Aus- und Fortbildung

Sachkunde: Recht der öffentlichen Sicherheit und Ordnung

RBV

Handeln des Staates im Rahmen des öffentlichen Rechts und privater Einrichtungen

Der Polizeibeamte ist in der Öffentlichkeit für Jedermann als Staatsvertreter erkennbar. Er wird als Beamter der Landes- oder Bundespolizei hoheitlich tätig, hat spezielle Aufgaben und Befugnisse vom Staat übertragen bekommen und verfügt über eine Hoheitsgewalt und damit über mehr Rechte als eine Privatperson.


Die Polizei hat allgemein die vornehme Aufgabe, von der Allgemeinheit oder dem Einzelnen Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird. Sie hat dabei im Rahmen des geltenden Rechts die nach pflichtgemäßem Ermessen notwendigen Maßnahmen zu treffen.



Die Polizei hat die Aufgaben zu erfüllen, die ein rasches, unaufschiebbares Eingreifen erfordern. Zum Auftrag der Gefahrenabwehr gehört auch die präventive (= vorbeugende) Verhütung von Straftaten. Die Abwehr von Gefahren setzt das Vorliegen einer aktuellen und konkreten, d.h. einer im Einzelfall tatsächlich bestehenden Gefahr und eines öffentlichen Interesses voraus.

Ermessensspielraum der Polizei

Das „pflichtgemäße Ermessen“ gewährt der Polizei einen gewissen Spielraum, der bei Gefahrzuständen von Bedeutung sein kann, für den in Gesetzen oder Dienstvorschriften keine genaue Verhaltensweise vorgeschrieben ist. Die polizeiliche Maßnahme muss notwendig und zu der abzuwehrenden Gefahr verhältnismäßig sein. „Pflichtgemäßes Ermessen“ schaltet Willkür aus, gewährt dem Polizeibeamten aber auch einen Ermessensspielraum und soll eine zum Schadensersatz verpflichtende Rechtswidrigkeit ausschließen.

Polizeiliche Aufgaben durch Gesetze und Rechtsvorschriften

Die Polizei hat ferner die Aufgaben zu erfüllen, die ihr durch sonstige Gesetze und Rechtsvorschriften zugewiesen werden. Die wichtigste polizeiliche Aufgabe ist in diesem Zusammenhang die Aufklärung und Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, die der Polizei durch § 163 StPO und § 53 OWiG zugewiesen werden. Hier wird die Polizei repressiv (verfolgend) tätig. Aufgaben und Befugnisse werden durch StPO und OWiG bestimmt.

Polizeiliche Maßnahmen bedeuten sehr oft Eingriffe in die Rechte des einzelnen Bürgers. Sie sind daher nach rechtsstaatlichen Grundsätzen und dem Prinzip des Gesetzesvorbehalts nur zulässig, wenn eine ausdrückliche gesetzliche Regelung die betreffende Maßnahme zulässt. Entsprechende Befugnisnormen bestehen vor allem für polizeiliche Standardmaßnahmen (z.B. Personalienfeststellung, Beschlagnahme, Durchsuchung u.a.).

Gesetzliche Generalklausel

Der Polizei kann ferner durch eine Generalermächtigung allgemein, also ohne genaue Spezifizierung der zu treffenden Maßnahme, die Befugnis eingeräumt werden, die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um eine im einzelnen Fall bestehende, konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren. Die Generalklausel ist subsidiär zu den Spezialermächtigungen. Liegt eine Spezialermächtigung vor, kann insoweit die Generalklausel nicht als Grundlage für eine polizeiliche Maßnahme dienen.

Staatliches Gewaltmonopol

Nur der Staat, hier vertreten durch seine Polizei, besitzt ein Gewaltmonopol (nicht jedoch ein Sicherheitsmonopol), das jedem Privatmann grundsätzlich verbietet, sein vermeintliches Recht gegen einen anderen selbst durchzusetzen. Das ergibt sich aus Art. 20 Abs. 2 GG und aus dem Rechtsstaatsgebot.

Das Staatsmonopol besteht demnach in einer ausschließlich vom Staat genutzten Rechtsstellung, eine der Säulen, auf denen das Gebäude der Inneren Sicherheit ruht. Die Anwendung von Gewalt auf gesetzlicher Grundlage zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung ist ausschließlich den staatlichen Organen vorbehalten. Eingriffe in die Rechte des Bürgers bis hin zur Anwendung von Zwang sind „hoheitliche Maßnahmen“, die in allen freiheitlichen Rechtsstaaten der Polizei überantwortet sind.

