung der Situation Awareness ADABTS – Automatisches Erkennen von abnormem Verhalten und Bedrohungen, in stark frequentierten öffentlichen Plätzen, SMART – Smarte Überwachungssysteme, Datenschutz, Integrität und Informationsaustausch.

ARENA ist eine Architektur zur Gefahrenerkennung für mobile Assets mit Netzwerken multipler leistbarer Sensoren, IMSK – Integriertes Mobiles Sicherheitskit – Kombinierte Technologien für weiträumige Überwachung mit Sensoren für Radar, Infrarot, Vibrationen und Geräuschen, die über ein sicheres Kommunikationsmodul Daten an ein Command-Control-Center liefern – vermutlich für den Einsatz bei der Grenzüberwachung konzipiert. Schutz von VIPs, an Checkpoints, in Hotels und Sportarenen.

Zur Verbesserung der Situation Awareness können Güter, Fahrzeuge und Personen überwacht werden, wobei die persönliche Integrität der letztgenannten z.B. durch den Einsatz nichtaufdringlicher Methoden wie Terahertz-Sensoren garantiert werden.

Für diese Vorhaben wurden von der EU bisher 37.3 Mio und national 16.6 Mio. Euro bereitgestellt.







Praxishinweise


  • Die Entwicklung wirkungsvoller Überwachungs- und Kontrollsysteme wird weiterverfolgt.

  • Es ist damit zu rechnen, dass künftig nahezu alle Lebensbereiche erfasst und die gewonnenen Daten in die Datensammlungen der nationalen und EU-Sicherheitsbehörden einfließen, ohne dass Betroffene über die Art und dem Umfang der Datenerfassung, Speicherung und Nutzung, insbesondere deren Verknüpfung im geplanten EU-Datenbanksystem, unterrichtet sind.

  • Es muss bezweifelt werden, dass die hohen rechtlichen Hürden, die das Bundesverfassungsgericht für die Technische Kommunikationsüberwachung errichtet hat, ausreichen.

  • Die ansteigenden Anzahl von TKÜ-Verfahren ist möglichweise der Ermittlungsökonomie geschuldet.





Quellen: Die gegenwärtigen technischen Standards für die Technische Kommunikationsüberwachung (TKÜ) sind in den folgenden Dokumenten beschrieben:

Technische Richtlinie zur Umsetzung gesetzlicher Maßnahmen zur Überwachung der Telekommunikation (TR TKÜ) *, Ausgabe 5.1, Februar 2008, bearbeitet und herausgegeben von der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen, 55003 Mainz;

European Telecommunications Standards Institute ETSI – TS 101 331, 201 671, 101 671, 102 232, 102 232, 102 234, 102 656, 102 657, 102 815, 101 943, 102 503, 102 519, 102 528,101 944,102 053, ES-201 158;

Bundesamt für Justiz, Referat III 4104/1 vom 29.7.2011/ 23.7.2012 – Übersicht Telekommunikationsüberwachung (Maßnahmen nach § 100 a StPO);

Bundesamt für Justiz, Referat III 4104/1 – B 273/2012 – Übersicht Telekommunikationsüberwachung Maßnahmen nach § 100 g StPO vom 29.7.2011 /23.7.2012 – Verkehrsdaten;

Deutscher Bundestag – 17.Wahlperiode – Drucks 17/7008 vom 15.9.2011 – Bericht der Bundesregierung gemäß Artikel 13 Absatz 6 Satz 1 des Grundgesetzes für das Jahr 2010 – Akustische Wohnraumüberwachung;

Erich Moechel, EU-Millionen für Überwachungsforschung, FM ORF 4 vom 15.10.2012.