Organisations- und Führungskonzepte

Ganzheitliche Maßnahmen zum Bevölkerungsschutz

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Die Rahmenbedingungen für den Katastrophenschutz haben sich entsprechend unserer Lebensbedingungen und Lebensgewohnheiten in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich verändert, z.B. durch die Urbanisierung sowie durch den demographischen Wandel. Diese Veränderungen haben starke Auswirkungen auf das Leben der Menschheit rund um den Erdball und bringen eine Vielzahl von Herausforderungen mit sich.

Zunehmende Urbanisierung

So wohnten bereits 2007 mehr Menschen in Städten als auf dem Land. 2030 werden voraussichtlich 60% aller Menschen in Städten wohnen. Man kann somit davon ausgehen, dass sich die urbanen Ballungszentren ausbreiten und der Lebensraum immer enger wird. Dadurch werden die Bedrohungslagen in diesen Ballungszentren zunehmen. Gleichzeitig ist die Urbanisierung aber der Motor für neuen Wohlstand der Gesellschaft. Es wird daher immer wichtiger, Prozesse und Maßnahmen zu definieren, um die Bevölkerung zu schützen.

Steigende Risiken in Ballungszentren

Risiken für Schutz und Sicherheit der Bevölkerung, die besonders in enger werdenden Lebensräumen zu hohen Schäden führen können, sind z.B.:

  • Chemieunfälle, auch von kleinen Betrieben wie z.B. Autowerkstätten, die eine große Zahl der umliegenden Anwohner beeinträchtigen können.
  • Naturkatastrophen als nicht kontrollierbare Ereignisse, die vorhandene Schutz- und Rettungsorganisationen bereits heute überwältigen. Eine noch höhere Besiedlungsdichte erhöht auch hier die Gefahrenlage.
  • Veraltete und unzureichende Infrastrukturen bilden Gefahrenquellen, welche ganze Straßenzüge in Mitleidenschaft ziehen können, z.B. bei Gasexplosionen in Häusern.   

Menschen reagieren auf Veränderungen mit mehr Bedürfnis nach Sicherheit für Leben und Sachwerte. Und die Veränderungen sind in ihrer Art und Komplexität deutlich erkennbar und spürbar, was sich auch an den angerichteten Schäden zeigt. Dies verdeutlicht eine Untersuchung der weltweiten Naturkatastrophen zwischen 2000 und 2012 durch das „UN Office for Disaster Risk Reduction“ (UNISDR), wonach

  • 1,2 Millionen Menschen ums Leben gekommen sind,
  • 2,9 Milliarden Menschen betroffen waren,
  • Schäden in Höhe von 1,7 Billionen USD angerichtet wurden.

Mithin benötigen wir neue Strategien, die einen besseren, also umfangreicheren Schutz der Bevölkerung vor Naturkatastrophen ermöglichen.

Ganzheitliche Konzepte benötigt

Bisherige Modelle der Risikobetrachtung/ -bewertung für Gebäude berücksichtigen überwiegend Ereignisse, die ihre Ursache im Gebäude haben. Heute können Gebäude aber nicht mehr in jedem Fall als isolierte Strukturen betrachtet werden. Vielmehr müssen auch weitergehende Aspekte, wie z.B. die Ausbreitung oder die Abgrenzung von Schäden bzw. Gefahren, gezielt bewertet werden. Ziel ist es, die Wahrscheinlichkeit dafür zu kennen, mit der ein Ereignis über den Raum, über das Gebäude oder über die Region hinaus wirkt; anders ausgedrückt: ab wann ein Ereignis als Teil eines größeren Ereignisses zu betrachten ist (siehe Oslo, Juli 2011). Abgesehen davon liegen Katastrophen in der Regel chaotischem Verhalten zu Grunde. Kleine Variationen in der Anfangssituation führen zu anderen Ergebnissen.

Die folgenden Ausführungen sind Bestandteil des Projekts PEARS innerhalb Euralarm, dem europäischen Fachverband für elektronischen Brandschutz und Sicherheit. Dieser Verband aus nationalen Fachverbänden und Herstellern ist ein respektierter Meinungsbildner. Unter anderem setzt er sich durch diverse Beiträge zum Bevölkerungsschutz ein.

Praxishinweise

Im Rahmen des europäischen Projekts Alert4All wurde zusammen mit dem Projekt PEARS von Euralarm ein Machbarkeitsnachweis (proof of concept) erarbeitet, das im Oktober 2013 gemeinsam erfolgreich demonstriert wurde. Daraus ergaben sich aus Sicht von Euralarm folgende Aspekte zur Verbesserung des Bevölkerungsschutzes:

 

  1. Ein integrales bidirektionales Notfall-Kommunikationssystem zwischen existenten Gefahrenmeldeanlagen und Notrufleitstellen. Dies könnte die technische Basis für eine Koordination der Maßnahmen zwischen Zivilschutzorganen, Hilfeleistern und der Bevölkerung bilden.
  2. Gezielte Informationen für gefährdete Personen sollten an die gebäudeinterne GMA übermittelt werden, um mithilfe des Endgeräts in der bedarfsgerechten-individuellen Sprache verbreitet zu werden.
  3. Die grundlegenden Schutzfunktionen einer Gefahrenmeldeanlage sollten infolge der erhaltenen Gefahreninformationen erweitert werden. Bei einer Gefährdung durch toxische Gase könnte z.B. die Fluchtweglenkung die Menschen in einen sicheren Bereich des Gebäudes führen, während die Gebäudeautomation das Gebäude hermetisch abriegeln würde.

Allmählich zeigt sich, dass die technischen Möglichkeiten für einen entsprechenden Lösungsansatz in greifbarer Zukunft liegen. Anspruchsvoller ist der Weg zu einem europäischen Lösungsansatz, der auch die diesbezüglichen sozialen, politischen und ökonomischen Aspekte abdeckt. Um dorthin zu kommen, braucht es eine intensive Diskussion zwischen allen Beteiligten.

Quellen

Euralarm

Alert4All