Sicherheit

Rockergruppen und Rechtsextremismus

Der lange Weg zur Mitgliedschaft bei mächtigen Motorradclubs

Um Mitglied bei einem großen und mächtigen Motorradclub wie den Hells Angels (HAMC) und den Bandidos (vgl. Sicherheitsmelder: Rockerbanden als kriminelle Subkulturen [Dorothee Dienstbühl] vom 4.2.2013) zu werden, bedarf es Ausdauer und Aufopferungsbereitschaft. Die Mitgliedschaft ist auf Lebenszeit angelegt, entsprechend hart sind die Bedingungen zur Aufnahme. Der Interessierte erhält zunächst den Status des „Hangaround“, mit welchem er keinerlei Rechte, jedoch Pflichten von Mitgliedern auferlegt bekommt. Dieser Zustand kann sich über mehrere Monate hinziehen. Wird seine potentielle Mitgliedschaft als Gewinn für die Gemeinschaft erachtet, erhält er fortan den Status des „Prospects“, also des Anwärters. Nun muss er sich als würdiges Mitglied in spe beweisen. Erst durch ein demokratisches Abstimmverfahren zur Aufnahme durch die anderen Mitglieder erwirbt er die Mitgliedschaft und damit auch die „Uniform“, die Lederkutte mit entsprechendem Aufnäher („Patch“). Die Mitgliedschaft und damit verbundene Symbolik sind der Stolz und das Heiligtum eines jeden Mitgliedes.

Politik der Rockergruppen

Das Verhalten von Rockergruppen kann als konspirativ und bruderschaftlich bezeichnet werden. Es herrscht ein strikter Verhaltenskodex, der von allen Mitgliedern und unter allen Umständen einzuhalten ist. Handlungsmaxime ist stets das Wohlergehen der Gruppe. Dies beinhaltet einerseits die persönliche Aufopferung und das Leben nach Regeln der Organisation, andererseits gewährt dieser Kodex jedem einzelnen Mitglied Schutz und Hilfe in jeder Lebenslage. Ist beispielsweise ein Familienangehöriger eines Mitgliedes schwer erkrankt und benötigt eine kostenaufwendige Behandlung, dann helfen alle Mitglieder mit Spenden. Regelverstöße oder individuelles Verhalten zum Nachteil der Gruppe werden strikt sanktioniert und von allen übrigen Mitgliedern geächtet. Mit einem restriktiven Bestrafungssystem sollen andere Mitglieder zudem abgeschreckt werden. Eine politische Ausrichtung für Rockergruppen allgemein kann nicht beobachtet werden.

Rechtsextremisten und Rocker in Personalunion

Allerdings sind vor allem Rocker der Hells Angels schon mit Gründung nach dem zweiten Weltkrieg mit Wehrmachtssymbolen in Erscheinung getreten. Bei einigen Mitgliedern finden sich noch heute entsprechende Tätowierungen. Die Verbindung zur rechtsextremistischen Szene liegt damit nahe. Die Rocker verstehen sie als Provokation. Doch wurden in den letzten Jahren Personalunionen von Rockern und bekennenden Rechtsextremisten offensichtlich. Beispielsweise ist der NPD-Landesvize in Bayern, Sascha Roßmüller, ein Führungsmitglied des Bandidos

Chapter in Regensburg. Roßmüller war Inhaber eine Sicherheitsfirma, die er Ende 2012 aufgeben musste, da das Landratsamt ihm die Genehmigung entzog. In dieser sollen Clubmitglieder und Extremisten beschäftigt worden sein. Damit handelt es sich allerdings um ein sehr seltenes Phänomen.

Geschäftliche Kooperationen

Weiter verbreitet als einzelne Doppelfunktionen in rechtsextremistischen Organisationen und Motorradclubs könnten Geschäftsbeziehungen untereinander sein. In den vergangenen Jahren wurde bekannt, dass Clubhäuser der Hells Angels bei Bremen und der Bandidos in Mannheim für Rechtsrockkonzerte gemietet wurden. Ebenso sollen im alten Clubhaus der Bandidos in Kassel Neonazi-Konzerte stattgefunden haben, bei denen Club-Mitglieder auch Catering und Einlasskontrollen der Veranstaltung gestellt hatten. Diese geschäftlichen Kontakte sollen nach sicherheitsbehördlicher Einschätzung durch einzelne Mitglieder entstanden sein, die privaten Kontakt zu Organisatoren solcher Veranstaltungen besaßen und ebenfalls Einzelfälle sein.

Konkurrenzen

Im Bereich von Tattoo-Studios und im Security-Gewerbe existieren ebenfalls lokale Kooperationen, allerdings auch Konkurrenzen zwischen Rockern und Neonazis. Insbesondere in Nord- und Ostdeutschland sind in diesen Geschäftsfeldern um Drogenhandel, Zuhälterei und Waffen Anhänger freier Kameradschaften tätig. Dies führt mitunter zu gewalttätigen Konfrontationen. In Schleswig-Holstein liefern sich Mitglieder der der Motorradgang Hells Angels mit militanten Rechtsextremisten seit etwa 2007 einen bewaffneten Kleinkrieg.

Anziehungskraft von Rockern auf Rechtsextremisten

Rechtsextremisten fühlen sich von Image des Rockers angezogen. Solche Clubs wirken männlich, exklusiv und besitzen einen festen Codex. Vor allem junge Männer, die sich einer rechtsextremistischen Gruppierung anschließen, suchen das Gruppengefühl und daraus Bestätigung für sich selbst. Innerhalb einer solchen Gruppe können sie in Positionen gelangen, die sie im realen Leben nie erreichen würden. Entsprechend bilden sich nach Vorbild des HAMC oder den Banditos lokale Motorradclubs aus der rechtsextremistischen Szene heraus. So ist der Wismarer Club „Schwarze Schar“ aus der sog. „Werwolf-Gruppe“ hervorgegangen.

Einschätzung: Kooperationen bleiben Einzelfälle

Laut BKA habe es zwischen Rechtsextremisten und Rockern einzelne „personelle Verflechtungen, gemeinsame Aktivitäten und einzelfallbezogene Kooperationen“ gegeben. Diese hätten sich in lokalen Bereichen abgespielt haben und hingen in der Regel mit einem persönlichen Bezug zwischen Akteuren aus den unterschiedlichen Organisationen zusammen. Somit kann aktuell nicht von systematischen Kooperationsformen ausgegangen werden, die ein Phänomen wie die NSU in Form einer Untergrundarmee hervorbringen könnten. Doch müssen Kooperationspotentiale, aber auch Transformationsprozesse von Personen innerhalb dieser Szenen beobachtet werden, damit sie nicht zu einer unüberschaubaren Gefahr heranreifen.







Praxishinweise


  • Das Selbstverständnis und der Kultfaktor von Rockern sind für Rechtsextremisten erstrebens- und nachahmenswert.

  • Das eigene Ethos steht für Rockerclubs an erster Stelle, eine extremistische Gesinnung könnte dem zuwiderlaufen.

  • Rocker spielen mit rechtsextremistischen Symbolen, nutzen diese jedoch eher zur Provokation.

  • Kooperationspotentiale erscheinen bislang nur vereinzelt, müssen jedoch beobachtet werden.