Die Monopolisierung und rechtliche Bindung staatlicher Gewalt dient dem Schutz des Bürgers vor staatlicher und privater Willkür. Der Bürger kann seine Rechte und Ansprüche auf dem Rechtsweg verfolgen. Das staatliche Gewaltmonopol ist somit einer der wichtigsten Faktoren für ein friedliches Zusammenleben der Menschen.

Ausnahme: Jedermanns-, Nothilfe- oder Selbsthilferechte

Staatliches Gewaltmonopol ist aber kein uneingeschränktes Gewaltverbot für den einzelnen Bürger. Es wäre lebensfremd von einem Bürger z.B. zu verlangen, sich ohne Gegenwehr ausrauben zu lassen, nur um dem Rechtsprinzip des staatlichen Gewaltmonopols zu entsprechen. Um das auszuschließen, wurden vom Gesetzgeber Ausnahmen zugelassen. Diese sog. Jedermanns-, Nothilfe- oder Selbsthilferechte sind für den Sicherheitsmitarbeiter von erheblicher Bedeutung.

Privates Sicherheitsgewerbe

Das private Sicherheitsgewerbe wie auch der betriebliche Werkschutz sind dem Privatrecht zuzuordnen. Sie haben keine hoheitlichen Befugnisse, eine eigene rechtliche Grundlage für ihre Aufgaben gibt es nicht, gleichgültig, ob sie auf Grund eines Gesetzes aus dem Zivilrecht (z.B. eines Selbsthilferechts, § 229 oder § 859 BGB) oder aus dem öffentlichen Recht (z.B. Überprüfung der Sicherheit von Betriebsstätten nach § 120 a GewO) tätig werden, ob sie auf Grund einer privatrechtlichen Vereinbarung (z.B. Bewachungsvertrag) oder einer öffentlich-rechtlichen Auflage (z.B. Bewachung AKW) aktiv werden, sie bleiben immer eine Person bzw. eine Einrichtung des Zivilrechts.

Das Gewaltmonopol darf nicht angetastet werden. In der politischen und öffentlichen Diskussion wird jedoch häufig übersehen, dass das Gewaltmonopol durch wenige Vorschriften durchbrochen wird:


  • Widerstandsrecht des Art. 20 Abs. 4 GG,

  • Rechtsfigur des „beliehenen“ Unternehmers.

Beleihung

Beliehene sind natürliche oder juristische Personen des Privatrechts, die durch oder aufgrund Gesetz einzelne hoheitliche Verwaltungsaufgaben im eigenen Namen wahrnehmen. Entsprechend der Beleihung tritt der Private nach außen als selbständiger Hoheitsträger auf. Er ist Behörde i.S. des § 1 Abs. 4 VwVfG, kann selbst Verwaltungsakte erlassen und beklagte Behörde sein.

In bestimmten Sachbereichen (insbesondere Jagd-, Forst- und Landschaftsschutz oder in Beförderungsmitteln) werden Privatpersonen aufgrund spezialgesetzlicher Regelung mit der Ausübung vollzugspolizeilicher Befugnisse einschließlich der Anwendung unmittelbaren Zwanges betraut. Sie nehmen diese Befugnisse ständig (also nicht lediglich zur zeitweiligen Entlastung der Polizei), im eigenen Namen sowie in eigener Verantwortung wahr. Dazu zählen u.a.:


  • Amtlich bestätigte Jagdaufseher (§ 25 Abs. 2 BJagdG),

  • Feld- und Forsthüter, Fischereiaufseher,

  • Seeschifffahrtskapitäne (§ 106 SeemannsG),

  • Flugzeugführer (§ 29 Abs. 3 LuftVG),

  • Fahrpersonal in Bussen und Droschken,

  • Straßenbahnpersonal (§ 57 PBefG in Verbindung mit § 67 BOStrab).


Eine Beleihung liegt z.B. auch in folgenden Fällen vor:

  • Beim Sachverständigen des Technischen Überwachungsvereins (TÜV), dem die technische Prüfung und Überwachung von Kraftfahrzeugen übertragen ist (§ 29 StVZO).

  • Religionsgemeinschaften nehmen öffentlich-rechtliche Befugnisse kraft Beleihung wahr, z.B. Kirchensteuer, kirchliche Privatschulen und Verwaltung und Benutzung kirchlicher Friedhöfe,

  • Schließlich liegt eine Beleihung vor beim Notar aufgrund seiner Befugnis, öffentliche Beurkundungen und Beglaubigungen vorzunehmen (vgl. § 1 BNotO);

  • „Jedermannsrecht“ der vorläufigen Festnahme nach § 127 Abs. 1 Satz 1 StPO,

  • Notwehr- und Notstandsrechte im StGB und BGB, einschließlich Selbsthilfe gemäß §§ 229-232 BGB, und Besitzwehr nach §§ 859-860 BGB,

  • übertragene Ausübung des Hausrechts.


