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Europawahl 2014: Gefahr durch extreme Parteien?

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Die Politik der Anti-Haltung

Europakritik scheint das Thema der diesjährigen Parlamentswahlen zu sein. Ausgerechnet diese Haltung eint die Protestwähler unterschiedlicher Mitgliedsstaaten. An sich ist das kein neues Phänomen, aufgrund der Euro-Krise tritt es aber diesmal verstärkt auf. Die österreichische FPÖ und die als rechtsextrem eingestufte Front National in Frankreich kritisierten häufig die „Eurokratie“, die den Nationalstolz, die Unabhängigkeit und das eigene Wertesystem untergrabe. Die UK Independence Party (UKIP) wirbt ganz offensiv für den Austritt Großbritanniens aus der EU.

Aber nicht nur als rechts geltende Parteien werben mit Europakritik. Auch linksextreme Parteien vertreten mitunter deutlich europaskeptische Inhalte, so z.B. die Vereinte Europäische Linke/Nordische Grüne Linke (GUE/NGL) oder die Deutsche Kommunistische Partei (DKP), die mit Europa vorwiegend kapitalistische und kriegerische Interessen verbindet und dazu aufruft, mit der Wahl ihrer Partei „gegen diese EU“ zu wählen.

Der Trend zum Extrem

Vor allem in Krisenzeiten bilden sich Protesthaltungen schnell heraus und finden ein entsprechendes Echo bei den Wählern. Nunmehr sind die eingeleiteten Rettungsmaßnahmen des Euro Gegenstand der Kritik sich neu bildender Protestparteien geworden. Die Parteien europäischer Geberländer suggerieren den Bürgern, dass Politiker über ihre Köpfe hinweg schwerwiegende Entscheidungen treffen, die sie als Steuerzahler letztendlich bewältigen müssten. In den strukturschwachen Nehmerländern basiert die anti-europäische Haltung auf finanzpolitischen Vorgaben, die einem „Kaputtsparen“ dieser Länder gleich käme, ohne spürbare Hilfe zu leisten.

Die Kritik an Europa impliziert das Gefühl des mangelnden Mitspracherechts und einer dekadenten Politik ohne Bezug zum Bürger. Dies erzeugt eine Stimmung zwischen Stimmverweigerung und Resignation einerseits und Protestwahl als letzte Souveränität des einzelnen Wahlberechtigten andererseits. Daraus erklärt sich auch die wachsende Zahl sich neubildender Protestparteien und -bewegungen, deren Wahlprogramm sich vor allem aus der Antihaltung des vereinten Europa speist und sonst wenig Inhalt zu bieten hat.

Seit Ende des Zweiten Weltkriegs gab es noch nie so viele populistische, extremistische und fremdenfeindliche Gruppierungen wie aktuell im Vorfeld der Europawahlen.[1] Errungenschaften und Werte der EU, für die sie eintritt, wie Wohlstand und soziale Stabilität, Wahrung der Menschenrechte und Rechtstaatlichkeit treten vor diesem Hintergrund zurück. Wahlforscher sorgen sich daher vor allem um die mittel- und langfristigen Folgen, den der Stimmanteil für die politisch extreme Agenda haben könnte.

Die Auswirkungen für Deutschland

In Deutschland bestimmen die Wähler am 25. Mai 96 von insgesamt 751 Europa-Abgeordneten. Der Bundeswahlausschuss hat 25 Parteien und Vereinigungen für die Europawahl zugelassen, darunter beispielsweise auch die rechtsextreme NPD. Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom Februar 2014 erklärte die zuletzt geltende Drei-Prozent-Sperrklausel[2] für verfassungswidrig und damit für nichtig.[3] Dieses Urteil ermöglicht nun auch Kleinstparteien den Einzug ins EU-Parlament. Denn fortan reicht bereits weniger als ein Prozent der Stimmen für einen Sitz aus.

Damit ist die Sorge mehr als berechtigt, dass die Mainstream-Parteien Stimmen zugunsten von Parteien mit radikalen bis extremistischem Gedankengut einbüßen. Gerade für die deutsche Delegation wäre der Einzug eines oder mehrerer als rechtsextrem einzustufenden Vertreter im Parlament ein schwerer Imageverlust. Zudem wäre eine Beeinträchtigung der politischen Position innerhalb der Fraktionen zu befürchten. Daneben bestünde die Möglichkeit und das Risiko, dass Eurokritiker die Handlungsfähigkeit des Parlaments durch eine Blockade-Politik einschränken.

Schicksalswahl für die EU

Die diesjährige Europa-Wahl gerät mehr denn je zur Schicksalswahl für die Staatengemeinschaft der EU. Risiken sind neben der möglichen Handlungsunfähigkeit des Parlaments durch größeren Einfluss einzelner, anti-europäischer Haltungen auch politisch-extreme Bündnisse auf EU-Ebene. Einzelne Kooperationen Rechtsextremer zwischen England, Norwegen und Schweden existieren bereits. Vergrößern und festigen sich solche Bündnisse auf EU-Ebene, birgt dies massive Risiken für den Grundsatz von Freiheit und Gleichheit, für welchen die EU einsteht. Das Extremismus-Problem würde dann wachsen und sich entgrenzen, was seine Bekämpfung schwieriger macht.

Praxishinweise
  • Die Wahl signalisiert, dass die wahlberechtigten Menschen mit der Idee des vereinten Europa unter Umständen noch nicht so weit sind, wie sich die Politik das wünscht. Denn Protestwahlen haben häufig etwas mit der Angst vor einem Wandel zu tun.
  • Vielleicht müssen es sich Politiker, die für die EU ein- und auftreten verstärkt zur Aufgabe machen, die Ängste ernst zu nehmen und in den Dialog mit der kritischen Wählerschaft zu treten. Denn die Kluft, die Bürger zwischen sich und einer – fern der eigenen Interessen und dekadenten – Politik sehen, wächst aktuell.

[1] dpa: Experten warnen vor Erfolg rechter Parteien, Handelsblatt vom 17.03.2014

[2] Bereits am 9. November 2011 wurde die Fünf-Prozent-Sperrklausel für die Europawahl für nichtig erklärt, vgl. BVerfG, 2 BvC 4/10 vom 9.11.2011

[3] Vgl. § 2 Absatz 7 EuWG, Urteil begründet sich auf die Unvereinbarkeit des Artikel 3 Absatz 1 und Artikel 21 Absatz 1GG, vgl. BVerfG, 2 BvE 2/13 vom 26.2.2014