Rechtliches

Urlaubsumrechnung

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Der EuGH hat in einem aktuellen Beschluss entschieden, dass eine Umrechnung des Urlaubsanspruchs im Falle der Verringerung der Wochenarbeitstage im laufenden Kalenderjahr dann unzulässig ist, wenn der betroffene Arbeitnehmer keine Gelegenheit hatte, den bis zur Arbeitszeitverringerung entstandenen Urlaubsanspruch vorher zu nehmen.

Das Arbeitsgericht Nienburg hatte dem Europäischen Gerichtshof die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob die bisher im deutschen Urlaubsrecht übliche Umrechnung des noch nicht „verbrauchten“ Urlaubsanspruchs im Falle einer Arbeitszeitverringerung, die mit einer Verringerung der Anzahl von Wochenarbeitstagen einhergeht, mit europarechtlichen Grundsätzen vereinbar sei.

Bisherige Rechtslage

In der Vergangenheit war es im Falle einer im laufenden Kalenderjahr erfolgten Reduzierung der Wochenarbeitstage üblich, den zu diesem Zeitpunkt noch bestehenden Urlaubsanspruch so umzurechnen, dass im Ergebnis die Anzahl von Urlaubswochen unverändert blieb.

Hatte also beispielsweise ein Arbeitnehmer zum 1. September eines Jahres seine Arbeitszeit von bis dahin fünf Tagen pro Woche auf nur noch zwei Tage pro Woche reduziert und hatte er – bei einem unterstellten Urlaubsanspruch von 30 Tagen – bis dahin 10 Tage Urlaub genommen, so waren die zum 1. September im Urlaubskonto verbuchten 20 Tage Resturlaub mit dem Faktor 2/5 (zwei anstatt der bisherigen fünf Arbeitstage) multipliziert und hierdurch ein verbleibender Urlaubsanspruch von acht Tagen errechnet worden.

Dieses Ergebnis war überwiegend deswegen als „gerecht“ empfunden worden, da dem Arbeitnehmer mit den umgerechneten acht Urlaubstagen die Möglichkeit verblieb, im Rest-Jahr weitere vier Wochen Urlaub zu nehmen, sodass er auch in diesem Fall auf einen sechswöchigen Urlaubsanspruch kam.

Entscheidung des EuGH

Nun kam der EuGH in seiner Entscheidung vom 13.06.2013 – C-415/12 zu einem teilweise abweichenden Ergebnis:

Keine Auswirkungen hat die Entscheidung des EuGH dann, wenn die Anzahl von Wochenarbeitstagen im gesamten Urlaubsjahr unverändert bleibt. Die Höhe des Urlaubsanspruchs errechnet sich hier immer in Relation zu einem an fünf Tagen pro Woche beschäftigten Arbeitnehmer. Würde also beispielsweise das gesamte Urlaubsjahr über an drei Tagen pro Woche gearbeitet, würde sich – bei einem unterstellten sechswöchigen Urlaubsanspruch – ein individueller Urlaubsanspruch von 3/5 x 30 Tagen, somit von 18 Tagen ergeben.

Auswirkungen kann die Entscheidung des EuGH aber dann haben, wenn sich die Anzahl von Wochenarbeitstagen während des laufenden Kalenderjahrs verringert:

  • Der Urlaubsanspruch ist (nach der oben dargelegten Berechnungsmethode) für die Zeit des Jahres umzurechnen, für die eine Teilzeitbeschäftigung mit einer verringerten Anzahl von Wochenarbeitstagen vereinbart ist.
  • Der Urlaubsanspruch hingegen, der während der Vollzeit- oder Mehrbeschäftigung erworben wurde, darf nach Ansicht des EuGH hingegen zumindest dann nicht umgerechnet werden, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich nicht die Möglichkeit hatte, den Urlaub auch während dieser Zeit zu nehmen. Da der EuGH explizit auf die Unmöglichkeit der Urlaubsnahme abstellt, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass dann, wenn der Arbeitnehmer vor der Reduzierung der Wochenarbeitstage keinen Antrag auf Gewährung von Urlaub gestellt hat, obwohl die Inanspruchnahme von Urlaub möglich gewesen wäre, eine Umrechnung geboten ist.
Praxishinweise

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass der EuGH sich lediglich mit einer abstrakten Rechtsfrage auseinandersetzen musste. Dies hat zur Folge, dass hinsichtlich einiger Fragen derzeit noch offen ist, wie die deutschen Arbeitsgerichte die Vorgaben des EuGH auf das deutsche Urlaubsrecht übertragen werden. Die nachfolgenden Ausführungen stellen daher nur die Interpretation der Entscheidung dar:

  • Verringert ein Arbeitnehmer im Laufe eines Kalenderjahres die Anzahl von Wochenarbeitstagen, muss zukünftig zunächst überprüft werden, ob der betreffende Arbeitnehmer bis zum Zeitpunkt der Reduzierung der Wochenarbeitstage die Möglichkeit hatte, den ihm anteilig zustehenden Urlaubsanspruch in natura zu nehmen.
  • Dies ist dann nicht der Fall,

    • wenn der Arbeitnehmer zwischen dem Zeitpunkt der Ankündigung oder der Vereinbarung einer verringerten Arbeitszeit und dem Beginn der Arbeitszeitverringerung arbeitsunfähig erkrankt war oder
    • ein Beschäftigungsverbot bestand oder
    • der Arbeitnehmer zwar Urlaub geltend macht, der Arbeitgeber den Urlaubsantrag aber wegen entgegenstehender dringender betrieblicher Belange oder wegen kollidierender Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer abgelehnt hat oder
    • wenn zwischen der Vereinbarung der Arbeitszeitverringerung und deren Beginn ein Zeitraum liegt, der die Dauer des Urlaubsanspruchs unterschreitet, so dass der Urlaub bis zum Eintritt der Arbeitszeitverringerung nicht genommen werden könnte.
  • Hatte der Arbeitnehmer hingegen die Möglichkeit, den Urlaubsanspruch in natura zu nehmen und unterlässt er es, einen entsprechenden Urlaubsantrag zu stellen, bestehen weiterhin keine Einwände, den Urlaubsanspruch in vollem Umfang umzurechnen. Zu überlegen ist, ob Arbeitnehmer zukünftig explizit auf die Möglichkeit der Urlaubsnahme hingewiesen werden sollten, wenn ein mit einer Reduzierung der Wochenarbeitstage einhergehender Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit geltend gemacht wird.

Es ist damit zu rechnen, dass die nationale Rechtsprechung auf die Vorgaben des EuGH reagieren wird. Zumindest dann, wenn ein Arbeitnehmer aus tatsächlichen Gründen den (anteiligen) Urlaub vor Beginn der Arbeitszeitverringerung nicht in Anspruch nehmen kann, dürfte eine Urlaubsumrechnung zukünftig nicht mehr als rechtmäßig beurteilt werden.