Zwingend vom Staat sind auch weiterhin die nachstehenden Bereiche vorzunehmen:

  • Maßnahmen der Eingriffsverwaltung,

  • repressive Verfahren (Strafverfolgung, Verfolgung von erheblichen Ordnungswidrigkeiten),

  • Maßnahmen im Rahmen der Vollstreckung,

  • Maßnahmen des Strafvollzuges.

Neuverteilung staatlicher und privater Aufgaben

Nicht alles, was von staatlichen Stellen wahrgenommen wird, ist eine hoheitliche Aufgabe. Über die Neuverteilung staatlicher und privater Aufgabenerfüllung muss entschieden werden. Die Polizei sollte von Aufgaben entlastet werden, die weder ihren Anforderungen noch ihrer Qualifikation entsprechen.

Folgende Aufgabenfelder könnten unter staatlicher Fachaufsicht ausgeübt werden in Form des „Beliehenen“ oder „Verwaltungshelfers“ (Verwaltungshelfer nehmen unselbständige Hilfstätigkeiten im Auftrag und nach Weisung der sie betrauenden Behörde wahr.):


  • Mitwirkung bei Sportveranstaltungen,

  • Objektsicherung nach Einbrüchen,

  • Schutz von öffentlichen Gebäuden und Botschaften,

  • Entstempelung, Einziehung von KFZ-Kennzeichen, Einziehung von Führerscheinen,

  • Anschriftenüberprüfung,

  • Nachermittlungen für Bußgeldbehörden,

  • Überwachung des ruhenden Verkehrs,

  • Bereitstellung von Überwachungstechnik für den fließenden Verkehr, Technische Rotlichtüberwachung,

  • Aufnahme von Bagatellunfällen,

  • Abschiebung/Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern,

  • Transport von Gefangenen,

  • Begleitung von Geldtransporten.


Kriterien der Ausschreibung an geeignete Dienstleister sollten sein:

  • Zuverlässigkeitsprüfung des Auftragnehmers über § 34 a GewO hinaus,

  • aufgabenbezogene Fachkompetenz,

  • logistische Leistungsfähigkeit,

  • Einhaltung von Tarifverträgen,

  • Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes und der Sozialversicherungsträger,

  • Einhaltung der Bewachungsverordnung (z.B. Haftpflichtversicherung, objektbezogene Dienstanweisung, Dienstkleidung),

  • eine durch den VdS anerkannte Notrufzentrale/Leitstelle, wenn die Auftragsvergabe sachlich notwendig ist (z.B. Aufnahme von Bagatellunfällen, Kunst- und Werttransporte),

  • Qualitätsmanagementsystem und Zertifizierung DIN ISO 9000 ff.,

  • Teilnahme am Präventionskonzept der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft.






Praxishinweise – auf einen Blick

Hoheitliche Aufgaben der Polizei


  • Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abwehren;

  • Die Polizei wird überwiegend repressiv (abwehrend) tätig; sie handelt nach dem „Legalitätsprinzip„, d.h. Strafverfolgungszwang der Polizei:

  • Im Auftrag der Strafverfolgung.


Befugnisse der Polizei

  • Identitätsfeststellung,

  • Durchsuchung von Personen und Sachen,

  • Betreten und Durchsuchung von Wohnungen,

  • Ingewahrsamnahme von Personen,

  • ggf. Erzwingen von Handlungen, Unterlassungen sowie Anwendung unmittelbaren Zwanges.


Sicherheitsaufgaben des Sicherheitsgewerbes

  • In der betrieblichen Organisation Gefahren und Schäden verhindern, Ordnung und Sicherheit gewährleisten.

  • Das Bewachungsgewerbe wird überwiegend präventiv (vorbeugend) tätig, handelt nach dem Opportunitätsprinzip, d.h. dem Prinzip der Zweckmäßigkeit, Tätigwerden im Auftrag des Unternehmers (§ 855 BGB ff.).


Befugnisse der Sicherheitsmitarbeiter

  • Im Ergebnis vergleichbar mit der Polizei, sofern die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind (z.B. Rechtsbehelfe gesetzlicher Art); aber: Nachschau anstelle von Durchsuchung! (vgl. § 29 GewO).





Der schlanke Staat, eine Forderung bei knappen öffentlichen Kassen, wird zu forcierter Kooperation von Polizei und privaten Sicherheitsdienstleistern i.S. einer „Police-Private-Partnership“ im Interesse der gesamtgesellschaftlichen Sicherheit führen.