Rechtliches

„Suchmaschinen-Urteil“: Wann Google Daten löschen muss

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Berufserfahrung, Alter, Vorlieben – möchte man mehr über eine bestimmte Person erfahren, so ist es bisher ein Leichtes gewesen, mithilfe von Suchmaschinen wie Google und Co einen strukturierten Überblick über die im Internet bereitstehenden Informationen zu erhalten. Je nach Aktivität der Person häufen sich die Informationen, dank Social Networks wie Facebook oder Xing wird sogar ein Foto angezeigt. Ein Service also, der es dem Suchenden ermöglicht, ein z. T. sehr differenziertes Bild von der gesuchten Person zu erhalten.

Spanischer Fall landete vor dem EuGH

Ein spanischer Staatsbürger sorgte nun dafür, dass diesem uneingeschränkten Zugang zu Informationen ein Riegel vorgeschoben wird: Er beantragte bei der spanischen Datenschutzagentur AEPD (Agencia Española de Protección de Datos), u.a. Google Spain SL und Google Inc. anzuweisen, zwei Suchergebnisse aus dem Google-Index zu löschen.

Google listete unter seinem Namen Links zu Seiten einer Tageszeitung von Januar und März 1998 auf, in denen es um die Versteigerung eines Grundstücks ging. Die Versteigerung stand im Zusammenhang mit einer Pfändung wegen Schulden bei der Sozialversicherung. Der Betroffene behauptete, die Pfändung sei seit Jahren vollständig erledigt und verdiene keine Erwähnung mehr.

Die Datenschutzagentur wies die beiden Google-Gesellschaften an, die betreffenden Daten aus ihrem Index zu entfernen und den Zugang zu ihnen zukünftig zu verhindern. Dagegen klagten die Gesellschaften vor den spanischen Gerichten. Diese wandten sich zur Vorabentscheidung an den Europäischen Gerichtshof. Der EuGH wies die Klagen der Google-Gesellschaften ab.

EuGH: Suchmaschinenbetreiber ist Verantwortlicher

Der EuGH nimmt den Suchmaschinenbetreiber als Verantwortlichen in die Pflicht. Da dieser „automatisch, kontinuierlich und systematisch im Internet veröffentlichte Informationen aufspürt“, nehme er eine Erhebung von Daten im Sinne der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutzrichtlinie) vor. Die Richtlinie schützt natürliche Personen vor der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten und den freien Datenverkehr.

Der Suchmaschinenbetreiber müsse „in seinem Verantwortungsbereich im Rahmen seiner Befugnisse und Möglichkeiten“ dafür Sorge tragen, dass die Garantien der Richtlinie, nämlich ein wirksamer und umfassender Schutz der betroffenen Personen, insbesondere ihres Privatlebens, tatsächlich verwirklicht werden können.

Zu dieser Verantwortlichkeit gehöre auch, unter bestimmten Voraussetzungen Links von der Ergebnisliste zu entfernen, die zu Internetseiten Dritter führen, welche Informationen zu dem Betroffenen enthalten. Dies soll selbst dann gelten, wenn der betreffende Name oder die betreffende Information auf diesen Internetseiten nicht gelöscht werden, ja sogar dann, wenn ihre Veröffentlichung dort rechtmäßig ist.

Suchmaschine erstellt detailliertes Profil

Der Gerichtshof stützt seine Begründung hauptsächlich darauf, dass die Verarbeitung der personenbezogenen Daten durch die Suchmaschine jedem Internetnutzer einen Überblick über die im Netz zur Verfügung stehenden Daten ermögliche, zu denen auch „zahlreiche Aspekte des Privatlebens“ gehörten. Die Suchmaschine zeige dem Internetnutzer z. T. ein „detailliertes Profil“ der gesuchten Person, welches er ohne die Arbeit der Suchmaschine nicht erhalten hätte.

Fraglich ist jedoch, warum die Lösch-Verpflichtung des Suchmaschinenbetreibers über diejenige der Internetseitenbetreiber hinaus geht. Der Grund hierfür liegt wohl darin, dass Google und Co bei der Sucheingabe auch längst Vergessenes wieder auf den Bildschirm rücken. Den Nachteil aus der Lösch-Verpflichtung ziehen die Internetnutzer, die mit Hilfe der Suchmaschinen eine ordentlich aufbereitete Übersicht über die Daten zur gesuchten Person erhalten hätten. 

Angemessener Ausgleich“ –  praxistauglich?

Für die Link-Entfernung muss  – neben dem Vorliegen eines Antrags des Betroffenen – auch sein Interesse an der Löschung der Daten gegenüber dem Interesse der potentiellen Nutzer, an die Informationen zu gelangen, überwiegen. Der EuGH versucht, so einen „angemessenen Ausgleich“ zwischen dem berechtigten Interesse der Öffentlichkeit und den Grundrechten des Betroffenen, insbesondere das Recht auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten, herzustellen.

Beispielhaft zählt der EuGH dazu folgende Punkte auf:

  • die Art der betreffenden Information,
  • die Sensibilität der Information für das Privatleben der betroffenen Person und
  • das Interesse der Öffentlichkeit am Zugang zu der Information.

Im Allgemeinen, d.h. falls nicht „besonders gelagerte Fälle“ vorliegen, überwiegen seiner Meinung nach jedoch die Rechte des Betroffenen gegenüber dem Interesse der Internetnutzer.

Ob durch die beispielhafte Aufzählung und den schwammigen Verweis auf eine stets anzuwendende „Einzelfallbetrachtung“, wie es in dem Urteil aus Luxemburg steht,  die beabsichtigte „Interessen-Balance“ hergestellt werden kann, wird sich zeigen; nämlich dann, wenn sich die Praxis der Anfragen-Schwemme angenommen hat. Denn schlussendlich obliegt die Überprüfung, ob ein Recht auf Löschung einer betreffenden Information besteht, den zuständigen Datenschutzbeauftragten und Gerichten der EU-Staaten, sollten Google und Co eine Löschung ablehnen.

Praxishinweise
  • Häufig hat man es selbst in der Hand, welche Daten wo und wann über die eigene Person veröffentlicht werden. Oft ist man sich über die Reichweite der Verarbeitung nicht bewusst. Eine Google-Suche nach sich selbst gibt Erkenntnis über die eigene „Internet-Prominenz“.  
  • Betroffene können ihre Löschungsanträge direkt an die Suchmaschinenbetreiber richten. Verpflichtet sind all diejenigen Betreiber von Suchmaschinen, die eine Niederlassung in einem Mitgliedsstaat der EU haben.
  • Einen kostenlosen „Google-Löschungsantrag“ hält Smart Law bereit.
  • Lehnt der Suchmaschinenbetreiber den Antrag ab, so kann man sich an den zuständigen Datenschutzbeauftragten oder das zuständige Gericht wenden. Die Kontrollstellen prüfen dann die Begründetheit des Antrags, indem zwischen den Grundrechten des Betroffenen und dem Interesse am Zugang zur Information abgewogen wird. Wird dem Antrag stattgegeben, so kann der Suchmaschinenbetreiber zur Entfernung des Links verpflichtet werden.
Quellen

EuGH-Urteil vom 13. Mai 2014, C-131/12