Messen sind das, was Schaufenster für den Einzelhandel sind. Alles was neu und technisch innovativ ist, wird zur Schau gestellt. An keinem anderen Ort wird eine dermaßen breite Übersicht geboten. Nirgendwo gibt es bessere und günstigere Möglichkeiten der Informations- und Materialbeschaffung. Da liegt es auf der Hand, dass Messen nicht nur Kaufinteressenten, sondern auch Spione fremder Nachrichtendienste und der Konkurrenz anlocken. Dies gilt auch für Kongresse und Konferenzen.
Verkaufsinteresse wird ausgenutzt
Spione aller Schattierungen nutzen auf Messen gezielt das ausgeprägte Verkaufsinteresse von Vertrieblern und Marketingexperten, die sich in erster Linie an den Messeständen befinden. Täuscht ein vermeintlicher Kaufinteressent gesteigertes Interesse und den Bezug hoher Stückzahlen vor, lassen sie nicht selten sämtliche Know-how-Schutz-Grundsätze und Sicherheitsregeln außer Acht, um den „Kunden in spe“ bei Laune zu halten. Abgesehen von wenigen Ausnahmen verfügen die Späher über eine Ausbildung in Gesprächsabschöpfung (in der Competitive Intelligence Elicitation genannt).
Techniken der Gesprächsabschöpfung
Zur Gesprächsabschöpfung werden unter anderem folgende Techniken angewandt:
- Bewusst falsche Darstellungen: Diese wecken im Gesprächspartner oft den Ehrgeiz, Sachverhalte richtig wiederzugeben, wobei nicht selten geschützte Inhalte weitergegeben werden.
- Schmeicheleien hinsichtlich der Expertise des Gesprächspartners: Dieser fühlt sich dadurch besonders bemüßigt, mit Wissen zu glänzen.
- Salami- oder Puzzletaktik: Die Späher holen sich von mehreren Gesprächspartnern unkritisch erscheinende Teilinformationen, die sie dann zu einer sicherheitskritischen Gesamtinformation zusammenfügen. Das deutschsprachige Medium Epoch Times berichtet von einer Taktik, die namentlich von Chinesen angewandt wird. Die Späher treten „in großen Gruppen, aber voneinander unabhängig“ auf. „Jeder stellt eine andere Frage – und schon fällt der Spionageangriff nicht mehr auf (…)“.
Notebooks, Smartphones etc. werden gestohlen
Im Schutze großer Gruppen werden häufig auch sensible Unterlagen, aber auch Notebooks, Smartphones oder USB-Sticks mit Präsentationen gestohlen. Diese Taktik ist aus dem Bereich der Ladendiebstähle bekannt.
Plumpe Methoden sind gang und gäbe
Es sind aber auch Fälle bekannt geworden, in denen Zielpersonen in direkter, geradezu plumper Weise angesprochen wurden. Die Epoch Times berichtet: „Auf einer Konferenz für Computersicherheit sprach ein großer, weltmännisch auftretender Chinesen einen seiner Kollegen an. Diesen Herren interessierten geheime Details über Spionageabwehr-Technologie. Der Kollege hüllte sich in Schweigen. ‚Ich brauche diese Technologie‘, drängte ihn der Gesprächspartner, und bot ihm auf der Stelle 1.000 Dollar an. Und als das nicht zog, sagte er, ‚Wenn Sie mir nicht entgegenkommen, haben wir andere Wege, zu bekommen, was wir wollen (…)’ Damit deutete er an, dass er es bei anderen Mitarbeitern oder per Cyberattacke versuchen würde …“
Auch andere Legenden werden erzählt
Neben der Legende eines Kaufinteresses können auch andere Varianten eingesetzt werden. So z.B. ein wissenschaftliches Gespräch unter Fachleuten, das angebliche Interesse eines Studierenden, Praktikanten oder Journalisten oder Orientierungsgespräche zur Berufswahl. Selbstredend ist auch immer mit der so genannten Honigfalle, sprich dem zielgerichteten Einsatz attraktiver Frauen oder Männer, zu rechnen.
Praxishinweise
- Versuchen Sie immer, mit höflichem Interesse so viel wie möglich über Ihren Gesprächspartner herauszubekommen. Überreichen Sie im in einer frühen Phase des Gesprächs Ihre Visitenkarte und geben Sie ihm freundlich zu verstehen, dass Sie auch dessen Karte erwarten.
- Will Ihr Gegenüber sensible Daten erfahren, verweisen Sie ihn darauf, dass ihm die entsprechenden Unterlagen zugesandt werden. So gewinnen Sie Zeit, um die Identität des Gesprächspartners und dessen Firma zu eruieren.
- Denken Sie stets daran, dass Unternehmen in bestimmten Ländern Tarndienstposten eines Nachrichtendienstes sein können (China, Russland, Heimatstaaten von Mitbewerbern oder Länder mit Technologierückstand).
- Zögern Sie nicht, im Verdachtsfall die zuständige Verfassungsschutzbehörde zu kontaktieren.
- Sagt Ihr Gegenüber bewusst etwas Falsches, reagieren Sie ausweichend. Geben Sie zu erkennen, dass sich der relevante Sachverhalt „etwas anders darstellt“, ohne in Details zu gehen.
- Auch die geschickteste Gesprächsabschöpfung muss immer wieder die wirklich interessierende Thematik streifen. Das heißt, Ihr Gegenüber wird immer wieder das Gespräch auf bestimmte Punkte, in der Regel technische Interna, lenken. Wenn Sie darauf bewusst achten, wird Ihnen dies zwangsläufig auffallen. Ein Warnzeichen für den weiteren Gesprächsverlauf.
- Sichern Sie Notebooks, Smartphones und USB-Sticks gegen Diebstahl. Achten Sie präventiv darauf, dass nur Inhalte gespeichert sind, die Sie für die Messepräsenz benötigen, und keine anderen geschäftlichen oder privaten Daten.
- Weisen Sie sämtliche Mitarbeiter des Standdienstes auf die Möglichkeit von Gesprächsabschöpfungen hin und machen Sie deutlich, welche Folgewirkungen unerwünschte Know-how-Abflüsse auch für den Einzelnen haben können.
